Ich nehme jedoch an, dass er mich mit diesem Geld veranlassen wollte, nicht mehr zu meinem Vater zurückzukehren. Mein Vater hatte mich zu strengem Gehorsam erzogen, und so meinte ich zuerst, ich müsse diesem Mann unbedingt gehorchen, oder war jedenfalls viel zu ängstlich, um mich ihm zu widersetzen. So blieb ich und gab auch vor, ganz zufrieden zu sein, bis jedermann in der Familie völlig davon überzeugt war, dies sei mein wahrer Wunsch und Wille. Vier oder fünf Wochen vergingen.
Eines Tages spielte ich mit zwei anderen Jungen am Rand der großen Straße in einiger Entfernung vom Haus, als drei Wagen vorbeikamen. Einer gehörte einem alten Mann namens Dunn, die anderen zwei Wagen trugen den Hausrat seiner beiden Söhne. Alle Fahrzeuge waren gut bespannt, und das Ziel ihrer Reise war Knoxville. Da diese Männer schon einmal im Gasthaus meines Vaters übernachtet hatten, kannte ich sie flüchtig. Ich lief also zu dem alten Mann, nannte meinen Namen und erklärte ihm meine Lage. Dann sagte ich ihm, ich wolle zu meinem Vater und zu meiner Mutter zurück, und bat ihn, mir zu raten, wie das wohl zu machen sei. Die Männer sagten mir, sie beabsichtigten in einem sieben Meilen entfernten Gasthaus über Nacht zu bleiben. Wenn es mir gelingen sollte, mich dort vor Anbruch des nächsten Tages einzufinden, so versprachen sie, würden sie mich mitnehmen. Auch sicherten sie mir ihren Beistand für den Fall zu, dass man mich verfolgen werde. Dies geschah an einem Sonntagabend.
Ich lief zum Haus meines Herrn zurück, und mein Glück wollte es, dass er mit seiner ganzen Familie ausgegangen war. Ich raffte meine Kleider zusammen, nahm das wenige Geld,das ich besaß,und packte all meine Habseligkeiten zu einem Bündel zusammen, das ich unter dem Kopfkissen meines Bettes verbarg. Ich ging zeitig zu Bett und versuchte mit aller Macht nicht einzuschlafen. Denn obwohl ich ein wilder Junge war, liebte ich doch meinen Vater und meine Mutter sehr, und der Gedanke an ein Wiedersehen mit ihnen war stark genug, um die Müdigkeit zu überwinden. Natürlich hatte ich Angst. Was würde geschehen, wenn man meine Flucht zu früh entdeckte? Drei Stunden vor Sonnenaufgang brach ich auf. Als ich ins Freie trat, schneite es heftig. Der Schnee lag zwanzig Zentimeter hoch. Auch hatte ich darauf gehofft, dass der Mondlicht scheinen würde, aber der ganze Himmel war von Schneewolken verhängt. Auf meinem Weg zur großen Straße musste ich mich daher ganz auf meinen Orientierungssinn verlassen. Eine halbe Meile lief ich über Land, ohne sicher zu sein, dass ich auf dem richtigen Weg war. Ich hätte auch die Straße bestimmt verfehlt, wenn nicht an der Einmündung des kleineren Weges Holzstangen in den Boden gerammt gewesen wären. Die Schneedecke erschwerte die Orientierung, allerdings bedeckte der immer noch anhaltende Schneefall auch meine Spuren. Mein Herr würde am nächsten Morgen vergebens nach mir Ausschau halten.
Ich erreichte die verabredete Stelle etwa eine Stunde vor Tagesanbruch. Die Pferde waren schon angespannt und wurden gerade gefüttert. Bald würde man aufbrechen. Mr. Dunn führte mich ins Haus und war sehr freundlich zu mir. Ich war erregt und glücklich. Alle Aufregungen und der Marsch durch die Nacht waren nicht umsonst gewesen. Ich wärmte mich am Feuer, denn es war eisig kalt, und nachdem wir gefrühstückt hatten, fuhren wir los.
Die Gedanken an mein Zuhause ergriffen nun ganz und gar von mir Besitz, und ich zählte wohl die Umdrehungen der Wagenräder, jedenfalls aber die Meilen ungeduldig,denn es ging mir nun nicht schnell genug. Ich blieb bei meinem freundlichen Beschützer, bis wir das Haus von Mr. John Cole erreichten. Dort war ich schon so ungeduldig geworden, dass ich mir vornahm, nun das letzte Stück der Reise zu Fuß zurückzulegen, weil ich auf diese Weise doppelt so schnell wie die Wagen vorankommen würde.
Mr. Dunn schien es leidzutun, dass ich mich von ihm trennen wollte, und er bot all seine Überzeugungskraft auf, um mich zurückzuhalten. Aber mein Zuhause, so armselig es auch war, stand mir nun deutlicher denn je vor Augen, und es erschien mir so begehrenswert wie nie zuvor.
Ich blieb noch über Nacht bei Mr. Cole, am anderen Morgen aber brach ich frühzeitig auf. Ich ging zu Fuß weiter, bis ich einen Mann traf, der vom Markt zurückkam. Er hatte ein gesatteltes Packpferd bei sich und bot mir an, auf dem Tier zu reiten. Darüber war ich froh, denn ich war nun sehr müde und hätte, wäre mir nicht dieser freundliche Mann begegnet, durch das eiskalte Wasser des Roanoke waten müssen. Fünfzehn Meilen vor meinem Ziel trennten wir uns. Er ritt nach Kentucky weiter, und ich lief zu Fuß bis zum Haus meines Vaters, das ich gegen Abend erreichte. Den Namen des Gentleman, der mir sein Packpferd andiente, habe ich vergessen, und das tut mir leid, denn er verdiente eigentlich einen Ehrenplatz in diesem Bericht. Jedoch will ich die Erinnerung an einen Fremden, der einem kleinen unbekannten Jungen half, bewahren, solange ich lebe.
Im folgenden Kapitel erzählt Davy, wie er in eine nahe gelegene Privatschule geschickt wird, dort aber nur vier Tage bleibt, weil er sich mit einem älteren Jungen geprügelt hat. Er begleitet einen Wagenzug nach Baltimore und kehrt dann wieder zu seiner Familie zurück. Er ist nun fünfzehn Jahre alt und, so fährt er fort, »es mag für viele, die mich heute als Mitglied des amerikanischen Kongresses kennen, erstaunlich sein, dass ich in diesem fortgeschrittenen Alter auch nicht einen Buchstaben lesen oder schreiben konnte«.
– Das abenteuerliche Leben des Davy Crockett –
Ich werde Knecht und ich suche eine Frau
Ich blieb einige Zeit im Haus meiner Eltern, bis mir mein Vater eines Tages erzählte, dass er einem gewissen Abraham Wilson 36 Dollar schulde und beschlossen habe, mich diese Summe bei dem Mann abdienen zu lassen. Sechs Monate arbeitete ich bei Wilson, dann war unsere Schuld getilgt. Der Mann wollte mich länger behalten, aber ich lehnte ab. Der Grund war, dass in diesem Haus eine sehr schlechte Gesellschaft verkehrte, es würde viel getrunken und gespielt, und wenn ich länger dort geblieben wäre, hätte ich wohl einen schlechten Ruf gehabt. Deshalb kehrte ich zu meinem Vater zurück und händigte ihm den Schuldschein aus, worüber er sich sehr freute, denn wenn er auch arm war, so war er doch ein ehrlicher Mensch und immer bestrebt, seine Schulden bis zum letzten Cent zu bezahlen. Als Nächstes kam ich in das Haus des ehrlichen alten Quäkers John Kennedy, der aus North Carolina in unsere Gegend gezogen war und bei dem ich für zwei Schilling die Woche als Knecht arbeiten sollte. Eine Probezeit von einer Woche war ausgemacht. Er war zufrieden mit meiner Arbeit, und am Ende der Probezeit erzählte er mir, dass er ebenfalls einen Schuldschein meines Vaters über 40 Dollar habe und mir den Schein zurückgeben wolle, wenn ich sechs Monate bei ihm bliebe. Mir war zwar klar, dass ich selbst nie einen Cent von dem Geld sehen würde, aber ich hielt es für meine Sohnespflicht, meinem Vater so gut wie möglich zu helfen. Ich sagte dem Quäker also zu, und während der ganzen Zeit bei ihm besuchte ich meine Familie nicht ein einziges Mal. Als aber mein Kontrakt erfüllt war, lieh ich mir von meinem Herren ein Pferd und ritt an einem Sonntagabend zu meinen Eltern hinüber.
Nachdem wir uns eine Weile unterhalten hatten, zog ich den Schuldschein aus der Tasche, und meine Vater nahm natürlich an, Mr. Kennedy habe mich damit zu ihm geschickt, um ihn einzulösen. Er machte ein besorgtes Gesicht und sagte mir, dass er kein Geld habe und nun nicht mehr ein noch aus wisse. Ich erzählte ihm, dass der Schuldschein bereits bezahlt sei. Mein Vater brach in Tränen aus und sagte dann, wie leid es ihm tue, dass er mir nichts dafür geben könne als seinen Dank.
Am nächsten Tag ritt ich zu dem Quäker zurück und begann nun, für ein paar neue Kleider zu arbeiten. Nachdem ich ein Jahr lang gearbeitet hatte, ohne auch nur einen Cent für mich zu verdienen, waren meine Kleider so abgetragen, dass mir keine andere Wahl blieb, als mich noch einmal für zwei weitere Monate zu verdingen. Um diese Zeit kam des Quäkers Nichte, eine junge Frau aus North Carolina auf Besuch. Und nun komme ich zu einer