Schon spät, bei Abenddämmerung, kam Tom Walker an das alte Fort und beschloss, dort einen Augenblick auszuruhen. Jeder andere Mensch hätte wohl diesen düsteren Ort, über den unheimliche Geschichten umgingen, gemieden. Tom Walker aber war nicht der Mann, sich vor solchem Altweibergeschwätz zu fürchten. Er setzte sich auf einen umgestürzten Stamm, hörte auf den Schrei einer Baumkröte und lehnte sich vorn über auf seinen Spazierstock.
Da war es ihm, als stoße die Stockspitze gegen etwas Hartes. Er stocherte mit dem Stock in der Erde herum, und siehe da, ein gespaltener Schädel, in dem noch ein Tomahawk steckte, kam zum Vorschein.
»Ha«, sagte Tom Walker und stieß mit der Fußspitze an den Schädel, um so die Erde, die daran hing, abzuklopfen. – »Lass den Schädel in Ruhe«, sagte eine tiefe Stimme. Tom blickte auf, und da saß auf einem Baumstamm, ihm gegenüber, ein großer schwarzer Mann.
Tom wunderte sich, denn er hatte zuvor nicht das leiseste Geräusch gehört. Sein Erstaunen wuchs, als er bemerkte, dass der Mann, der weder ein Indianer noch ein Schwarzer sein konnte, von einem seltsam glühenden Licht umgeben war. Sein Gesicht war rußverschmiert. Er hatte langes schwarzes Haar, das nach allen Seiten hin von seinem Kopf abstand, und trug eine Axt über der Schulter. Eine Weile sah er Tom. mit rotglühenden Augen schweigend an. Dann sagte er:
»Was stocherst du hier auf meinem Grund herum, he!«
»Dein Grund«, antwortete Tom höhnisch, »nicht mehr dein Grund und Boden als meiner. Das Land gehört dem Diakon Peabody.« – »Diakon Peabody soll verdammt sein«, sagte der Fremde, »und eines Tages wird er zur Hölle fahren, wenn er sich nicht bald mehr um seine eigenen Sünden kümmert. Schau einmal dorthin, da kannst du sehen, wie es mit diesem Peabody steht.«
In der Richtung, in die der Fremde deutete, sah Tom einen großen kräftigen Baum, der an den Wurzeln schon so verfault war, dass ihn der nächste kräftige Wind fällen musste. Auf der Borke des Baumes aber stand zu lesen: Diakon Peabody, ein bedeutender Mann, der seinen Reichtum damit erwarb, dass er die Indianer betrog.
Und als sich Tom nun weiter umsah, entdeckte er, dass viele der großen Bäume, die hier standen, den Namen eines angesehenen Mannes trugen. Alle waren sie mehr oder minder krank oder angefault, und jener Stamm, auf dem Tom selbst saß, musste eben gerade gefällt worden sein. Auch er trug einen Namen. Crowningshield stand darauf. Und Tom erinnerte sich, dass so ein mächtiger und reicher Mann hieß, der gern mit seinem Reichtum prahlte, den er, wie man sich zuflüsterte, als Pirat erworben hatte.
»Dieser Stamm hier wird gleich verbrannt«, sagte der schwarze Mann in triumphierendem Ton, »du siehst, an Feuerholz für den Winter habe ich keinen Mangel.«
»Aber was für ein Recht hast du, hier auf Diakon Peabodys Grund und Boden Holz zu fällen?«, fragte Tom.
»Ich habe ein Vorzugsrecht«, antwortete der andere, »dieser Wald war mein Eigentum, lange bevor es je weiße Männer in dieser Gegend gab.«
»Ich bitte dich, sage mir dann, wer du bist«, fragte Tom.
»Ach, weißt du, ich habe verschiedene Namen. In manchen Gegenden bin ich ein wilder Jäger, in anderen ein Bergmann. Hier nennt man mich meist den schwarzen Waldgänger. Ich bin der, dem bei den Indianern dieser Ort geweiht war und dem zu Ehren sie ab und zu hier einen weißen Mann am Marterpfahl verbrannten. Seitdem die roten Männer von euch weißen Wilden ausgerottet worden sind, mache ich mir oft ein Vergnügen daraus, die Progrome gegen Quäker und Wiedertäufer anzuführen. Ich bin der Schutzherr der Sklavenhändler und der Großmeister der Hexen von Salem.«
»Woraus, wenn ich mich nicht gewaltig täusche, doch wohl folgert, dass man dich gemeinhin den Teufel heißt«, sagte Tom.
»Du hast recht. Ich stehe zu deinen Diensten«, antwortete der schwarze Mann.
So soll das Gespräch zwischen den beiden begonnen haben. Man könnte nun meinen, einem Menschen, der an einem solch wilden und einsamen Ort dem Teufel begegne, müsse vor Schreck das Blut in den Adern geronnen sein. Aber Tom war ein hartgesottener Bursche und zu lange lebte er schon mit einem zänkischen Weib zusammen, um sich noch vor dem Teufel zu fürchten.
Man erzählt, dass die beiden nach dieser Vorstellung noch ein langes und ernstes Gespräch miteinander führten, ehe Tom sich auf den Heimweg machte. Der schwarze Mann soll ihm dabei von den Schätzen des Captain Kid erzählt haben. Er gab zu verstehen, dass dessen Reichtümer sich in seiner Verwahrung befänden und nur durch ihn einem Menschen zugänglich gemacht werden könnten. Schließlich bot er an, all das Geld und Gold an einen Ort zu schaffen, wo es immer für Tom zur Hand sei. Natürlich stellte er auch Bedingungen. Doch wie sie lauteten, wurde nie bekannt, da sich Tom Walker über diesen Punkt des Gespräches immer ausschwieg. Doch müssen sie sehr hart gewesen sein, denn Walker, der gewöhnlich sehr hinter dem Geld her war, bat sich Bedenkzeit aus. Auch hatte er seine Zweifel: »Was für einen Beweis«, so fragte er, »gibt es dafür, dass du die Wahrheit sprichst?« – »Ich will dir ein Zeichen geben«, sagte der schwarze Mann und legte seinen Finger auf Toms Stirn. Dann wandte er sich rasch um und war im nächsten Augenblick im Gebüsch verschwunden. Als Tom zu Hause ankam, stellte er fest, dass das schwarze Zeichen auf seiner Stirn mit nichts abzuwaschen war. Es schien in die Haut hineingebrannt zu sein.
Das Erste aber, was ihm seine Frau erzählte, war, dass Absalom Crowningshield, der reiche Seeräuber, plötzlich gestorben sei. »Mag der Freibeuter in der Hölle schmoren«, dachte Tom bei sich, »ich habe jetzt wenigstens die Gewissheit, dass ich nicht nur geträumt habe. Es gibt den schwarzen Mann. Und auch mit dem Schatz mag es dann wohl seine Richtigkeit haben.«
Gewöhnlich hätte Tom ein Geheimnis wie das Wissen um einen verborgenen Schatz wohl für sich behalten, aber unter diesen besonderen Umständen fand er es doch besser, sein Weib ins Vertrauen zu ziehen. Das hatte aber nur zur Folge, dass ihre Habgier noch wuchs. Sie drängte ihren Mann, rasch das Angebot des Teufels anzunehmen und den Schatz an sich zu bringen.
Nun war Tom eigentlich gar nicht abgeneigt, für Geld seine Seele dem Teufel zu verkaufen. Als ihm aber seine Frau dazu riet, widersprach er, ganz einfach, weil der jahrelange Streit mit seinem Weib ihn dahin gebracht hatte, immer gerade das nicht zu tun, was sie von ihm verlangte. Natürlich schalt sie ihn nur wieder, aber das bewirkte nur, dass er noch eigensinniger auf seinem Willen beharrte.
Endlich entschloss sich das Weib, selbst mit dem Teufel ins Geschäft zu kommen. Sollte ihr der Schatz zufallen, so würde ihr Mann nichts davon erfahren. Auch sie kannte keine Furcht, und so ging sie am Abend eines Sommertages zu den Ruinen des alten Indianerforts. Viele Stunden blieb sie fort. Als sie zurückkam, war sie verschlossen und gab nur ausweichende Antworten. »Ja«, sagte sie, dem schwarzen Mann sei sie tatsächlich begegnet, doch hätten sie nicht handelseinig werden können. Sie müsse wohl noch einmal mit ihm reden, doch warum dieses zweite Gespräch nötig sei, wollte sie nicht sagen.
Am nächsten Abend lief sie wieder in die Sümpfe und trug in ihrer Schürze etwas Schweres mit. Tom.wartete und wartete. Sie kam nicht.zurück. Es wurde Mitternacht, es wurde Morgen und schließlich Mittag, und immer noch wartete er vergebens.
Mit der Zeit wurde Tom unruhig und fürchtete, es könne ihr etwas zugestoßen sein. Inzwischen hatte er auch herausgefunden, dass sie in der Schürze wohl die silberne Teekanne, die Löffel und überhaupt alles, was es im Haus an Wertgegenständen gab, mitgenommen haben musste. Noch ein Tag und noch eine Nacht vergingen. Die Frau kam nicht zurück. Mit anderen Worten, und um die lange Geschichte kurz zu machen, Tom Walkers Weib blieb verschwunden, und nie wieder hörte man etwas von ihr. Natürlich