Auguste Viktoria. Randy Fink. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Randy Fink
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783843806954
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Klang von Militärmusik war für die Schaulustigen das Zeichen, dass die Zeremonie mit Prinz Wilhelm begann, der an der Spitze des ersten Garderegiments zu Fuß durch das Brandenburger Tor und anschließend Unter den Linden entlang zum Berliner Schloss ritt.

      Währenddessen verließ Auguste Viktoria, die in ihrem hellblauen Brokatkleid und einer Perlenkette laut ihrer Schwiegermutter »reizend« aussah, Schloss Bellevue und bestieg die achtspännige, vergoldete Kutsche, mit Kronprinzessin Victoria zu ihrer Linken und Gräfin Brockdorff, die beiden gegenüber saß. Als die Kutsche das Brandenburger Tor passierte und Auguste Viktoria vom Berliner Bürgermeister von Forckenbeck begrüßt wurde, wurden weiße Tauben freigelassen. Daraufhin äußerte sie die Hoffnung, bald von den Berlinern zu einer der ihren gezählt zu werden. Am Berliner Schloss, wo Wilhelm inzwischen mit seiner Kompagnie Aufstellung genommen hatte, half der Kronprinz seiner Schwiegertochter aus der Kutsche und begleitete sie ins Schloss. Dort wurde der Ehevertrag unterzeichnet, der eine Auflistung von dem wenigen Schmuck und der Garderoben, die Auguste Viktoria in die Ehe brachte, und eine Verzichtserklärung auf die väterlichen Erbansprüche enthielt. Das militärische Paradefaszinosum der Einholung war damit beendet. Die eigentliche standesamtliche Eheschließung folgte am Abend darauf in der Neuen Galerie. Anschließend wurde der Braut im Chinesischen Kabinett von Kaiserin Augusta die Prinzessinnenkrone aufgesetzt, mit der sie an der Seite von Wilhelm, in Uniform des 1. Garde-Regiments und Kette des Schwarzen Adlerordens durch die Bildergalerie in die Schlosskapelle einzog. Hofprediger Rudolf Kögel hielt die Traurede und nachdem das Paar die Ringe gewechselt hatte, verkündeten 36 Salutschüsse der Bevölkerung die Eheschließung des Prinzen mit Auguste Viktoria.

      Das junge Prinzenpaar, beide waren 22 Jahre alt, nahm nun die Glückwünsche der Familie entgegen. Danach folgte der »Gratulationsdefiliercour der übrigen Hochzeitsgäste«. Daran schlossen sich ein Bankett und die Zeremonientafel an. Der erste von drei Tagen der Feierlichkeiten endete mit einem traditionellen Fackeltanz, bei dem Wilhelm und Auguste Viktoria durch die Reihen der Gäste schritten, während ausgewählte Minister mit Wachsfackeln vorangingen. Am zweiten Tag folgten ein Galadiner und ein Besuch der Oper Armide im Opernhaus. Am Dienstag, dem letzten Tag der Feierlichkeiten, wurde zu Ehren des Brautpaares ein Quadrille-Ball veranstaltet.34

       Die Ehefrau

      Der Mann, den Auguste Viktoria geheiratet hatte, besaß zur Hochzeit noch nicht seinen bekannten Schnurrbart, der später mit viel Pflege vom Hoffriseur Herrn François Haby mit den Spitzen nach oben drapiert wurde, um den sogenannten »Kaiser-Wilhelm-Aufsteiger« zu kreieren. Zweimal hatte er sich einen Vollbart stehen lassen, rasierte ihn aber auf Wunsch seiner Frau wieder ab. Wilhelm hatte einen hellen Teint, gute Zähne, blondes Jahr, welches ab dem 50. Lebensjahr ergraute. Er wog bei 1,76 Meter circa 70 Kilogramm, seine Bewegungen waren ruckartig und temperamentvoll zugleich. Gerne fuchtelte er mit dem rechten Zeigefinger vor dem Gesicht desjenigen, den er in einer Diskussion überzeugen wollte. Seine Stimme war klar, nach einer Halsoperation 1903 jedoch flach und unlebendig. Bei seiner komplizierten Geburt am 27. Januar 1859 im Kronprinzenpalais wurden Nervenstränge am linken Arm verletzt, sodass sein linker Arm kürzer und zurückgebliebener war als der rechte, dessen kräftiger Händedruck schmerzharft stark war. Besonders wenn er die Ringe an seinen Fingern mit den Steinen nach innen drehte, was er gerne machte, um Leute zu ärgern. Sein sarkastischer, schwarzer Humor sowie seine impulsiven Äußerungen und sein mangelndes Taktgefühl führten häufig zu Spannungen. Dem König von Italien etwa gab er einen Klaps auf den Po – genau wie dem Sohn des letzten Sachsenkönigs, wobei sich Wilhelm auch über die Größe des prinzlichen Gesäßes amüsierte. Seiner Schwägerin, Auguste Viktorias Schwester Karoline Mathilde, schlug er, nachdem sie sich beim Essen verschluckte, so heftig auf den Rücken, dass sie »etwas rot und erregt geworden« äußerte: »Aber ich möchte so eine Kur doch nicht öfters durchmachen.«35 Wilhelms Interessen sprangen von einem Thema zum anderen. Er meinte, alles zu kennen und machen zu können, auch wenn er dabei wenig Geschick zeigte und nie lange bei einer Sache blieb, wobei sein gutes Gedächtnis bemerkenswert war.36

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      Prinz Wilhelm im Jagdanzug, 1879 (Fotgrafie: Hills & Saunders, London). Seinen linken, kürzeren Arm versteckte oder kaschierte er auf Fotografien.

      Nach der Hochzeit richteten sich Prinz und Prinzessin zunächst in den kalten Wohnungen des Potsdamer Schlosses ein, wo Auguste Viktoria sich mit der Etikette am Hof beschäftigte und anfing, die verschiedenen Uniformen der Regimenter zu studieren, die sie zunächst nicht unterscheiden konnte. Währenddessen wurde das Marmorpalais, ein zweistöckiges, u-förmiges und sanft rotes Gebäude mit direktem Zugang zum Heiligen See, umgebaut und mit neuen Wasserleitungen ausgestattet. Die Sparsamkeit, die Kaiser Wilhelm I. für den Umbau forderte, führte zur Unterbringung des Hofstaats außerhalb des Palais, die Herren im Kavalierhaus, die Damen im Hofdamenhaus. Beide Gebäude waren jedoch so weit vom Palais entfernt, dass sich der Hof über die langen Wege beschwerte, insbesondere bei Regen und Kälte. Einzig das Garderobenpersonal wurde direkt im Palais untergebracht.37

      Auguste Viktorias Tagesablauf richtete sich vollkommen nach ihrem Mann, dessen Dienst bei der Garnison in Potsdam oft um 7 Uhr begann. Sofern sie Wilhelm nicht nachreiste, den Exerzierübungen zuschaute und mit den Soldaten sprach, begann Auguste Viktoria karitative Einrichtungen zu besuchen. In der Freizeit schipperte das Ehepaar über den Heiligen See, nur begleitet von einem Adjutanten und einer Hofdame in einem zweiten Bötchen.

      Die Pflicht, als Frau des Thronfolgers schnellstmöglich einen Sohn – im Idealfall mehrere Söhne –zur Welt zu bringen, erfüllte Auguste Viktoria bereits ein Jahr nach ihrer Hochzeit mit der Geburt von Friedrich Wilhelm Victor August. In der Nacht vom 6. Mai 1882 schritt Kronprinz Friedrich, der durch ein Telegramm seines Sohnes von der baldigen Niederkunft erfuhr, vor dem Marmorpalais auf und ab und blickte dabei ständig zu den beleuchteten Fenstern im ersten Stockwerk hinauf. Im Hintergrund des Geschehens standen die Hofdamen Claire von Gersdorff und die Gräfin von Keller und beobachteten den nervösen Kronprinzen. Gegen 22 Uhr öffnete Wilhelm das Fenster und rief zu seinem Vater: »Papa, er ist da! Ein Sohn«, und bevor die draußen wartenden Hofdamen es realisierten, war der Kronprinz auch schon im Haus verschwunden. Am nächsten Morgen erfuhr Berlin durch 101 Salutschüsse von der Geburt des Erben. Kaiser Wilhelm stellte sich im Marmorpalais ein, um seinen ersten Urenkel zu sehen, der wegen unentwegtem Geschreie »ein richtiger Posaunenengel« gewesen sei.38 Die stolze Mutter schrieb an ihre Schwester, der »Herr hat meinen größten Wunsch erfüllt, in dem er mir den herzigen Kleinen schenkte«, und sie freute sich darüber, dass ihr Mann »bei Babys Bad assistiert [hat] gewiß ¾ Stunden … nachher brachte er ihn mir herein«39.

      Die Taufe des Prinzen, die vom Kronprinzen überwacht und mit dem Hofpersonal geprobt wurde, fand im Juni in der Jaspis Galerie des Neuen Palais in Potsdam statt. Am Ende des Saales, der durch seine großen Spiegel und Kronleuchter geprägt war, wurde ein Altar errichtet, vor dem im Halbkreis die Taufpaten standen. Die Eltern des Kindes saßen neben dem Altar, wobei Wilhelm I. auffiel, dass die »junge Mutter […] charmant« aussah und »sich gut die ganze Zeit über« hielt. Nachdem eine Schwester des Kaisers das Kind hereintrug, nahm Wilhelm I. persönlich die Taufe vor. Nach dem Galadiner im riesigen Marmorsaal verteilten sich die Gäste auf 72 Kutschen und fuhren zum Bahnhof Wildpark (der heutige Bahnhof Potsdam Sanssouci wäre auch zu Fuß bequem erreichbar gewesen), um eine Ballettvorstellung in Berlin zu besuchen.40

      Der zweite Sohn, Wilhelm Eitel Friedrich Christian Karl, wurde am 7. Juli 1883 morgens um 6 Uhr geboren, was der stolze Kronprinz in seinem Tagebuch festhielt, als »bald nach 4 Uhr ward Frauchen nach dem Marmorpal[ais] gerufen; Wilhelm aus Berlin traf 5 Minuten vor der Geburt ein. Dauer der Wehen von 1 Uhr Morgens nur. Alles verlief normal und leicht. Der Kleine ist vielleicht noch stärker als der Aelteste bei seiner Geburt war […] Ich war bald nach seinem Erscheinen eingetroffen.«41 Fast genau ein Jahr später, am 14. Juli 1884, folgte Adalbert Ferdinand Berengar Viktor, zu dessen Geburt Kaiser Wilhelm I. das Wortspiel veröffentlichte: »Die Geburt des dritten Sohnes des Sohnes meines Sohnes ist mir eine große Freude, da, wenn Gott den Kindern Leben