Der neue Landdoktor Box 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740980641
Скачать книгу
Sebastian, während sie nebeneinander den Weg entlangliefen und sich Mühe gaben, den größten Pfützen auszuweichen.

      »Mir ist Ihr vorwurfsvoller Blick nicht entgangen, als Sabine mich Ihnen vorgestellt hat.«

      »Eine Querlage ist eine vorhersehbare Komplikation. Sie hätten Sabine rechtzeitig auf einen Kaiserschnitt in der Klinik vorbereiten müssen.« So wie er Anna gerade erlebt hatte, war sie eine gute Hebamme, und er fragte sich, wie ihr so etwas passieren konnte.

      »Das hätte ich auch getan, aber leider wusste ich nichts davon.«

      »Sie war nicht bei Ihnen zur Kontrolle?«

      »Sie war nur einmal bei mir, da war sie in der zehnten Woche. Danach habe ich sie nicht mehr gesehen, alles, was ich über sie wusste, basierte auf diesem einzigen Gespräch. Das wurde mir erst richtig bewusst, als Sie mich nach ihren Vorerkrankungen fragten.«

      »Was Sie an den Rand der Ohnmacht gebracht hat?«

      »Das war unprofessionell, ich weiß, obwohl es sicher auch daran lag, dass ich heute seit dem Frühstück nichts mehr gegessen habe. Bei Ihrem Vater war Sabine übrigens auch nicht. Ich hatte ihn neulich danach gefragt. Wir dachten, sie geht zu einem Gynäkologen in die Stadt.«

      »Merkwürdig, mir hat sie gestern erzählt, dass jetzt alle zu Ihnen gehen.«

      »Alle nicht, und Sabine leider auch nicht. Aber vermutlich halten Sie sowieso nichts davon, wenn eine Hebamme sich selbstständig macht.«

      »Das glauben Sie also?«

      »Hebammen stehen nicht gerade hoch im Kurs bei euch Medizinern. Die meisten Ihrer Kollegen sind der Meinung, dass Schwangerschaft irgendetwas mit krank sein zu tun hat und die Geburt ausschließlich unter Ihrer Aufsicht in einer Klinik stattzufinden hat.«

      »Soweit ich weiß sind auch in den Kliniken Hebammen für die Geburt zuständig. Oder hat sich das mittlerweile geändert?«, fragte er lächelnd.

      »Sie wissen genau, was ich meine.«

      »Nein, weiß ich nicht.«

      »Sie halten uns für Relikte aus der Steinzeit. Wir können nichts, was ein Arzt oder ein medizinisches Gerät nicht besser könnten.«

      »Das sehe ich nicht so. Ich habe keine Ahnung, wie ich diese Situation gerade mit einem medizinischen Gerät hätte meistern sollen.«

      »Jetzt hat es eben gerade mal gepasst. Ihr Vater ist allerdings anders. Ich bin seit drei Jahren in Bergmoosbach, und wir beide haben immer gut zusammengearbeitet. Wenn Ihr Vater etwas über Sabines Zustand gewusst hätte, dann hätte er sich mit mir abgesprochen.«

      »Das hätte ich auch getan.«

      »Ach, wirklich«, entgegnete Anna schnippisch.

      »Sie müssen einiges mitgemacht haben, wenn wir Ärzte so wenig Kredit bei Ihnen haben.«

      »Richtig.«

      »Eine persönliche Verletzung?«

      »Ja, sehr persönlich.« Nachdenklich sah Anna an den Horizont.

      Die Wolken hatten sich verzogen, der Sternenhimmel wölbte sich über dem Tal, und das weiße Mondlicht ließ die Felder und Wiesen noch weiter, noch einsamer erscheinen. Das Dorf lag hinter einer Kuppe versteckt, und es schien, als wären sie ganz allein. Und auf einmal sprach Anna aus, was sie sonst doch immer für sich behielt.

      »Er hieß Sven, war Gynäkologe in derselben Klinik, in der ich auch angestellt war. Ich dachte, wir seien ein Paar, bis ich ihn eines Tages besuchen wollte und mir Tanja, die Tochter des Klinikleiters, leicht bekleidet oder besser, fast gar nicht bekleidet die Tür öffnete. Sie hat mir erklärt, dass die Zukunft allein den Ärzten gehört und dass es Hebammen und ähnliche Medizinhelfer irgendwann nur noch im Museum zu besichtigen gäbe. Zwei Monate später wurde Sven Chefarzt der Klinik, und ich habe gekündigt.«

      »Ich befürchte, Sven ist ein ganz schlechtes Beispiel, um von ihm auf alle Ärzte zu schließen.«

      »Nein, er ist ein typisches Beispiel.«

      »Was kann ich tun, um unseren Ruf zu verbessern?«

      »Sie können gar nichts tun.«

      »Doch, das kann ich. Ich lade Sie zum Essen ein.«

      »Wann?«

      »Jetzt. Sie sagten gerade, Sie haben heute nur gefrühstückt. Ich kann Ihnen einen wirklich köstlichen Auflauf anbieten.«

      »Ich kann doch nicht mitten in der Nacht mit zu Ihnen nach Hause gehen. Was soll denn Ihre Familie davon halten?«

      »Darüber müssen Sie sich keine Sorgen machen. Es ist niemand da, sie wurden von dem Unwetter überrascht und übernachten heute auf dem Kuglerhof.«

      »Ich weiß nicht, ob das besser ist.«

      »Sie denken an Ihren Ruf?«

      »Wir sind nicht in der Stadt, wir sind in Bergmoosbach.«

      »Aber ich spreche von Traudels berühmten Kartoffelauflauf, dem mit Auberginen und Paprika.«

      »Wissen Sie was, ich bin in München aufgewachsen, da tut man solche Dinge schon hin und wieder. Ich komme mit«, erklärte sie lächelnd. Eigentlich ist er doch ganz nett, dachte Anna. Was hätte er denn auch denken sollen, als er bei Sabine eintraf und sie neben ihrem Bett saß. Natürlich ist er davon ausgegangen, dass sie sich auch in den letzten Monaten um sie gekümmert hatte.

      »Heißt das, ich bekomme die Chance, Ihr Vertrauen zu gewinnen?«

      »Wollen Sie denn mit mir zusammenarbeiten?«

      »Unbedingt. Ganz davon abgesehen haben wir seit heute ein gemeinsames Patenkind, da sollten wir uns vertragen.«

      »Stimmt, also dann, Freunde?« Anna blieb stehen, sah ihn an und reichte ihm die Hand.

      »Freunde«, sagte Sebastian und umfasste ihre Hand.

      *

      Anna hatte immer Kleidung zum Wechseln in ihrem Rucksack und zog sich genau wie Sebastian nach ihrer Ankunft im Haus der Seefelds erst einmal um.

      »Nur noch ein paar Minuten«, sagte Sebastian, als sie in die Küche kam und der Auflauf bereits im Ofen stand. »Diese weniger sportliche Kleidung steht Ihnen gut.« Er schaute auf das Sommerkleid mit dem kleinen Blümchenmuster, das sie jetzt trug.

      »Danke.« Verlegen zupfte sie an den kurzen Ärmeln des Kleides, obwohl es da gar nichts zu richten gab. Sebastians Blick hatte sie in eine merkwürdige Unruhe versetzt. »Aber Sie haben nichts gegen sportliche Frauen?«, fragte sie, als sie sich wieder gefangen hatte.

      »Nein, das wäre auch gefährlich für mich.«

      »Wieso das?«

      »Meine Tochter spielt mit Begeisterung Fußball.«

      »Ich habe auch ein paar Jahre Fußball gespielt. Wie kommt Ihre Tochter in Bergmoosbach zurecht? Hat sie schon Freunde gefunden?«

      »Sie ist noch nicht wirklich hier angekommen. Sie vermisst Toronto, und sie vermisst ihre Freunde. Bitte, setzen Sie sich doch. Was möchten Sie trinken?«

      »Wasser, bitte.«

      Sebastian wartete, bis sie sich einen Platz am Küchentisch ausgesucht hatte, bevor er die beiden Gläser mit Sprudelwasser hinstellte und sich auf den Stuhl ihr gegenüber hinsetzte. »Wir haben lange darüber gesprochen, ob es richtig ist, nach Bergmoosbach zurückzukehren, und schließlich waren wir uns einig, diese Veränderung zu wagen. Emilia liebt ihren Großvater und sie hängt auch sehr an Traudel«, erzählte er Anna.

      »Immer wenn Traudel von Emilia erzählt hat, haben ihre Augen geleuchtet. Das Mädchen ist ihr Augenstern.«

      »Ich denke, sie sieht in ihr das Enkelkind, das sie nie hatte.«

      »Irgendwie ist sie doch auch ihre Enkelin, so, wie Sie ihr Kind sind. Ihr Vater hat mir erzählt, wie dankbar