Heidedorf wie aus dem Märchenbuch
Wilsede wirkt wie aus der Zeit gefallen: Heidehöfe mit Fachwerk, Reetdach und gepflasterten Wegen könnten nicht malerischer angelegt sein. Das kleine Heidedörfchen inmitten des Naturparks ist nur mit dem Fahrrad, der Kutsche oder zu Fuß zu erreichen. Von Undeloh oder Niederhaverbeck aus, wo man parken kann, sind es fünf bzw. 3,5 Kilometer bis nach Wilsede. Rund um den Ort führen Wanderwege in die Natur, etwa um den Talkessel Totengrund oder auf den Wilseder Berg, die mit 169 Metern höchste Erhebung der norddeutschen Tiefebene. Von hier aus bietet sich ein schöner Weitblick, bei gutem Wetter sogar bis Hamburg. In der Nähe von Wilsede finden sich heute noch Reste der alten Hutewälder mit betagten Buchen und Eichen. Dank der nahrhaften Bucheckern und Eicheln wurden die Wälder als Waldweiden für das Vieh genutzt. Wer nicht gerade an Sonntagen im Sommer herkommt, kann in der ausgedehnten Natur immer wieder absolute Ruhe und ungestörte Abgeschiedenheit erleben. Nur wenige Straßen und Schienen durchziehen den Naturpark, deshalb finden Erholungssuchende hier eine ideale Kulisse, um stundenlange entspannte Wanderungen fernab der Massen zu unternehmen. Dies ist nicht nur für Spaziergänger schön, die Einsamkeit begünstigt auch das Vorkommen seltener Tierarten wie Kraniche, Fischotter, Seeadler und Schwarzstörche, die besonders empfindlich auf Störungen reagieren.
TIPPS & INFOS
ANREISE: Bequem und klimafreundlich erreichen Wanderer und Radfahrer die Ausgangspunkte ihrer Touren mit dem Heide-Shuttle. Die kostenlosen Busse verkehren vom 15. Juli bis zum 15. Oktober.
SEHENSWERT: Das Heimatmuseum Dat ole Huus in Bispingen ist eines der ältesten Freilichtmuseen Deutschlands. Das Museum zeigt das Leben der Heidebauern um 1850. Kinder frei, Erwachsene 3 Euro, www.stiftung-naturschutzpark.de
EINKEHR: Die Milchhalle ist die erste Anlaufstelle für eine Stärkung in Wilsede. Hier gibt es Klassiker wie Erbsensuppe, aber auch Spezialitäten wie Heidschnuckenbratwurst.
INFO: www.verein-naturschutzpark.de
Im autofreien Naturschutzgebiet sind die Heide-Kutschen die Alternative zum Auto.
WELTERBE BUCHENWÄLDER
Ein Wald wie vor Jahrtausenden
Deutschland ist Buchenland. Vor rund 3000 Jahren bedeckten die Buchenwälder noch weite Teile Europas. Das natürliche Verbreitungsgebiet der Buche erstreckt sich damals wie heute von den Küsten im Norden über die Mittelgebirge im Herzen Deutschlands bis in höhere Lagen der Alpen im Süden. Von diesem Buchen-Reichtum ist längst nicht mehr viel zu sehen. Schon zu Zeiten Karls des Großen rodete man Wälder im großen Stil. Die industrielle Entwicklung im 18. und 19. Jahrhundert wurde vom Rohstoff Holz befeuert. Doch dann war das Holz auf einmal knapp. Mit schnell wachsenden Nadelbäumen, vor allem Fichten, versuchte man, die unersättliche Nachfrage zu bedienen. Die einst riesigen alten Buchenwälder schrumpften zu kleinen Inseln.
Die Reste wertvoller Wälder
Am 25. Juni 2011 ernannte die UNESCO die wertvollsten der alten Buchenwälder in Deutschland zum Weltnaturerbe. Neben dem etwa 500 Hektar großen Kerngebiet im Nationalpark Jasmund auf Rügen gehören die Buchenwälder in den Nationalparks Kellerwald-Edersee, Hainich, an der Müritz und im Biosphärenreservat Schorfheide-Grumsin zum Erbe-Kollektiv. Gemeinsam mit den bereits 2007 aufgenommenen Wäldern der Karpaten repräsentieren sie das UNESCO-Weltnaturerbe »Buchenurwälder der Karpaten und Alte Buchenwälder Deutschlands«. Die geschützten Waldgebiete sind Zeitzeugen, wie die Urwälder in Mitteleuropa einst ausgesehen haben.
Hainsimsen-Buchenwald, Perlgras-Buchenwald, Waldgersten-Buchenwald – Buchenwald ist nicht gleich Buchenwald. Tiefland-Buchenwälder wachsen so nur noch in Deutschland. Genau deshalb vervollständigen die deutschen Gebiete mit ihren Tiefland- und Mittelgebirgsbuchenwäldern die Gebirgsbuchenwälder der Karparten. Gemeinsam spiegeln sie das gesamte Spektrum der europäischen Buchenwälder. Allen ist eines gemeinsam: eine kaum zu bändigende Wildnis, die in unserer zersiedelten Landschaft selten geworden ist. Im Gegensatz zu aufgeforsteten Monokulturen finden sich in naturnahen Buchenwäldern die verschiedenen Altersstufen von Keimlingen bis zum Totholz in direkter Nachbarschaft – die Voraussetzung für Artenvielfalt.
Von den Küsten bis ins Mittelgebirge
Deutschlands nördlichster zusammenhängender Buchenwald erstreckt sich an der Ostseeküste. Im Nationalpark Jasmund auf Rügen dominiert der baltische Waldgersten-Buchenwald. Wegen der unzugänglichen Lage an den Steilhängen wurde der Wald nie forstwirtschaftlich genutzt, ein Glücksfall für Tiere und Pflanzen. Greifvögel wie Wanderfalke und Seeadler, aber auch Wildpflanzen wie der zarte Frauenschuh oder der Riesenschachtelhalm sind in den Buchenwäldern heimisch.
Typische Tieflandbuchenwälder finden sich im Müritz-Nationalpark bei Serrahn. In der wasserreichen Gegend mit vielen Seen und Mooren hat sich ein alter Buchenbestand erhalten. Seit mehr als 50 Jahren wurde der Wald weitgehend sich selbst überlassen. Kraniche, See- und Fischadler brüten in Wassernähe, in den wilden Perlgras-Buchenwäldern gibt der natürliche Kreislauf den Takt vor. Hier finden Pilze und Insekten selten gewordenen Lebensraum im Totholz. Auch im Nationalpark Hainich in Thüringen profitierte die Natur davon, dass der Mensch keinen großen Einfluss auf das Waldgebiet nahm. Die Region war jahrzehntelang militärisches Sperrgebiet, in das sich kein Wanderer verirrte. An Stellen, die gerodet wurden, fand in den letzten Jahrzehnten eine natürliche Wiederbewaldung statt. Wo sich die Natur ihren Raum zurückerobert, kann man dem »neuen Urwald« förmlich beim Wachsen zusehen. Ein spannender Prozess, in dem auch der Klimawandel eine wichtige Rolle spielt. Die heißen und trockenen Sommer der letzten Jahre setzten den jungen und den ganz alten Buchen schwer zu – beispielsweise auch im Nationalpark Kellerwald-Edersee südlich von Kassel. Das kommende Jahrzehnt wird zeigen, wie widerstandsfähig die deutschen Welterbe-Wälder sind.
Über 80 Prozent der Fläche des Nationalparks Jasmund nehmen Buchen ein.
Die mit Buchen bewachsenen Kreidefelsen auf Rügen verzauberten schon die Romantiker.
Indian Summer in Brandenburg! Der Buchenwald Grumsin im Farbenrausch
DARß
Küsten, Künstler, Kraniche
Charakteristisch für die traditionellen hölzernen Zeesenboote sind die rot-braunen Segel.
Üppiger Urwald, das Rauschen der Wellen, feiner Sandstrand – was verdächtig nach Fernreise klingt, lässt sich auch in Deutschland erleben: im Darßwald. Als Teil des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft bedeckt er weite Gebiete der Ostsee-Halbinsel Darß. Weder Siedlungen noch Autos stören die Ruhe. Stattdessen füllen hier Meeresbrisen die Lungen.
Einst diente der Buchenwald als Weideland, dann nutzten ihn die Schwedenkönige als Jagdgebiet, in der DDR taten es ihnen die SED-Funktionäre gleich. Heute lässt sich der Wald, über dem die Möwen kreischend ihre Runden drehen, bei ausgedehnten Wanderungen erkunden – und an vielen Stellen besteht die Möglichkeit, eine Pause am ewig langen Weststrand einzulegen. Der 4700 Hektar große Darßwald gehört zum Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft. Abseits der Saison laufen einem hier nur wenige Menschen über den Weg, dafür macht sich das Rotwild über zarte Baumtriebe her und majestätische Seeadler drehen am Himmel