Beispiel: Durchsetzung der Anordnung mit Zwangsmitteln
Ein Copter der Feuerwehr hat eine vermisste Person auf einem fremden Nachbargartengrundstück ausfindig gemacht. Der Eigentümer des Grundstücks verweigert jedoch den Zugang zu seiner Gartenanlage. In diesem Fall kann die Feuerwehr die Anordnung (Zugang zum Gartenstück mit der vermissten Person) auch mit Zwangsmitteln (Vollstreckung nach den Vorschriften der Verwaltungsvollstreckungsgesetze der Länder) durchsetzen.
Die Feuerwehr handelt aber im Rahmen der Gefahrenabwehr überwiegend durch unmittelbar umgesetzte »Taten« (Tathandlungen) und somit in so genannten Realakten. Realakte sind getroffene Maßnahmen durch den Entschluss des Einsatzleiters, in denen aufgrund der Eilbedürftigkeit Betroffene nicht informiert werden oder informiert werden können und somit in das Recht von Dritten eingriffen wird. Auch hier muss das Handeln verhältnis- und rechtmäßig sein. Realakte werden in einem Vermissteneinsatz oftmals angewendet. Wird wie in dem oben genannten Beispiel durch den Einsatz des Copters die vermisste Person liegend auf dem eingezäunten Nachbargrundstück entdeckt, wird auf Grundlage der Eilbedürftigkeit eines Realaktes das mögliche abgeschlossene Schloss des Tores aufgebrochen, um Zugang zum Gartenbereich zu bekommen.
Ist der Anwohner jedoch anwesend, dann muss der Einsatzleiter ihm gegenüber anordnen, das Tor zu öffnen. Hierbei handelt es sich wieder um einen Verwaltungsakt. Sobald der Betroffene aber über die unmittelbare Ausführung der Maßnahme informiert und wegen der Eilbedürftigkeit direkt durch die Feuerwehr durchgeführt wird, handelt sie durch einen vollzogenen Verwaltungsakt. Sollte der Anwohner sich weigern, das Schloss zu öffnen, handelt die Feuerwehr nach Androhung und bricht das Schloss schließlich auf.
[28]3.3 Eingriff in das Recht der Freiheit der Person von Dritten
»Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.«
Art. 2 Abs. 2 Freiheit der Person – Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Die Feuerwehr kann in die Freiheit der Person eingreifen, indem sie bestimmte Personen in den Personensucheinsatz involviert, wenn sie die gegenwärtige Gefahr nicht durch eigene Einsatzkräften oder nicht rechtzeitig abwehren kann. Dafür kann sie geeignete Dritte heranziehen, die den Einsatzverlauf entscheidend positiv beeinflussen können. Dritte können beispielsweise durch ihre besonderen Kenntnisse/Fähigkeiten (Ortskenntnis o. ä.) bei Suchmaßnahmen mitwirken oder unterstützend für die Einsatzleitung tätig werden.
Dabei ist aber die Verhältnismäßigkeit zu prüfen, mit der der Herangezogene beauftragt wurde. Außerdem ist selbstverständlich dafür Sorge zu tragen, dass ihm die Aufgaben und Maßnahme zugemutet werden kann und sich der Helfende dadurch nicht selbst in Gefahr bringt.
3.4 Betreten von Grundstücken und Gebäuden
Das Betreten von Grundstücken und Gebäuden ist bei jedem Vermisstensucheinsatz erforderlich. Dabei genießen Grundstücke und Gebäude nicht den Schutz von Wohnungen nach Art. 13 GG. Trotzdem bedeutet dies nicht, dass sie ohne die Einwilligung des Besitzers oder des Eigentümers einfach so betreten werden dürfen.
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Info: (§ 858 Abs. 1 Verbotene Eigenmacht BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) Wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört, handelt, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die Störung gestattet, widerrechtlich (verbotene Eigenmacht). |
Ausnahme bilden die öffentlichen Verkehrsflächen (z. B. Bürgersteige,). Diese könnten sich zwar auch im privaten Besitz befinden, stehen aber in der Regel der Öffentlichkeit zur Verfügung. Trotzdem sind Feuerwehren auf Grundlage der jewei[29]ligen Brandschutzgesetze der Länder bei einer bestimmten Gefahrenlage ermächtigt, diese Grundstücke oder Gebäude zu betreten (siehe dazu Kapitel 3.5).
3.5 Zugang zur Wohnung des Vermissten und unbeteiligter Dritte
Ein häufiges Szenario ist das Betreten der Wohnung einer vermissten Person. Denn die Wohnung des Vermissten ist ein wichtiger Punkt in der Erkundungsphase (Innenansicht) und kann wertvolle Hinweise über die Bewegungsrichtung, das Bewegungsziel, die Bewegungsmittel und die Beweggründe liefern. Daher ist ein Zugang in die Wohnung für den Einsatzleiter unverzichtbar. Des Weiteren gilt die Wohnung auch als möglicher Auffindeort des Vermissten und muss gegebenenfalls von Einsatzkräften durchsucht werden. Zur Wohnung des Betroffenen können neben dem eigentlichen Wohnraum auch klar erkennbare räumlich abgeschirmte Bereiche oder Örtlichkeiten gehören, die unmittelbar an der Wohnung bzw. dem Gebäude angrenzen (beispielsweise die Garage).
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Art. 13 Unverletzlichkeit der Wohnung – Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (1) Die Wohnung ist unverletzlich. (2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden […] (7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im Übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, […] vorgenommen werden. |
Ein Absuchen von fremden Gartenanlagen oder anderen Wohnungen von unbekannten Dritten ist ohne konkreten Hinweis für die Feuerwehr nicht möglich (Anscheinsgefahr: ein Verdacht, aber keine konkrete Gefahr liegt vor). Die Feuerwehr ist zwar berechtigt, auch gegen den Willen des Bewohners das Grundstück zu betreten, jedoch muss eine klare Gefahr für die öffentliche Sicherheit (nicht unbedingt nur Lebensgefahr) bestehen und der Zugang zu dem zu betretenen Bereich für das Erreichen des Arbeitsziels absolut notwendig sein. Im Einzelfall sollten unbedingt die Feuerwehr- bzw. Brand- und Katastrophenschutzgesetze sowie Brandschutz[30]bestimmungen (z. B. § 31 bwFwG, Art. 24 Abs. 2 bayFwG, § 14 Abs. 1 berlFwG, § 15 Abs. 1 BbgBKG etc.) der jeweiligen Länder rezipiert werden.
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Info: § 28 Abs. 1 LBKG RLP (1) Eigentümer, Besitzer oder sonstige Nutzungsberechtigte von Grundstücken, baulichen Anlagen oder Schiffen an oder in der Nähe der Einsatzstelle sind verpflichtet, den Einsatzkräften zur Abwehr oder Beseitigung von Gefahren den Zutritt zu ihren Grundstücken, baulichen Anlagen oder Schiffen zu gestatten. Sie haben die vom Einsatzleiter angeordneten Maßnahmen, insbesondere die Räumung des Grundstückes oder die Beseitigung von Gebäuden, Gebäudeteilen, Anlagen, Lagergut, Einfriedungen und Pflanzen, zu dulden. |
Im Regelfall kann jedoch davon ausgegangen werden, dass bei allgemeinen urbanen Suchmaßnahmen oder Wegsuchen kein Widerstand seitens der Grundstückseigentümer zu erwarten ist. Meistens sind die Bewohner dieser Gebäude oder Grundstücke bei einer Vermisstensuche sehr hilfsbereit und gestatten Zugang zu privatem Eigentum. Auch eine Aufforderung, selbst den eigenen Keller oder Garten sowie sonstige Räumlichkeiten zu durchsuchen, gehen die Bürger oftmals ohne Probleme nach. Bei Unsicherheiten oder fehlendem Zugriff gilt es für den einzelnen Feuerwehrangehörigen seinen Vorgesetzten zu informieren. Dieser wird schließlich die Polizei hinzuziehen, um weitere Schritte oder Maßnahmen, falls notwendig, abzustimmen.
Sollte sich aber konkrete Hinweise über den Verbleib der vermissten