Er stöhnte. Er verhielt sich albern. Herumzutrödeln hatte keinen Sinn. Entweder würde John ihn sehen und auf ihn einschlagen, oder eben nicht. Er hatte sich entschieden, Ethans Einladung anzunehmen und herzukommen, obwohl er gewusst hatte, dass John hier war. Er musste die Suppe auslöffeln, die er sich eingebrockt hatte, genau, wie seine Mama es immer gern gesagt hatte.
Jamie setzte seinen grauen Filzhut auf, stieg aus und umrundete den Wagen.
Ethan kam auf ihn zu. Er trug einen Strohhut auf den kurzen schwarzen Haaren, der die obere Hälfte seines Gesichts und seine Augen beschattete, aber Jamie wusste, dass diese Augen eine intensive schokoladenbraune Färbung hatten. Verdammt, der Mann sieht echt gut aus. Während er und die Killian-Männer schlank und sehnig waren, war Ethan groß, mit breiten Schultern, muskulös, mit schmalen Hüften und verdammt einschüchternd. Jamie war 1,80 Meter groß und Ethan überragte ihn um mindestens zehn Zentimeter.
Ethan trug ein schwarzes T-Shirt, verwaschene Jeans und schwarze Stiefel. Unter seinem Ärmel lugte das Tattoo hervor, das er sich als Teenager mit John hatte stechen lassen. Ethan und John waren nicht mal volljährig gewesen, aber irgendwie hatten sie es durchbekommen. Beide hatten sich das Wappen ihrer Ranches auf den linken Oberarm tätowieren lassen. Johns bestand aus vier Js, die oben von einem Balken zusammengehalten wurden, während Ethan einen Stern mit der Nummer zehn in der Mitte hatte. Mama und Daddy hatten tagelang getobt, als John damit nach Hause gekommen war. Er war sich ziemlich sicher, dass Ethan von seinem Daddy auch einen aufs Dach bekommen hatte.
Jamie hatte einmal gehört, dass Ethans Mama zur Hälfte Mexikanerin gewesen war. Und das war ihm anzusehen. Ethan hatte das ganze Jahr über einen dunkleren Teint und sehr wenig Körperbehaarung. Er hatte nur ein paar vereinzelte Haare auf der Brust und Jamie bezweifelte, dass sich Ethan einen Vollbart stehen lassen konnte, selbst wenn er es versuchte. Gott sei Dank – es wäre eine Schande, diese Perfektion von einem kantigen Kiefer zu verbergen. Dieser Mann war Sex auf zwei Beinen und hatte absolut keine Ahnung davon. Die Frauen warfen sich ihm praktisch vor die Füße, seit Jamie denken konnte, und es schien Ethan immer zu schockieren, als könnte er nicht glauben, dass sich Frauen seinetwegen so verhielten. Jamie würde liebend gern seinen Gesichtsausdruck sehen, falls ihm je klar wurde, dass er dieselbe Wirkung auf Männer hatte, denn Jamie wollte sich ihm verdammt noch mal auch zu Füßen werfen und flehen.
Jamie schüttelte den Kopf, um die Gedanken loszuwerden, als er auf Ethan zuging. Er war wegen eines Jobs hergekommen und selbst wenn er ihn aus Mitleid bekommen hatte, war es ein verdammt guter Job und er wollte sein Bestes geben, um Ethans Vertrauen zu rechtfertigen. Ethan war vielleicht der beste Freund seines Bruders, aber auch der Besitzer einer sehr profitablen Ranch. Die Tin Star gab es schon seit vier Generationen und war berühmt für ihre Langhornrinder.
Jamie trat vor Ethan und wurde erneut an seine Größe erinnert. Verdammt, er ist groß und, oh Gott… er riecht so gut!
Er streckte die Hand aus, die Ethan ergriff, doch anstatt sie zu schütteln, wie Jamie erwartet hatte, zog Ethan ihn in einer Art Umarmung an seine Brust und klopfte ihm auf den Rücken.
Jamie stockte der Atem. Oh, Ethan fühlte sich gut an. Jamies Bauch zog sich zusammen und sein Schwanz regte sich. Scheiße! Reiß dich zusammen, Killian! Er war immer mächtig in Ethan verknallt gewesen und hatte gehofft, es gut versteckt zu haben, aber aus irgendeinem Grund waren seine Sinne in höchster Alarmbereitschaft, seit er Ethans Stimme am Telefon gehört hatte. Er würde sich am Riemen reißen müssen. Es würde Ethan auf keinen Fall gefallen zu sehen, welche Wirkung er auf ihn hatte, vor allem jetzt, da er und John wussten, dass Jamie schwul war. Vorher hätte Ethan es vielleicht abgetan, aber mit seinem neu gefundenen Wissen über Jamies sexuelle Orientierung war es sehr unwahrscheinlich, dass er es irgendwie missverstehen könnte. Und es wäre wirklich beschissen, zweimal am selben Tag rausgeworfen zu werden.
Ethan trat einen Schritt zurück, ließ seine Hand aber nicht sofort los. »Wie geht's dir, Kleiner?«
Jamie blinzelte und versuchte, sich auf die Unterhaltung zu konzentrieren. Das war seltsam, es wirkte beinahe so, als würde Ethan ihn nur ungern loslassen. Aber schließlich – und viel zu früh, wenn man Jamie fragte – ließ Ethan die Hand sinken.
»Ähm, ganz gut, denke ich. Danke, Ethan. Du wirst es nicht bereuen. Ich werde meinen Beitrag leisten.«
Ethan grinste. »Das weiß ich. Du hast schon immer hart gearbeitet.« Er ging zum Haus und bedeutete Jamie mit einem Nicken, ihm zu folgen. »Hast du Hunger? Wie wäre es, wenn wir was zum Mittag essen? Ich wollte gerade was kochen.«
Jamie lief neben Ethan her. »Aber ist John nicht da drin?«
Ethan blieb stehen und sah ihn an. »Ja. Ist das ein Problem?«
»Nein… Ich dachte nur, dass ich gerade wahrscheinlich der letzte Mensch bin, den er sehen will.«
»Na ja, die Chancen stehen gut, dass er noch schläft, aber du solltest mit ihm reden. Auch mit deiner Schwester. Ich glaube, du wärst überrascht darüber, was sie zu sagen haben. Gib ihnen eine Chance, Jamie. Jules hat sich schon panisch bei mir gemeldet und gefragt, ob ich was von dir gehört habe. Dein Daddy hat sie angerufen.«
»Was? Daddy hat Julia angerufen?«
Ethan nickte.
»Verdammt!«
»Ja, sie war ziemlich aufgebracht, weil du nicht ans Handy gegangen bist. Komm schon, Jamie, lass uns was essen. Vielleicht ist John wach, wenn wir fertig sind.« Er setzte sich wieder in Bewegung.
Jamie blieb geschockt stehen. War es möglich, dass Julia und John auf seiner Seite waren?
Der Gedanke wurde unterbrochen, bevor er sich wirklich damit beschäftigen konnte – Ethan hatte gerade die Veranda betreten und trat sich die Stiefel auf der Fußmatte ab. Jamies Blick richtete sich auf seinen Hintern. Verdammt, dieser feste Arsch sah in der Jeans echt gut aus.
»Kommst du, Kleiner?«
»Was? Oh ja!« Jamie löste seinen Blick von Ethans Hintern und trabte zum Haus. Oh Mann, die Arbeit mit Ethan würde hart werden… wortwörtlich! Hoffentlich würde Daddy über seine Wut hinwegkommen. Und zwar bald.
Kapitel 3
Ethan wurde von Geschrei und Bellen geweckt. Er hatte nicht mal einen Hund. Blinzelnd öffnete er die Augen und warf einen Blick auf die Uhr. 02:13 Uhr.
Was zur Hölle? Oh, richtig! Nachdem John aus seiner Benommenheit aufgewacht war, etwas gegessen hatte und ein wenig nüchterner geworden war, war er losgefahren und hatte Jamie einige seiner Sachen von der Quad J geholt. Er hatte auch Fred mitgebracht.
»Pfeif deinen Hund zurück, du schwanzlutschende Schwuchtel!«
Das trieb Ethan aus dem Bett. Er schnappte sich die Jeans, die er vorhin noch getragen hatte, und hüpfte mit nacktem Arsch zum Fenster, während er sie sich mühsam anzog. Von seinem Schlafzimmer aus konnte er nach hinten raussehen und hatte einen klaren Blick auf die Baracke.
Zwei seiner Rancharbeiter, Jeff und Carl, umkreisten Jamie und Fred. Carl hatte eine Art Stange in der Hand und richtete sie auf Fred. Jamie sah aus, als hätte man ihn aus dem Bett gezerrt. Bis auf eine dunkle Jogginghose war er nackt, während Jeff und Carl vollständig angezogen waren. Na wunderbar!, dachte er bissig.
»Scheiße, Scheiße, Scheiße!« Ethan zerrte sich die Hose über die Hüften und rannte die Treppe hinunter. Er erreichte die hintere Veranda in dem Moment, als die Hölle losbrach und Bill mit einer Schrotflinte in der Hand aus der Baracke kam. »Was in aller Welt ist hier draußen los?!«
Carl versetzte Fred mit dem Stock einen Hieb, woraufhin sie winselte. Jeff versuchte, zu Jamie zu kommen, doch der wich aus und stürzte sich auf Carl.
»Wag es nicht, meinen Hund zu schlagen, du Stück Scheiße!« Jamie landete zwei gute Treffer in Carls Gesicht, bevor Jeff ihn von hinten ansprang. Fred knurrte und sprang ihrem Herrchen zu