Ethan folgte ihm und sein Blick richtete sich auf den muskulösen Hintern. »Verdammt!«
»Was?« Mit einem wissenden Grinsen sah Jamie über die Schulter.
Dieser kleine Strolch!
Ethan schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen. »Nichts. Zieh dich an und komm dann runter.«
Während Ethan auf Jamie wartete, fragte er sich zum mindestens 50. Mal in den letzten 24 Stunden, was zum Teufel er da tat. Er hatte versucht, sich davon zu überzeugen, dass sein Schwanz das Denken übernahm, weil es mindestens fünf Jahre her war, seit er das letzte Mal flachgelegt wurde, aber das glaubte er nicht wirklich. Zwischen ihm und Jamie stimmte die Chemie.
Er hatte es sofort gespürt, als Jamie vor zwei Tagen auf die Tin Star gekommen war, aber das Komische war, dass er nie so für ihn empfunden hatte, obwohl er Jamie schon seit 21 Jahren kannte. Okay, das stimmte nicht ganz. Jamie war ihm aufgefallen, vor allem, nachdem er in die Pubertät gekommen und in seinen Körper hineingewachsen war, aber er hatte diese Gefühle immer beiseitegeschoben. Er hatte Jamie in seinem Kopf in die Schublade für heterosexuelle Männer gesteckt.
Natürlich hatte er viele solcher Männer bewundert, aber auch gewusst, dass er sich keine Hoffnungen auf etwas anderes machen musste, also hatte er bis auf die anfängliche Anziehung nicht viele Gedanken an sie verschwendet. Und jetzt, da er wusste, dass Jamie auch schwul war, kamen all diese unterdrückten Gefühle wieder an die Oberfläche. Und plötzlich schien die Tatsache, dass Jamie Johns kleiner Bruder war, kein großes Hindernis mehr zu sein. Hatte John nicht immer gesagt, es wäre schade, dass er schwul war, weil er sonst Julia heiraten könnte und sie dann Brüder sein würden? Ja, sie waren Kinder gewesen, als er das gesagt hatte, aber trotzdem…
Was zur Hölle. Er wurde nicht jünger. Über die Jahre hatte er auf seinen Geschäftsreisen ein paar One-Night-Stands gehabt, aber seine letzte ernsthafte Beziehung war auf dem College mit Cliff gewesen. Und die hatte keine Chance gehabt, weil John und Cliff sich nicht hatten ausstehen können. Cliff hatte John übertrieben genervt und Ethans Freundschaft mit John hatte Cliff immer eifersüchtig gemacht. Mit Jamie wäre das kein Problem.
Natürlich stellte Jamie ein anderes Problem dar, denn er hatte seine Homosexualität öffentlich gemacht. Ethan wollte sich wirklich nicht mit all dem Ärger auseinandersetzen, selbst geoutet zu werden. Dann war da noch das Problem einer Trennung. Was, wenn sie zusammenkamen und es nicht auf Dauer war? Er würde Jamie nicht so absägen können, wie er es mit Cliff getan hatte. Ethan konnte sich noch immer daran erinnern, wie er sich mit elf Jahren hatte hinsetzen müssen, damit er Jamie ein paar Tage nach seiner Geburt halten konnte. Er hatte John sogar geholfen, Jamie das Schwimmen beizubringen. Jamie würde immer ein Teil seines Lebens sein.
»Ich bin so weit. Darf ich nach George sehen, bevor wir fahren?« Jamie kam in einem dunkelgrünen, kurzärmligen Hemd, einer engen Jeans und seinem grauen Filzhut in die Küche.
Ethan blinzelte und spürte, wie sein Schwanz sich regte. Verdammt, seine Erektion war gerade abgeklungen und drohte nun beim Anblick von Jamie wieder zurückzukommen. Er stöhnte leise.
»Ja. Lass uns gehen.« Er deutete auf die Tür, damit Jamie voranging. Er ermahnte sich, nicht auf den hübschen Hintern in dieser engen Jeans vor sich zu achten. Leider war er nie sehr gut darin gewesen, seinem eigenen Ratschlag zu folgen.
***
Jamie saß auf dem Beifahrersitz und lauschte dem Radio, während er aus dem Fenster die vorbeiziehende Landschaft beobachtete. Nachdem er George begrüßt hatte, hatten Ethan und er eine Vorratsliste von Bill bekommen und sich in Ethans Auto gesetzt. Bis jetzt hatten sie auf der Fahrt noch nicht viel gesprochen. Und Jamie fürchtete, dass die Stille bedeutete, Ethan würde nicht nur den heutigen Morgen, sondern auch die Ereignisse von gestern Abend bereuen.
Anfangs war er im Badezimmer verlegen gewesen, aber er hatte Ethans Reaktion als gutes Zeichen gewertet. Jetzt war er sich nicht mehr so sicher. Zumindest hatte Ethan nicht angefangen, darüber zu schwafeln, dass sie es nicht wieder tun konnten. Jamie drehte das Radio leiser. Er musste wissen, wo sie standen. »Ethan?«
Ethan sah zu ihm herüber und hob unter seinem Strohhut kurz eine Braue, ehe er wieder auf die Straße blickte. »Ja?«
»Ich hab nachgedacht. Zwischen uns ist definitiv etwas. Ich glaube, dass wir es weiterverfolgen sollten. Ich kann…«
»Bin ganz deiner Meinung.«
»… sehr diskret sein und… Was?«
Ethan schmunzelte. »Ich sagte, in Ordnung. Ich stimme dir zu, wir sollten es einfach tun und sehen, wohin es uns führt.«
Jamie hatte das Gefühl, von einem Vorschlaghammer getroffen worden zu sein. Er war absolut davon ausgegangen, diskutieren zu müssen. »Wirklich?«
»Ja, wirklich. Sprechen wir dieselbe Sprache?« Er lächelte.
Jamie lachte leise und fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr. »Klugscheißer!«
Ethan stimmte in sein Lachen mit ein.
»Ethan?«
»Ja?«
»Danke…« Danke, dass du mich aufgenommen, mein Pferd geholt, mir einen Job und die Chance gegeben hast, bei dir zu sein. »… für alles.«
Erneut sah Ethan zu ihm und streckte dann eine Hand aus. Jamie sah die große, schwielige Hand eine Sekunde lang an, ehe er sie ergriff. Ethan drückte leicht zu. »Gern geschehen… für alles.«
Sowohl die Worte als auch die Geste waren innig und enthielten ein Versprechen. Sie sagten alles, was Ethan und Jamie nicht aussprachen… all die Fragen, die Bedenken und schließlich die Akzeptanz. Jamie lächelte und entspannte sich endlich. Zum ersten Mal schien der Gedanke, aus dem einzigen Zuhause geworfen zu werden, das er je gekannt hatte, nicht mehr so schlimm zu sein. Vielleicht war es aus einem bestimmten Grund passiert. Einige Minuten genoss er das Gefühl von Ethans Hand, dann ließ er los. »Also, was machen wir in der Stadt?«
»Du meinst, abgesehen davon, die lange Liste an Dingen abzuarbeiten, die Bill mir gegeben hat? Wir besorgen dir mehr Zaum- und Sattelzeug.«
»Wie bitte? Ich hab einen Sattel und…«
Ethan schüttelte den Kopf. »Nicht mehr. Dein Dad hat mir nicht mal ein Seil gegeben, um George heute Morgen in den Hänger zu führen. Zum Glück hatte ich eins im Wagen. Und da Fred da war, musste George nicht lange überredet werden. Fred hat sie direkt in den Anhänger getrieben.«
»Gottverdammt!« Jamie atmete tief ein. »Wird es irgendwann nicht mehr wehtun?«
»Ich weiß es nicht, Jamie… Ich weiß es nicht, aber wir können darauf hoffen.«
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