Danach war Azzaro mit einem sehr ungewöhnlichen Kaliber getötet worden, bei dem es sich offenbar um eine Spezialanfertigung handelte. Das Projektil war aus Azzaros Kopf isoliert worden und hatte bestimmt werden können.
„Unsere Kollegen mit Hilfe von NYSIS herauszufinden versucht, ob überhaupt schon einmal mit einer Waffe, die diese Projektile verschießt, ein Verbrechen verübt worden ist“, berichtete Mister McKee. „Die Antwort ist negativ. Daher brauchen wir in diesem Fall noch nicht einmal den ballistische Bericht und dessen Abgleich mit einschlägigen Datenbanken abwarten, um ausschließen zu können, dass der Killer mit dieser Waffe schon mal aktiv war.“
„Was ist das besondere an dem Projektil?“, fragte ich.
Mister McKee kündigte an, dass unser Chef-Ballistiker Dave Oaktree, uns das am nächsten Morgen genauer auseinandersetzen würde, denn daraus ergaben sich garantiert noch ein paar Fahndungsansätze. „Interessanter könnte die Automatik vom Kaliber 45 ein, mit der der Kerl auf sie beide geschossen hat“, fuhr Mister McKee fort und wandte sich dabei an Milo und mich. „Unsere Kollegen von der Scientific Research Division konnten tatsächlich eines der Projektile sicherstellen, was gar nicht so einfach war, wie Sie sich denken können. Dave arbeitet noch an den Tests.“
Eines der Telefone auf dem Schreibtisch unseres Chefs schrillte.
Mister McKee nahm den Hörer ab, sagte ein paar Mal kurz und knapp „Ja!“ und schloss mit dem Satz: „Verstärkung ist unterwegs!“
Er wandte sich an uns.
„Das war unser Kollege Jay Kronburg. Er hat James Gutierrez in einem seiner Clubs aufgespürt und jetzt braucht er noch ein paar Leute, die ihm helfen, den Kerl im Auge zu behalten.“
Ich trank meinen Becher mit Kaffee aus. Mandy, die Sekretärin unseres Chefs war berühmt dafür, das beste Gebräu im gesamten Bundesgebäude an der Federal Plaza zu kochen.
Mit einem Feierabend nach Dienstplan war heute wohl nicht zu rechnen und im Hinblick auf die zu erwartende lange Nacht war diese Dosis Koffein sicher noch nützlich.
9
Milo und ich erreichten das Buena Vista in der 110. Straße Ost. Die Neonreklame dieses derzeit offenbar ziemlich angesagten Clubs blinkte bereits auf. Der Betrieb musste hier vor kurzem begonnen haben. Auffallend viele teure Karossen waren in der Umgebung des Nobel Clubs abgestellt worden.
Ich folgte mit dem Sportwagen, den die Fahrbereitschaft des FBI Field Office New York uns zur Verfügung stellte, einem unscheinbaren metallicfarbenen Ford, in dem die Agenten Clive Caravaggio und Fred LaRocca sowie Kollege Orry Medina saßen. Clive hatte bereits in der Vergangenheit im Umkreis des Buena Vista ermittelt und daher traute ich ihm zu, dass er in den engen Seitenstraßen noch eine Parkmöglichkeit finden würde.
Ein paar Minuten später stellte ich den Sportwagen in eine Parklücke am Straßenrand. Clive hatte den Ford etwa zwanzig Meter von uns entfernt abgestellt.
Milo und ich stiegen aus. Clive, Orry und Fred kamen uns schon entgegen. Unsere Kollegin Josy O'Leary war bereits vor uns hier eingetroffen, um Jay und Leslie zu unterstützen.
Clives Handy schrillte.
Er nahm das Gerät ans Ohr, murmelte ein paar knappe Erwiderungen und sagte schließlich an uns gerichtet: „Das war Jay. Er hat James Gutierrez bereits ausgemacht. Er hängt mit ein paar Girls herum und war zuvor in eine intensive Unterhaltung mit dem Rex Hueldez verwickelt – dem Strohmann, der mit Gutierrez dreckigem Geld diesen Nobelschuppen betreibt!“
„Interessanter ist für uns, was Gutierrez macht, wenn er das Buena Vista erst einmal verlassen hat“, meinte ich. Wir mussten einfach wissen, in welchem seiner zahllosen Schlupflöcher sich der Wäscher von Harlem im Moment vorwiegend aufhielt, mit wem er sich zurzeit traf und so weiter. Natürlich hätten wir Gutierrez auch zum Verhör laden können, aber wir waren nicht scharf auf die geglätteten, in Anwesenheit eines Anwalts gegebenen Auskünfte, die wir unter diesen Umständen von Gutierrez zu erwarten hatten. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass er durch das FBI oder Beamte der City Police in der einen oder anderen Sache vernommen wurde. Er war erfahren darin, bei solchen Gelegenheiten, extrem vorsichtig zu sein und keine Äußerung fallen zu lassen, die ihn später in irgendeiner Form in Schwierigkeiten bringen konnte.
Bei dieser Operation ging es darum, herauszukriegen, was hinter den Kulissen für ein Spiel gespielt wurde. Azzaros Ermordung war vermutlich nur die Spitze eines Eisbergs, von dem sich bekanntermaßen neun Zehntel unter der Wasseroberfläche befinden.
Wir legten Kragenmikros und Ohrhörer an, um ständig Verbindung untereinander zu haben.
„Im Moment sitzt Gutierrez mit einigen Girls zusammen, aber so richtig gut gelaunt kommt er mir eigentlich nicht vor“, meldete sich Jay Kronburg über die Link-Verbindung. „Ist nur so ein Gefühl, aber für meinen Geschmack zieht der Kerl hier nur seine Show ab und will zeigen, dass er der große Hecht im Karpfenteich ist, der alles im Griff hat. Aber irgendeine Laus ist ihm über die Leber gelaufen...“
Der Empfang war hervorragend, was bei manchen Einsätzen in unterirdischen Parkhäusern oder dergleichen schon mal schwierig sein konnte.
„Vielleicht kommt die Laus da vorne gerade!“, stellte ich fest. Wir hatten gerade die Seitenstraße verlassen und befanden uns auf der dem Buena Vista gegenüberliegenden Straßenseite.
Eine lange Stretch-Limousine hielt vor dem Club. Sie war schneeweiß, so wie der Anzug des schwergewichtigen Manns, dem von einem seiner Bodyguards gerade aus dem Wagen geholfen wurde.
„Benny Duarte will den Abend ausgerechnet im Buena Vista verbringen – wenn das nicht eine interessante Neuigkeit ist!“, stieß Clive hervor.
„Zumal Duarte heute Nachmittag noch ziemlich mies auf Gutierrez zu sprechen gewesen ist, wenn wir unserem Informanten trauen können, dem wir in der New Vanguard Bar getroffen haben“, war Jays Stimme über Ohrhörer vernehmbar. „Angeblich soll Duarte Gutierrez übel zugesetzt haben.“
„Würde das nicht die angespannte Stimmung bei Gutierrez erklären?“, meinte Clive. „Vielleicht weiß er, dass sich heute noch der Schneekönig von East Harlem die Ehre bei ihm gibt...“
„Duarte ist doch wahrscheinlich einer seiner wichtigsten Kunden“, mischte sich Milo ein. „Warum sollte er schlechte Laune bekommen, wenn er auftaucht?“
„Jedenfalls scheinen die beide ihre Differenzen ausgeräumt zu haben – worin sie auch immer sie bestanden haben mögen“, murmelte Jay.
Josy meldete sich von der anderen Straßenseite zu Wort.
„Hier steht eine Limousine mit laufendem Motor im Hinterhof“, berichtete sie. „Ich schätze, das ist Gutierrez’ Wagen.“
„Kannst du einem GPS-Sender anbringen?“
„Ich werde es versuchen, hätte aber gerne noch Verstärkung hier.“
Clive wandte sich an Milo und mich. „Macht ihr das? Wir müssen uns ohnehin auf die verschiedenen Eingänge verteilen, damit er uns nicht durch die Lappen geht.“
Auf der anderen Straßenseite hatte inzwischen ein Mercedes angehalten. Den Wagen kannte ich. Er stammte ebenfalls aus dem Fundus unserer Fahrbereitschaft. Zwei junge