Weil du mich wärmst. Elle Brownlee. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elle Brownlee
Издательство: Bookwire
Серия: BELOVED
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958238602
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entfernte sich von der Hütte, zu benommen, um sauer oder enttäuscht zu sein. Er sah nicht auf die Uhr, sondern senkte den Kopf und rannte los. Der abgenutzte Jeep stand vor dem Laden und Karl wartete auf dem Fahrersitz.

      Dan hatte keine Erklärung, also versuchte er gar nicht erst, eine schlechte Ausrede vorzuschieben. »Tut mir leid.«

      Karl sah auf seine Uhr. »Wir werden gerade rechtzeitig zurück sein.«

      »Ich bin weiter gegangen als geplant und hab länger gebraucht als erwartet.« Dan breitete die Arme aus. »Alle haben mich gewarnt, dass Entfernungen hier draußen schwerer abzuschätzen wären, aber ich hab nicht gemerkt, wie wahr das ist.«

      »Bist du in den sprichwörtlichen Brunnen gefallen?« Karl musterte Dan sorgfältig und fuhr mit einem Finger leicht über dessen Knie.

      Dans ganzer Körper kribbelte und er senkte den Blick, weil Karl noch nicht losgelassen hatte. Karl schnalzte mit der Zunge und lehnte sich vor, nah und warm, und als Dan den Kopf drehte, streiften sich ihre Nasen. Sie blinzelten – zu nah, zu warm –, Karl atmete aus und griff unter Dans Sitz.

      Er konnte nur dumm dasitzen, während Karl den Erste-Hilfe-Koffer öffnete und sich um einen Schnitt an Dans Knie kümmerte, der ihm erst aufgefallen war, als Karl darauf gedeutet hatte. Karl klebte ein Pflaster darauf und legte eine Hand auf Dans Knie – heiß, aber sanft. Dann untersuchte er ihn auf weitere Verletzungen.

      »Die Dornen haben mich erwischt.« Dans Stimme war dünn, er versuchte, sein Knie nicht unter Karls Hand wegzureißen. Es würde seltsam wirken und schmerzen. Er redete sich ein, dass das Brennen unter Karls Berührung von der Benommenheit kam, weil er zu weit und zu schnell gerannt war.

      Er zog seine Nase kraus, da er den chemischen Geruch noch immer riechen konnte. Er lehnte sich an die Kopfstütze zurück, drehte sich, um das Gesicht im Kapuzenpulli zu vergraben, und sog den frischen, würzigen Duft ein, der dem Stoff noch anhaftete.

      Karl summte unbestimmt und schob Dan eine kalte, feuchte Flasche in die Hand. Er öffnete sie und stürzte das Wasser herunter.

      »Danke. Und danke, dass du gewartet hast.«

      »Natürlich.« Karl packte das Erste-Hilfe-Set ein, verstaute es im Fußraum der Rückbank und studierte Dan noch eine Minute. »Lass dich von Gent ansehen, wenn wir zurückkommen. Okay?«

      Dan nickte.

      Karl startete den Jeep, fuhr rückwärts vom Parkplatz und schaltete, sodass sie einen Satz nach vorne taten. Wenn er neugierig darauf war, warum Dan in den Ort lief, nur um dann gefühlt mehrere Stunden lang umherzuirren, zeigte er es nicht. Er machte ihm keine Vorhaltungen oder stellte Fragen. Er plauderte nicht einmal. Es ärgerte Dan, dass er den Small Talk von vorhin vermisste.

      Wenn stattdessen Axe auf ihn gewartet hätte, hätte er ihm längst das Fell über die Ohren gezogen.

      Als der Ort mehrere Meilen hinter ihnen lag, brach Dan das Schweigen. »Wir sollten wahrscheinlich Nummern austauschen?«

      »Wäre eine gute Idee, wenn es hier draußen verlässlichen Empfang gäbe.« Karl verlagerte sein Gewicht, griff in seine Tasche und gab Dan sein Handy. »Trotzdem eine gute Idee. Hier.«

      »Es ist nicht gesperrt?«

      »Wozu die Mühe?«

      Dan zuckte mit den Schultern. »Stimmt.« Er fügte seine Nummer zu Karls Kontakten hinzu und schickte eine schnelle Nachricht an sein Handy. Wie Karl gesagt hatte, konnte sie nicht abgeschickt werden. Er würde sie in der Station noch einmal schicken.

      »Ich hab dir im Postamt ein Sandwich besorgt.« Karl deutete auf die weiße Papiertüte zwischen den Sitzen und lächelte, sah jedoch nicht herüber. »Der Postmeister macht ganz Gute.«

      Dan starrte auf die leere Wasserflasche und wünschte sich, er hätte noch etwas, um die Scham wegzuspülen, die seine Brust füllte. Aus irgendeinem verdammten Grund stiegen die Tränen, die vor der enttäuschenden Ruine von Axes Hütte nicht gekommen waren, in ihm auf und drohten überzufließen. Er öffnete sein Fenster und hielt das Gesicht in den Wind.

      Ein leises Heulen erklang in der Ferne vor ihnen. Dans Puls beschleunigte sich und seine Muskeln spannten sich erwartungsvoll an. Er sah zu Karl, der ihm zunickte und das Gaspedal durchdrückte. Geröll stob unter den Reifen auf und der Jeep neigte sich unsicher in die Kurve, blieb aber auf der Straße.

      Der SAR-Alarm.

      Kapitel 3

      Dan sprang aus dem Jeep und Karl hielt neben ihm Schritt. Er spürte weder die Abschürfungen noch die blauen Flecken, nur den Drang, Leistung zu bringen. Sie ließen alles zurück und rannten in die Station. Lang, Scobey und Gent gesellten sich zu ihnen, als sie den Besprechungsraum betraten. Jameson wartete eine halbe Sekunde, während sie sich setzten.

      »Wir haben ein Fischereiboot, das um medizinische Evakuierung für einen aus der Besatzung ansucht. Er hat eine ernste Fleischwunde am linken Arm – der Knochen ist sichtbar und sie machen sich Sorgen um einen Sehnenschaden, da seine Hand nicht reagiert. Anscheinend haben sie ihn verbunden und er ist stabil, aber er braucht mehr Versorgung, als sie an Bord leisten können. Und sie sind noch weit von ihrem Umschlag entfernt.« Jameson zog eine der vielen Karten über das Whiteboard herab und zeigte auf eine Stelle mitten im Meer.

      »Umschlag?«, flüsterte Dan zu Lang.

      »Unser Wort dafür, dass sie noch nicht lange genug draußen sind, um alle ihre Netze eingeholt zu haben oder was auch immer, und nicht umdrehen wollen, wenn sie nicht unbedingt müssen.« Lang zuckte mit den Schultern. »Ist ziemlich normal hier oben, aber nichts Schlimmes – nur Fischer, die sich ihren Lebensunterhalt verdienen.«

      Dan machte sich eine Notiz. »Verstehe. Danke.«

      »Wir haben leichten Seitenwind und die Sturmböen, die für diese Gegend vorausgesagt sind, stehen weit im Westen des Bootes. Sollte ein einfacher Fall von Hinfliegen und Hochziehen werden. Sobald der Patient gesichert ist, bringen wir ihn direkt ins Krankenhaus.« Jameson rollte die Ausdrucke zusammen und schlug damit in seine Handfläche. »Gut. An die Arbeit.«

      Dan grinste – er konnte nicht anders – und wollte wie die anderen beherrscht, aber schnell den Raum verlassen.

      Jameson hielt ihn mit der Papierrolle auf. »Viel Glück dort draußen. Leg einen guten ersten Einsatz hin. Okay?«

      Dan nickte. »Das werde ich.« Er rannte zu seinem Spind, zog sich um, verstaute den Zettel und Schlüssel und rannte hinaus in den Regen zum Helikopter.

      Karl schaffte es irgendwie, mit Checkliste in der Hand vor ihm dort zu sein. Dan stieg ein, setzte sich auf die Bank und ging seine eigenen nötigen Checks vor dem Abflug durch. In wenigen Minuten hatten Lang und Scobey den Heli gestartet und er beobachtete, wie die Welt unter ihnen wegkippte und die Nase sich dem Meer zuwandte. Adrenalin durchströmte ihn und seine Nerven vibrierten so stark, dass er erwartungsvoll herumzappelte. Allerdings war er nicht abgelenkt oder ängstlich, sondern eher ungeduldig, wollte endlich loslegen.

      Er verfolgte ihren Weg über das Wasser auf der Seekarte, die er an Bord mitgenommen hatte. Er wirkte, als wäre er ein guter neuer Mitarbeiter und wollte schnell lernen, worauf es ankam, aber eigentlich achtete er gar nicht auf ihr Endziel. Stattdessen folgte er der geschwungenen Linie, die der Helikopter an dem Tag beschrieben hatte, an dem Axe verschwunden war. Als sie diesen Weg verließen, starrte er angestrengt in die Ferne, wo der Ozean dunkler und tiefer wurde, und sah dann zur Küste zurück. Sie waren so weit draußen, dass kein Land in Sicht war.

      Dan fügte das zu seiner geistigen Liste hinzu, bevor er die Karte zusammenfaltete und wegsteckte. Zeit, sich auf die Aufgabe vor ihm zu konzentrieren. Er atmete gleichmäßig und ging seine Schritte und den Ablauf der Mission durch. Er stellte sich die Rettung immer wieder vor, visualisierte sie ganz deutlich, damit er automatisch handelte, sobald sie dort ankamen.

      Karl sah ihn schief an und Dan erkannte die Frage in seinen dunklen Augen. Er zeigte einen erhobenen Daumen, aber Karl beobachtete ihn weiterhin mit fragend hochgezogenen Brauen und Dan lächelte eifrig,