Weil du mich wärmst. Elle Brownlee. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elle Brownlee
Издательство: Bookwire
Серия: BELOVED
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958238602
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ihn kräftiger zurückschob, als der Wind es tun sollte. Jameson lehnte sich zu ihm heraus.

      »Radin? Curtis will dich sehen.« Jameson öffnete die Tür noch weiter und hielt sie fest. Er wirkte immer beherrscht – schlank, ruhige, braune Augen hinter einer Brille mit Drahtgestell, die etwas schief saß, der Schnurrbart immer gepflegt – und seine Haltung verriet nichts über den Grund seiner Ernsthaftigkeit.

      Karl schlüpfte mit einem Nicken hinein. »Ist irgendetwas los?« Er zeigte mit dem Daumen über die Schulter auf das Wetter.

      »Weiß nicht. Er hat mich nur angeraunzt, ich sollte dich holen, anstatt es selbst zu tun.« Jameson sah zur Tür hinaus in den sich verdüsternden Himmel. »Aber er hat dabei nicht mürrischer geklungen als sonst.«

      »Na gut. Danke, Jamesy.«

      Jameson hob zwei Finger und verschwand wieder im Kommandozentrum.

      »Hey, Bennett.« Karl hob die Hand. »Etwas Hilfe?«

      Bennetts hellgrüne Augen funkelten und sein rötlicher Teint unter dem weißblonden Haar wurde vor Belustigung noch röter, als er unter die Theke griff und Karl ein Handtuch zuwarf. Er hielt ein zweites hoch, das in seiner großen, eckigen Hand wie ein winziger Lappen aussah, aber Karl brauchte nur eins.

      Er zog sein Sweatshirt aus und ließ es in einen Blumentopf ohne Blumen fallen, der neben der Tür stand. Er wischte sich den Schweiß von Hals und Armen und trocknete sich die Haare, während er die Büro-Insel umrundete.

      »Cap?« Er lehnte sich mit einem Klopfen in Curtis' Eckbüro. »Du wolltest mich sehen?«

      »Setz dich.« Curtis warf ihm einen Blick zu und deutete auf den Plastikgartenstuhl, der an der Wand stand. »Diese Front kommt schneller als erwartet.«

      Curtis war ein so klischeehafter Küstenwächter, dass er eine Figur auf den Rekrutierungsflyern darstellen könnte. Er war groß und sehnig, hatte durchdringende stahlgraue Augen in einem attraktiven, edlen Gesicht und eine breite Brust, die dank seiner aufrechten Haltung noch breiter wirkte.

      »Ach, nur ein bisschen.« Karl zog den Stuhl mit einem Fuß zu Curtis' Schreibtisch heran. »Hat das Wetter schon seinen Spaß gehabt?«

      »Nein. Keine Meldungen.« Curtis drehte sich auf dem Sessel, kramte in der untersten Schublade eines Aktenschranks herum und warf eine Packung Mini-Schokoladenriegel auf den Tisch.

      Karl nahm sich drei – Karamell und Toffee – und lehnte sich wieder zurück. Ein Lächeln zerrte an seinen Lippen, während er aß, aber er unterdrückte es. Curtis mochte keine Schokolade, wusste aber, dass Karl es tat. Es war ein lockeres Ritual zwischen ihnen, das sie nie ansprachen.

      »Und was ist mit dir?«

      »Alles in Ordnung, Sir.« Auf Curtis' vielsagenden Blick hin sagte er: »Es geht mir gut. Laut Marcum bin ich alt, aber abgesehen davon ist alles in Ordnung.«

      Curtis' Blick wurde noch durchdringender.

      »Wirklich. Alles in Butter. Bei uns allen.« Karl nahm sich noch einen Riegel. »Der Lauf war gut. Dem Kopf geht’s gut. Alles gut.«

      »Marcum muss sich noch nicht mal rasieren. Aber gut. Ich zähle darauf, aber ich höre es trotzdem gerne.« Curtis wirkte einen Moment lang in Gedanken versunken, während er auf die bunten Sturmwellen auf dem Radar starrte. Dann reichte er Karl eine dicke Mappe.

      Karl zog die Augenbrauen hoch, nahm sie aber kommentarlos entgegen. Klare und offene haselnussbraune Augen – wie das Meer in warmen Breitengraden, Grün und funkelndes Braun mit blauem Rand – blickten Karl aus dem Profilfoto heraus an, das an die Papiere geheftet war. Daniel Farnsworth. Der Name sagte ihm nichts. Humor tanzte in den beinahe opalen Tiefen und das lässige Lächeln des Kerls wirkte, als könnte es sich jederzeit in ein verschmitztes Grinsen verwandeln. Klassenbester, Eliteschwimmer, nur drei Zentimeter größer als Karl, aber weit schwerer, offenbar stämmig statt sehnig gebaut.

      Er dachte an die Gestalt, die aus dem Helikopter gestiegen war. Aha.

      »Und? Was denkst du?«

      »In Bezug auf?« Karl überflog noch einige Seiten, bevor er die Mappe zu Curtis zurückwarf. Er würde nicht sagen, was ihn am meisten beschäftigte – wie attraktiv Farnsworth war.

      »Das ist unser Neuling.«

      »Ich dachte, der wäre erst in ein paar Tagen fällig?«

      Curtis schob die Mappe zurecht, bis sie parallel zu seinem Tischkalender lag. »Er hat sich von einem Zulieferer mitnehmen lassen, der bereit war, hier Halt zu machen. Gab keinen Grund, der dagegen sprach, und er hat uns den Trip erspart. Also?«

      »Der Junge hat keine Erfahrung mit kalten Gewässern, oder?« Eine sichere, korrekte Beobachtung – weit besser als über das kurze, interessierte Kribbeln zu stottern, das er in eine dunkle Ecke mit der Aufschrift Denk nicht mal dran verbannte.

      »Du hast auch noch niemanden in einem Hurrikan gerettet, aber ich würde dich ohne Bedenken nach Florida versetzen.«

      »Scheiße – ist das eine offizielle Verwarnung?« Karl sah über Curtis' Schulter hinweg zum Fenster, das auf die Berge und die Küstenstraße hinausging. Er schauderte bei dem Gedanken an Florida mit seinen Sümpfen, aber dann grinste er listig. »Eine inoffizielle Drohung?«

      »Nur Perspektive.« Curtis hob eine Ecke der Papiere an und ließ sie wieder zufallen. »Er ist solide und bringt ausgezeichnete Referenzen mit. Farnsworth wird sich unbedingt beweisen wollen, was bedeutet –«

      »Was bedeutet, er wird gefährliche Stunts hinlegen und ich werde dafür verantwortlich sein, ihm den Kopf zu kühlen.«

      »Was bedeutet«, wiederholte Curtis stirnrunzelnd, »dass wir zusammenarbeiten müssen, damit er sich hier leichter eingewöhnt und weiß, dass er zur Mannschaft gehört.«

      Karl verschränkte die Arme. »Das ist dasselbe. Ich meine, mehr oder weniger. Der Unterschied ist, dass du dabei trocken bleibst und weniger Gefahrenzulage bekommst.«

      »Wenn du es so formulieren willst.« Curtis tippte mit denselben präzisen Bewegungen auf die Mappe, mit der er alles tat. »Aber übertreib es nicht. Er ist gut und diese abgelegene Station am Arsch der Welt hat Glück, jemanden mit solchen Leistungen direkt von der Akademie abzubekommen.«

      »Was hat er denn angestellt, um hierher geschickt zu werden, anstatt an einen sexy Ort wie Miami oder Honolulu?« Karl meinte das nicht sarkastisch. Er wollte es wirklich wissen. »Ich will hier nicht den Zyniker spielen, aber wenn er wirklich so wunderbar ist, dann war seine erste Wahl bestimmt nicht das Hinterland von Alaska.«

      »Laut seiner Akte doch. Er will eine Herausforderung und Fähigkeiten erlernen, die er in Stationen wie der, wo er aufgewachsen ist, ausgebildet wurde und seinen ersten Dienst hatte, nicht üben konnte. Das ist bewundernswert. Findest du nicht?« Curtis blinzelte weder, noch sah er weg, bis Karl widerwillig nickte. »Klassenbester, lernbereit – und du wirst ihn noch besser machen.«

      Karl brummte unbestimmt. Er wollte nicht zeigen, wie sehr dieses Vertrauen ihn freute, aber er wollte auch keine so große Verantwortung. Er würde seinen Job erledigen und das außergewöhnlich gut, aber er war nicht hier, um irgendeine hitzköpfige Diva zu betreuen.

      »Übertreib es nicht, Radin. Du hast ihn noch gar nicht getroffen.«

      Curtis gab Karl eine Menge Freiheit, nicht nur weil er ein altgedienter Veteran war, sondern weil er dem Job alles gab und sich etwas Entgegenkommen verdient hatte. Aber etwas Entgegenkommen war keine offene Tür zum Ungehorsam.

      »Ja, Sir.« Karl aß seine letzte Schokolade und warf die zerknüllten Verpackungen in den Müll. »Glaubst du, er steht den ersten richtigen Kälteeinbruch und Sturm durch?«

      Niemand, der nach Alaska versetzt wurde, blieb davon unberührt. Rekruten meldeten sich zum Dienst und wollten entweder nie wieder weg oder die Intensität und oft grausame Bitterkeit, die diesen Ort mit seinen so wilden Extremen beherrschten, vertrieb sie schnell wieder.

      »Ich glaube, er wird sich gut