Weil du mich wärmst. Elle Brownlee. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elle Brownlee
Издательство: Bookwire
Серия: BELOVED
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958238602
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Bis dann klang. Ohne sich mit Begründungen aufzuhalten, beschloss Karl, Dan zu folgen.

      Bis zum Ort waren es mehrere Meilen. Keine unmögliche Entfernung, aber mehr als er rennen würde. Sie konnten sich genauso gut besser kennenlernen. Ein Treffen im Ort wäre ein guter Eisbrecher. Ölzweig? Wie auch immer.

      In wenigen Momenten hatte er seine Schlüssel, ein Handtuch sowie zwei Kapuzenpullis beisammen und seine krakelige Unterschrift auf das Abmeldeformular gesetzt. Ein kalter Wind versuchte, ihn wieder ins Gebäude zu schieben, also blieb er in dem kleinen Vorraum stehen, zog einen der Kapuzenpullis an und ging entschlossen weiter.

      Karls uralter Jeep parkte am anderen Ende des Parkplatzes auf einem Abhang – es erleichterte den Start. Er pumpte Sprit, zog die Bremse und startete den Motor. Dann wiederholte er die Prozedur und der Jeep sprang an, zuerst laut, bevor er seinen Rhythmus fand, Karl die Bremse lösen und anfahren konnte.

      Es dauerte länger, als er erwartet hatte, Dan einzuholen, und er schwitzte lange Momente in dem Gedanken, Dan hätte die Straße verlassen, wäre ins Wasser gefallen oder sonst etwas. Aber nein. Als er eine Serpentine hinter sich gebracht hatte, entdeckte er Dan. Sein leuchtend oranges T-Shirt hob sich gegen die Gischt und das Grau ab.

      Karl bremste ab und lehnte sich hinüber, um das Fenster herunterzukurbeln. »Gehst du in meine Richtung?«

      Dan war auf das andere Ende der schmalen Straße ausgewichen und zuckte bei Karls Worten zusammen.

      »'Tschuldige. Komm schon, steig ein.«

      Dan starrte ihn an, dann erkannte er ihn offensichtlich und die Überraschung verschwand. »Ach, nein. Ich komme schon klar, danke.«

      Karl fuhr neben ihm her. »Wäre besser, wenn du dich einfach mitnehmen lässt. Du hast schon mehrere Meilen hinter dir und es wird regnen. Der letzte Teil der Front, die den Sturm gestern gebracht hat, wird in…«, er sah an Dan vorbei auf das Wasser, »… etwa zwanzig Minuten hier durchziehen.«

      »Ich meine das ernst. Ich komme klar.«

      »Kalter Regen. Mitten aus dem herzlosen, nördlichen Pazifik – raue See, Wind, Regen.« Karl hielt den Jeep mit einem Ruck an und warf das Handtuch durch das Fenster. Er hatte gut gezielt und es landete auf Dans Kopf. »Komm schon.«

      Dan schien zu seufzen. Dank des dämpfenden Handtuchs war sich Karl nicht sicher, aber dann sackten Dans Schultern nach unten und er kletterte in den Jeep. Er trocknete sich die platt am Kopf liegenden Haare und feuchten Arme ab. Seine Shorts waren in seinem Schritt hochgerutscht und Karl musste einfach starren, als Dan sein Shirt auszog.

      Ihre Blicke trafen sich und Karl hielt den anderen Kapuzenpulli hoch. »Äh, den hab ich für dich mitgebracht.«

      »Danke. Das hättest du nicht…« Dan brach ab und schüttelte den Kopf. Er zog den Pulli an – er spannte etwas über der Brust – und faltete das Handtuch über die nackten Beine.

      Karl starrte immer noch. Er leckte sich die Lippen, zwang seinen Blick wieder auf die Straße und schaltete in den nächsten Gang. »Wenn du das Fenster schließen willst, musst du kurbeln. Trockene Socken sind im Handschuhfach.«

      Dan antwortete nicht und sie fuhren schweigend weiter. Nach einigen Minuten öffnete er allerdings das Handschuhfach und wechselte die Socken. Dann stieß er einen kleinen, zufriedenen Seufzer aus, der Karls Nerven kitzelte.

      »Gutes Gefühl?«, fragte er und verdrehte dann die Augen. Dumme Frage. Dumme, belegte Stimme. Einfach dumm. »Wenn du dich um deine Füße kümmerst, kümmern die sich um den Rest.«

      Dan grinste über den Satz, den sie alle ständig im Dienst hörten. »Es ist wirklich ein gutes Gefühl. Danke noch mal.«

      Er lächelte, aber Karl sah das Zögern dahinter und versuchte, sich nicht daran zu stören. Er sah mehr als Nervosität – etwas Trauriges und Verlorenes in Dans Miene. Er hasste es, dass er das bemerkte und dass es seinem Herzen einen Stich versetzte. Der nagende Verdacht von gestern Abend kehrte zurück, aber er wusste nicht, was genau so verdächtig erschien.

      Dan spielte mit einem abgenutzten Papierstreifen herum und etwas Metallisches blitzte auf. Er hielt das Papier in der offenen Handfläche und wurde still. Die Trauer hing um seine Schultern wie ein Mantel.

      Karl seufzte. Verletzlichkeit war wie Katzenminze für ihn – als bräuchte er noch mehr an diesem Jungen, das er wegsperren und ignorieren musste. Wenn er sich nicht vorsah, würde er sich in ihm verlieren.

      »Wolltest du schon immer in die Küstenwache?«

      »Hmm?« Dan schloss die Hand um das Stück Papier und schob beide Hände in die Taschen des Pullis. Als er aufsah, standen Fragen und vielleicht eine Erinnerung in seinen Augen.

      »Ich hab nach deiner Geschichte gefragt. Small Talk, weißt du?«

      »Oh—oh. Ja, mehr oder weniger. Eine Weile lang dachte ich, ich werde Profi-Surfer.« Dan zuckte mit den Schultern. »Ich bin gut, aber nicht so gut. Ich bin einer von denen, die schon schwimmen konnten, bevor sie laufen gelernt hatten, bin mit… jemandem, der mich in die Richtung gedrängt hat, an der Küste aufgewachsen.«

      »In den Job gedrängt?«

      Dans Mundwinkel hoben sich. »Irgendwie schon. Es hat sich einfach natürlich angefühlt. Ich bin ein besserer Schwimmer als Surfer und ich liebe den Rausch und die Herausforderung bei den Rettungsmissionen. Also bin ich hier.«

      Dans Antwort ließ eine Menge ungesagt, aber Karl fragte nicht weiter.

      »Ich bin hier aufgewachsen.«

      »Ach ja?« Dans Stimme erwärmte sich interessiert und er sah auf die wunderschöne, raue Landschaft hinaus.

      Karl konnte seine Gedanken beinahe hören, während Dan sich vorstellte, wie diese Kindheit wohl ausgesehen hatte. Im Großen und Ganzen war sie gut gewesen und Karl konnte sich nicht darüber beschweren, wo er gelandet war.

      »Ja. Gibt nicht viele von uns, die hier geboren sind. Du hast Glück, Junge – genieß es, solange du hier bist.«

      »Zeigst du mir, wie der Hase läuft?«

      »Oder ich ziehe ihm das Fell über die Ohren, wenn du mir Ärger machst.« Karl schaltete herunter und schluckte, als Dan sich mit konzentriert verengten Pupillen zu ihm umdrehte.

      Unbehagliches Schweigen senkte sich über sie. Hitze breitete sich von Karls Schritt bis in seine Brust aus, machte seine Arme schwach und brachte seine Gedanken durcheinander.

      »Na, hier sind wir.« Seine Stimme brach vor Erleichterung, als sie das abgenutzte Schild passierten, das sie im Ort willkommen hieß. »Gibt es eine bestimmte Stelle, wo ich dich absetzen kann?«

      »Egal, wo.« Dans Arm zuckte in der Tasche des Pullis, aber er zog die Hand nicht heraus. »Ich wollte mir Eider nur ansehen. Mich damit vertraut machen.«

      Karl fuhr weiter ins Zentrum und hielt vor EiderUp, Postamt/Lebensmittel/Armeeladen in einem. »Das ist fast ganz Eider, aber nur zu.« Er drehte sich zu Dan um und stützte den Arm auf dem Lenkrad ab. Er konnte sehen, dass Dan keine Gesellschaft wollte, aber er würde ihn nicht hier zurücklassen, vor allem nicht kurz vor dem Nachmittagsdienst. »Ich treffe dich hier in einer Stunde.«

      »Du musst nicht—«

      »Ich werde da sein. Hast du den Hasen schon vergessen?«

      Röte stieg in Dans Wangen und Karl blinzelte, beugte sich vor und würgte dabei den Motor ab.

      Dan stieg aus dem Jeep und blieb in der Tür stehen. Er mied Karls Blick, während er in der Tasche seines Pullis herumfummelte. Karl dachte an das Stück Papier. Er würde den Jungen davon abhalten müssen, je bei den Pokernächten auf der Station mitzumachen.

      Dann begann der Regen, den er vorhergesagt hatte, auf das Stoffdach zu tropfen.

      »Okay. Ich werde da sein.« Dan zog die Kapuze hoch, knallte die Tür zu und ging davon.

      Karl lauschte dem Regen und zwang sich, Dan nicht nachzusehen. Er besorgte