Mein Bruder, Muhammad Ali. Rahaman Ali. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rahaman Ali
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783903183827
Скачать книгу
darauf gewartet hatte, meinem Bruder auszurichten, dass sie ihn sich vorknöpfen würden. Er bekam Drohungen von Personen, die meinten, sie würden sein Haus anzünden, auf sein Auto schießen oder ihn gar ermorden. Auch Angelo und seine Familie blieben aufgrund ihrer Verbindung zu meinem Bruder nicht vor dem Hass verschont. Jeder, der sich im näheren Umfeld meines Bruders befand, wurde zur Zielscheibe für einige der schlimmsten Menschen Amerikas.

      Als Muhammads Bruder war es nicht angenehm für mich, ihn in so einer verwundbaren und gefährlich exponierten Position zu sehen. Meine wichtigste Aufgabe zu jener Zeit war es, meinen Bruder im Auge zu behalten, und ich tat mein Möglichstes, um auf ihn aufzupassen und sicherzustellen, dass ihn keiner vergiftete. Ob mich das ein wenig paranoid machte? Absolut. Hat es mich wütend gemacht? Auf jeden Fall.

      Lassen Sie mich klarstellen: Morddrohungen, egal ob regelmäßig oder selten, sind etwas Alltägliches für alle, die sich in der afroamerikanischen Gesellschaft nach oben arbeiten. Es ist egal, ob du Boxer bist oder ein TV-Moderator, der sich kein Blatt vor den Mund nimmt, oder der Präsident der Vereinigten Staaten. Wenn du schwarz bist, wird dir eine gewisse Aufmerksamkeit von politisch bösartigen, degenerierten Menschen zuteil. In der Zeit zwischen 1967, als der politische Aktivist Dr. Harry Edwards das erste olympische Projekt für Menschenrechte vorschlug, und 1972 erhielt er unglaubliche 300 Morddrohungen. Das war einfach ein Teil des Lebens damals für alle von uns, die ihre Stimme erhoben. Als Muhammad der Nation of Islam seine Loyalität aussprach und später den Kriegsdienst verweigerte, gab es unzählige Feiglinge, die zu Hause auf ihrem Sofa saßen und bereit waren, einem Farbigen, der sich für seine konstitutionellen Rechte und Prinzipien in der Gesellschaft einsetzte, einen bösen Brief zu schreiben. Man hatte sich schon daran gewöhnt. Nach einiger Zeit wurde das Ganze eher ermüdend als beängstigend. Doch es hörte nie auf, mich wütend zu machen.

      Eine andere Sache – obwohl eher Ärgernis als Gefahr – war, dass, wenn man ein Mitglied der Nation war, das FBI begann, dein Telefon abzuhören, deine Post abzufangen und zu öffnen und dir überall hin folgte. Sieht man sich das FBI-Spionageabwehrprogramm und die Anträge nach dem Gesetz für Informationsfreiheit aus dieser Zeit an, dann findet man Akten über die Nation of Islam, die teilweise Hunderttausende Seiten umfassen. Das FBI beobachtete Moscheen und hörte alle ab – von Malcolm X bis hin zu lokalen Predigern, Offiziellen und Leutnants der Nation of Islam in verschiedenen Städten der USA. Sie sammelten Informationen über die Eltern von Mitgliedern, Autokennzeichen, Treffen. Aus irgendeinem Grund galt die Nation of Islam in ihren Augen als eine Gefahr für Amerika. Diese Bundesbehörde für Sicherheit und Strafverfolgung gab ungeheuer viel Geld für die Beobachtung der Nation of Islam aus, und das meist umsonst. Die NOI war so auf ihren Ruf bedacht, dass sie uns immer davor warnte, eine Waffe mit uns zu führen, und sie wies uns an, uns Gesetzeshütern gegenüber kooperativ zu verhalten. Ich erinnere mich daran, wie Elijah Muhammad uns sagte, dass wir nicht einmal ein Taschenmesser mit uns tragen sollten. Muhammad hatte kein Problem damit und meinte: „Ich glaube nicht an Gewalt … außer man wird überfallen.“

      Trotzdem, das FBI war darum bemüht, immer über das, worüber wir sprachen und was wir taten, am Laufenden zu sein, und erwartete sich anscheinend, dadurch eine große Verschwörung gegen Amerika aufzudecken. Wir wussten, dass wir von Spionen umgeben waren, und unsere Privatsphäre wurde auf so viele Arten verletzt, wie man es sich kaum vorstellen kann. Ich erinnere mich, wie Berater und Vertraute zu Muhammad sagten: „Sei immer vorsichtig, was du am Telefon sagst. Wenn du über etwas Bestimmtes reden willst, dann verabrede ein Treffen.“

      Es gab bestimmte Dinge und Informationen, über die wir am Telefon nicht sprechen durften, um damit potenzielle Interventionen der Behörden zu minimieren.

      Während seines Prozesses wegen Kriegsdienstverweigerung einige Jahre später kam unter anderem heraus, dass eine Unterhaltung meines Bruders mit Dr. Martin Luther King, mit dem er seit dem Vorabend des Liston-Kampfes in Verbindung stand, als dieser ihm alles Gute wünschte, aufgenommen worden war. Die FBI-Akten, die später freigegeben wurden, besagen, dass mein Bruder mit Dr. King darüber sprach, dass er seine Arbeit weitermache und er ihn als Bruder betrachte. Danach begannen die Sicherheitsbehörden, Falschinformationen über meinen Bruder in der Öffentlichkeit zu verbreiten, erfundene Briefe, die sofort zum Fressen für die Presse wurden. Nichts wurde unversucht gelassen, um diesen jungen Farbigen, der begann, Wellen zu schlagen, zu unterminieren. Ich glaube keine Sekunde daran, dass der Direktor des FBI, J. Edgar Hoover, ernsthaft dachte, Muhammad wäre eine Gefahr für Amerika. Aber wie sich herausstellte, durchkämmten die FBI-Agenten sogar die alten Schulakten meines Bruders. So gut wie überall, wo Muhammad hinging, waren auch Agenten zu sehen. Vielleicht wollten sie nur ihre eigene Neugier befriedigen? Denn nur wenig von dem, was sie taten, machte Sinn.

      Vor nicht allzu langer Zeit wurde die Behauptung aufgestellt, dass Angelo ein FBI-Spitzel gewesen sein soll. Das ist vollkommen absurd. Es ist allerdings wahr, dass Angelo vor dem ersten Kampf gegen Liston vom FBI befragt wurde, doch das beweist nur, wie loyal er gegenüber Muhammad und seinen Freunden war. Sie zeigten ihm Bilder von der Nation of Islam, Personen, die Angelo leicht wiedererkannt hätte, und fragten: „Angelo, wer ist der Typ? Wer ist das hier?“, und jedes Mal antwortete Angelo: „Ehrlich, diese Muslime sehen alle gleich aus für mich.“

      Angelo hätte nie jemanden verraten – schon gar nicht einen Mann, der nicht nur Boxer war, sondern auch ein Teil seiner Familie.

       MUHAMMAD & MALCOLM

      Lange nachdem Malcolm X das irdische Dasein verlassen hatte, hielt Muhammad eine Rede, bei einem Treffen in Los Angeles, als

      ein farbiger Mann, der etwas älter schien als die anderen Anwesenden, aus den hinteren Reihen rief: „Wenn du nicht an das glaubst und das predigst, was Elijah sagt, dann wirst du sterben.“

      Der Mann bezog sich dabei auf Malcolms Ermordung.

      Muhammad, der nie einen Hehl aus seiner Enttäuschung über seinen verstorbenen Freund gemacht hatte, antwortete: „Nein. Du stirbst nicht, wenn du nicht an das glaubst, was Elijah sagt. Doch ich kenne einige Leute, die dich umbringen würden, wenn du schlecht über mich redest! Und ich muss ihnen das gar nicht erst befehlen.“

      Das sorgte für lautes Lachen im Publikum, doch mein Bruder blieb todernst.

      „Ich kenne einige Leute, die dich umbringen würden!“, fuhr er fort. „Hört mich an. Lasst es euch von mir sagen, kein mächtiger Mann, der von Hunderttausenden verehrt wird, braucht zu sagen: ‚Holt ihn euch.‘ Du bist nicht sicher, wenn du über ihn sprichst. Ich kenne einige Brüder, die dich töten würden, wenn du schlecht über ihre Mutter redest. Sie würden dich umbringen! Heiße seine Mutter eine Hure und sieh, ob du das überlebst. Ich kenne Leute, die bringen dich für ihre Mutter um! Einer von den Brüdern würde dich so schnell umlegen, da muss gar kein Muhammad dabei sein.“

      Der Mann im Publikum wollte es aber nicht dabei belassen und versuchte, Muhammad weiter dazu zu bringen, Malcolms Tod zu rechtfertigen.

      Schließlich wurde es Muhammad zu bunt, und er sagte: „Ich habe niemanden umgebracht, was willst du von mir?“

      Egal ob er nun aggressiv war oder sich verteidigte, die Fragen zu Malcolms Tod verfolgten ihn für einige Zeit. Es war teilweise auch seine eigene Schuld. Etwa acht Monate nachdem Malcolm einem Attentat zum Opfer gefallen war, war Muhammad zu Gast in der Radiosendung Hotline des Chicagoer Radiosenders WVON, die von Wesley South moderiert wurde, wo er sich kein Blatt vor den Mund nahm und öffentlich sagte, dass sich die Nation of Islam um Malcolm „gekümmert“ hätte. Einige Leute meinten später, dass mein Bruder wegen Mittäterschaft bei der Ermordung des ehemaligen Mitglieds der Nation of Islam verhaftet werden sollte. Mein Bruder sagte vieles in der Öffentlichkeit. Er war einfach so. Und was er damals sagte, wurde wahrscheinlich falsch ausgelegt.

      Muhammads Verhältnis zu Elijah Muhammad wurde enger, als Malcolm begann, sich vom Führer der Nation of Islam abzuwenden – die beiden hatten sich heftig zerstritten. Die Nation hatte natürlich ihre Vorteile. Malcolm war allein, wohingegen sich die Nation of Islam zu einem institutionellen Kult entwickelt hatte, der sowohl einen gemeinschaftlichen als auch einen spirituellen Einfluss auf meinen Bruder