Booklove. Daphne Mahr. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Daphne Mahr
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783764192754
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den Kinderbüchern umsortiert.

      Im Gegensatz dazu war ich dieses Mal aber komplett unschuldig. Es mangelte mir nur leider an Beweisen.

      Eigentlich war es auch nicht notwendig, viel zu sagen, denn Philippa ließ ohnehin keine Zeit für Erklärungen. Heftig gestikulierte sie mit ihren Händen und wetterte ungebremst los: »Ihr fackelt hier Bücher ab? Spinnt ihr komplett? Wer ist überhaupt dieser Junge? Emma, warte nur! Wenn das dein Vater erfährt. Ich möchte nicht in deiner Haut stecken.«

      Mir fiel gerade wieder ein, weshalb ich Philippa noch nie hatte ausstehen können. Sie tat immer so erwachsen, obwohl sie erst siebzehn Jahre alt war.

      Zum Glück wachte Vinzenz jetzt endlich auf und zog somit die gesamte Aufmerksamkeit dieser tollwütigen Pute auf sich. Wurde auch Zeit.

      Im ersten Moment wirkte er verwirrt, als er sich mit einem verwunderten Blick in Philippas Richtung durch die Haare fuhr. Zugegebenermaßen sah er in diesem frühmorgendlichen Tageslicht gar nicht so übel aus, obwohl ihm die Kanten eines Buchdeckels Falten in die Wangen gedrückt hatten und er noch halb schlief. Aber das leuchtende Dunkelblau seiner Augen stach etwas mehr hervor und die schwarzen Haare baumelten ihm kess auf die Stirn, sodass die kleine Wunde nicht zu sehen war. Ein ungewöhnlich attraktiver Bösewicht, kein Wunder, dass Esmeralda ihm auf dem Ball nicht hatte widerstehen können.

      Stopp.

      Was dachte ich hier gerade für Zeug? Nur weil er attraktiv war, machte das die Sache noch lange nicht besser. Und auch wenn man mal ganz von der Tatsache absah, dass sich seine Anwesenheit nach allen Regeln der Vernunft nicht auf eine logische Weise erklären ließ, hatte sein Auftauchen mir jetzt schon gewaltige Schwierigkeiten bereitet. Ungefähr im Ausmaß einer nuklearen Katastrophe, wenn nicht schlimmer. Da konnte er noch so gut aussehen …

      »Oho«, sagte er und lächelte höflich, während er elegant vom Kassentisch rutschte. Er zupfte sein Frackoberteil und das Hemd zurecht, bevor er auf Philippa zuging, dicht vor ihr stehen blieb, ihre rechte Hand fasste, sie sanft zu seinem Mund führte und mit seinen Lippen einen Kuss andeutete. »Es tut mir aufrichtig leid, diese Situation ist wirklich unglücklich. Aber ich hatte ja keine Ahnung, dass ich gleich so eine reizende Lady treffen würde …« Er zwinkerte.

      Igitt. Das war ja widerlich schleimig. Aber es zeigte Wirkung. Philippa entzog ihm ihre Hand, wandte den Blick leicht verlegen ab und hauchte heiser: »Ähm, ja. Schon gut. Geh jetzt bitte, ich muss hier aufräumen, wir öffnen in einer Stunde, und wenn es dann so aussieht, verjagt das die Kunden. Aber du kannst … ähm … gerne mal wiederkommen.« Mitten in diesem Satz fixierte sie mich mit bösen Augen. Dieser giftige Blick jagte mir einen eisigen Schauer vom Scheitel bis in die Zehenspitzen. »Mein Chef wird allerdings sehr daran interessiert sein, was hier passiert ist. Vor allem, wie seine Tochter in die Angelegenheit verwickelt ist. Ich würde ihr den Rat geben, sich eine gute Erklärung einfallen zu lassen.«

      »Hm.« Vinzenz nickte. »Nun, vielleicht kann ich da helfen. Kommt mit mir.«

      »Äh, okay.« Philippa klimperte verblüfft mit den Wimpern.

      O Mann. Was hatte der denn jetzt vor?

      Erstaunt beobachtete ich, wie er sie gentlemanlike beim Arm griff, hinter das Kassenpult führte und die Tür zum Büro aufstieß. »Bitte, da drinnen.«

      Philippa machte einen Schritt nach vorne, um in den Türspalt lugen zu können, da gab Vinzenz ihr einen unsanften Schubs. Sie schrie erschrocken auf, doch er schlug die Tür zu und drehte den Schlüssel um.

      Philippa hämmerte gegen das Holz. »Lasst mich sofort wieder raus! Das wird Konsequenzen haben! Emma, ich warne dich ein letztes Mal …«

      »So.« Vinzenz wandte sich wieder Leo und mir zu. »Das wäre erledigt. Gehen wir?«

      Bestürzt starrte ich ihn an. »Moment mal, wir können sie doch nicht einfach so im Büro einschließen!«

      »Sagt wer?«, fragte Vinzenz unbeeindruckt und machte sich im selben Moment bereits auf den Weg hinaus in die Kleegasse.

      Noch einmal warfen Leo und ich einen beunruhigten Blick in Richtung Büro, ehe wir Vinzenz hastig hinterherstürmten.

Sieben

      Ich atmete den fruchtigen Duft des Blaubeer-Cupcakes und den Dampf des Kakaos vor meiner Nase ein. Nach solch aufwühlenden Ereignissen entspannte das die Nerven.

      Unser Weg hatte deshalb kurzerhand in Leos und mein Stammcafé für Krisensitzungen geführt. Mit einem Blaubeercupcake fiel die Entwicklung taktischer Problemlösungsstrategien leichter. Im Normalfall drehte es sich dabei um Jungs. Heute sah die Sache leider ein wenig anders aus. Denn das Problem saß gegenüber auf einer mit rosa Blümchen verzierten Polstersitzbank und knabberte an einem Schokomuffin.

      Vinzenz hatte sich einfach nicht abschütteln lassen. Mit riesigen Augen war er uns wie ein Tourist, der unter einem gewaltigen Kulturschock litt, durch die verwinkelten Gassen unserer Kleinstadt gefolgt. Seltsam für einen Zeitreisenden. Eigentlich hätte er doch an so einiges gewöhnt sein müssen. Auf der anderen Seite konnte man nicht gerade behaupten, man würde ihm die Romanfigur nicht anmerken. Wenigstens hatte er den Frack ausgezogen. Das rote Hemd, die Stoffhose und die Reiterstiefel sahen zwar immer noch etwas dämlich aus, aber bei Weitem nicht wie diese Jacke mit Schwalbenschwanz, die nun zusammengeknüllt neben ihm lag.

      Ich nahm einen großen Bissen, kaute nachdenklich und leckte mir dann die klebrigen Finger ab. »Also, jetzt schieß mal los. Was soll das alles?«

      Vinzenz schaute überrascht auf. »Wie meinen, Miss Emma?«

      »Du glaubst doch nicht, dass wir …«, ich deutete erst auf Leona und dann auf mich selbst, »… das hier für normal halten? Es passiert nicht gerade alle Tage, dass eine Romanfigur aus einem Buch klettert. Um genau zu sein: Das passiert nie

      Ich schob den Teller ein Stück zur Seite und lehnte mich mit verschränkten Armen über den Tisch. »Weißt du, warum? Weil es gar nicht möglich ist. Rein physikalisch, anatomisch oder was auch immer. Du existierst nicht! Nachdem Philippa und die Kellnerin dich aber gesehen haben, muss ich davon ausgehen, dass du nicht nur eine Halluzination von uns beiden bist.«

      Vinzenz schmunzelte selbstgefällig. »Das ist doch gut, oder? Immerhin heißt es, Ihr seid nicht dem Wahnsinn verfallen.«

      »Pah.« Ich funkelte ihn an. »Du schuldest uns eine Erklärung.«

      »Gerne.« Immer noch lag dieses etwas süffisante Lächeln auf seinen Lippen, als er unvermittelt seine Hand über den Tisch streckte und mir damit einfach den Unterarm entlangfuhr. Seine Finger fühlten sich warm an und seine Berührung kitzelte so sehr, dass ich davon Gänsehaut bekam. Trotzdem zuckte ich erschrocken zurück. »Was soll das?«, fuhr ich ihn an.

      »Nun, Ihr wolltet eine Erklärung«, antwortete Vinzenz und schob beiläufig seine Stirnfransen zur Seite, um die kleine Wunde, die ich ihm mit dem Buch zugefügt hatte, freizulegen. »Ich existiere. Ganz real, mit allem, was dazugehört. Durch meine Adern fließt Blut. Und Ihr, werte Miss Emma, habt einen wesentlichen Teil zu meiner Existenz beigetragen.«

      »Träum weiter!« Ich lachte nervös auf. »Dann wäre ich ja deine Mutter oder so. Also nein. Aber da fällt mir ein, wie alt bist du überhaupt?«

      Vinzenz ließ sich die Haare wieder in die Stirn fallen. »Also bitte, Ihr kennt doch wohl meine Geschichte.«

      Auch wenn es mir grundsätzlich hätte egal sein können, kam ich mir in diesem Augenblick blöd vor, weil ich die Romane nicht gelesen hatte. Diese Blöße wollte ich mir gegenüber Vinzenz nicht geben – aber anscheinend verriet mich mein ertappter Gesichtsausdruck. Plötzlich bildete sich dieses unsympathische, garstige Grinsen auf Vinzenz’ Lippen. Wenn ich ihn zuvor noch nicht gehasst hatte, dann tat ich das spätestens ab diesem Moment. »Ihr scherzt! Die Tochter des Buchhändlers liest nicht. Nun, wenn das so ist. Im dritten Band