FEUERPROBE (Retreat 5). Stephen Knight. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stephen Knight
Издательство: Bookwire
Серия: Retreat
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958354838
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lauschte. Der Tag war bisher warm und kaum bewölkt gewesen. Vögel zwitscherten, Insekten summten, und aus der Nähe waren die Geräusche von Menschen und Maschinen zu hören, die sich um den befestigten Eingang von High Point herum bewegten.

      Rawlings konzentrierte sich wieder voll auf die Bäume und Büsche, die die Wiese umrahmten, um auf die verdächtigen Geräusche einer Horde von Angreifern zu lauschen, die durch das Unterholz herangestürmt kamen. Doch bis auf das normale Rascheln von Blättern in der unregelmäßigen Brise hörte sie nichts Ungewöhnliches.

      Dann erklang ein fernes Grollen. Düsentriebwerke.

      »Gewehre bereit«, bellte Muldoon.

      Das Grollen schwoll zu einem kreischenden Brüllen an, als zwei C-15 Cargo-Düsenmaschinen auf sie zugeflogen kamen. Bei einer Flughöhe von knapp 200 Metern und einer Geschwindigkeit von über 450 Stundenkilometern würden sie nicht lange in Sicht bleiben. Die bauchigen, mit vier Düsentriebwerken ausgestatteten Jets flitzten versetzt hintereinander über die Wiese. Der erste Jet warf vier Objekte ab, der andere zwei. Einen Moment lang stürzten die auf Paletten gestapelten Container im absoluten freien Fall taumelnd und sich drehend zur Erde. Dann öffneten sich ihre Fallschirme, die sich schlagartig mit Luft füllten, noch bevor die daran befestigten Container gerade mal 30 Meter gefallen waren. Sobald die Fracht sicher in Richtung Boden sank, hörte Rawlings, wie die C-15 Jets beschleunigten, als ihre Piloten Schub gaben, um sich so schnell wie möglich wieder aus dem Klowns-Territorium zu verdrücken.

      Die Container schaukelten an ihren Fallschirmen kaum hin und her, sie waren das, was man bei der Air Force als Hochgeschwindigkeitslieferungen bezeichnete – die Fallschirme sollten sie nur etwas abbremsen und auf ihrem Weg zum Landeplatz mehr oder weniger stabil halten. Die erste Palette landete bereits ein paar Sekunden, nachdem sie vom Jet abgeworfen worden war, und hüpfte im hohen Gras herum, weil sich der Schirm durch einen plötzlich aufkommenden Windstoß wieder mit Luft gefüllt hatte. Durch die Brise begannen die noch in der Luft befindlichen Container auf dem Wind reitend ihre Richtung zu verändern. Sie bewegten sich jetzt sogar direkt auf die Fünftonner zu, was Rawlings für einen glücklichen Zufall hielt. Das bedeutete, dass die Soldaten diese Container schneller aufladen und zum Hauptlager vor High Point zurückkehren konnten.

      »Hey, kann es sein, dass das Ding gleich den Truck trifft?«, rief Nutter plötzlich und deutete auf einen der Container, der schnell herunterkam. Einer der grünen Halteriemen, der die Ladung auf der Palette sicherte, hatte sich gelöst und flatterte in der Luft wie eine Fahne herum. Rawlings starrte nach oben. Und tatsächlich schwebte die Palette genau auf einen der wartenden Fünftonner zu. Noch während sie hinschaute, schlug die Palette mit mehr als 90 Stundenkilometern mitten auf der Ladefläche auf.

      »Beschissene Air Force«, polterte Muldoon.

      Der Lärm war unbeschreiblich. Die Stoßdämpfer des Trucks federten krachend und der Fahrer hechtete aus seiner Kabine, weil er dachte, er stünde unter feindlichem Beschuss. Die restlichen Befestigungsseile rissen ebenfalls und eine Ausrüstungskiste nach der anderen wurde über den Platz geschleudert. Die Palette wurde zerfetzt und jagte einen Splitterschauer durch die Luft. Der Wind blähte den Fallschirm immer noch auf, sodass die Reste der Ladung über die Ladefläche des Trucks gezogen wurden, dann wickelte er sich um die Fahrerkabine. Der Schütze, der das M240 auf dem Dach des Trucks bediente, kämpfte dagegen an, versuchte sein Geschütz freizuhalten, und scheiterte. Als der Fallschirm sich schließlich verheddert hatte, flatterte er knallend im Wind.

      Rawlings erinnerte das Geräusch vage an das Furzen eines Riesen, der unter Verstopfung litt.

      »Scheiße! Lassen Sie das Chaos in Ordnung bringen, Sir!«, befahl Muldoon und starrte den Lieutenant an, der das Bergungsteam anführte. Der Offizier sah wegen Muldoons Ton etwas verärgert aus, dann winkte er aber leicht zerknirscht mit der Hand.

      »Okay, wir sind schon dran. Passt ihr Typen lieber auf eure Ziele auf!«

      Eine Private First Class von der Pennsylvania National Guard namens Campbell hob plötzlich ihr M4 leicht an und machte einen Schritt nach hinten.

      »Was war das?«, blaffte sie und starrte mit zusammengekniffenen Augen unter ihrem Helmrand hervor.

      »Was war was?«, fragte Rawlings.

      »Hör doch«, knurrte Campbell, während ein weiterer Container auf dem Boden aufschlug. Das Bergungsteam kümmerte sich erwartungsgemäß sofort darum, aber Campbell blieb weiterhin in Alarmbereitschaft. »Ich höre Lachen!«

      Rawlings brachte ihr Gewehr in Anschlag.

      Sie lauschte, so gut sie konnte. Sie hörte, wie die Container auf dem Feld auftrafen, die Anweisungen, die Muldoon und der Rest der Truppe hin- und herschrien und das Tschilpen der Vögel in den Bäumen. Dann nahm sie ein Kichern wahr, allerdings in einem unregelmäßigen Rhythmus. Sie hatte so etwas schon früher gehört. Und während die Soldaten immer noch mit dem Fallschirm kämpften, der sich um die Fahrerkabine des M925 gewickelt hatte, war sie sich absolut sicher, um was es sich dabei handelte. Sie würde das niemals im Leben wieder vergessen.

      Ein Klown, der vor ungebrochener, wahnsinniger Freude gluckste.

      Und er war sehr nah.

      »Muldoon!«, brüllte sie.

      Die ersten Schüsse knallten los, links von ihr schrien Soldaten auf und stürzten zu Boden, als sie von Kugeln getroffen wurden.

      Eine Millisekunde nach Nutter ließ sich Rawlings ebenfalls aufs Knie sinken, während der dürre Soldat bereits seine Waffe herumschwenkte und auf die Bäume zu seiner Linken zu feuern begann. Sein M4 spuckte dabei leere Patronenhülsen aus, die in der strahlenden Sommersonne glitzerten. Rawlings stieg mit ihrem Gewehr ebenfalls in dem Kampf ein, obwohl sie kein direktes Ziel hatte und sich andere Soldaten in ihrer Schussbahn befanden. Sie versuchte an ihnen vorbeizuschießen und jagte diverse Salven in den Wald.

      Rawlings entdeckte Gestalten, die sich im Dickicht bewegten, und fragte sich kurz, ob sie und Nutter vielleicht gerade auf eine Sicherheitspatrouille feuerten, von der sie nichts wussten. Die Dinge waren in dieser neuen Welt so dynamisch und überschlugen sich ständig, sodass sie sich nicht einmal mehr die Zeit zu nehmen wagte, ihre Ziele genau zu bestimmen. Verbündete konnten innerhalb eines Herzschlags für Feinde gehalten werden, etwas, was als immens große Gefahr ständig über ihnen schwebte. Und trotzdem war sie hier und stemmte sich gegen ihr M4, während es bellend glühende Kugeln in den Wald um sie herum jagte. Und das alles, ohne vorher überprüft zu haben, dass sie tatsächlich Feindkontakt hatte.

      Doch immer mehr Gewehrfeuer dröhnte aus den Baumreihen hervor und immer mehr Soldaten brachen getroffen zusammen.

       Yeah. Das war eindeutig Feindkontakt.

      Die Klowns verließen einen Moment später ihre Deckung, eine Gruppe mit mindestens fünfzig bis sechzig Angreifern ergoss sich aus den Baumreihen. Sie strömten in wechselnden Positionen auf die wartenden Trucks zu und feuerten dabei ihre Waffen ab. Das, und die Tatsache, dass sie dabei lautstark lachten, erhöhte ihre Treffsicherheit nicht besonders. Die Soldaten konnten sich fast sofort wieder fangen und ihr Gegenfeuer war alles andere als unpräzise.

      Nach mehreren Monaten fortwährender Auseinandersetzungen mit den Crazies waren die Soldaten der 10ten und der Pennsylvania Army National Guard kampferprobt und wussten, was sie erwartete. Ihr Verteidigungsfeuer war zwar nicht annähernd so überraschend wie das der angreifenden Horde, dafür aber war es diszipliniert und konzentriert. Ein Klown nach dem anderen fiel in einem Umkreis von dreißig Metern zur Baumlinie.

      Und dann brüllte der Motor des Stryker auf, als das bewaffnete, achträdrige Fahrzeug auf die Lichtung vordrang. Die auf einer Kuppel montierte GAU-19 ließ tosend ihr elektrisches Lied erklingen und schickte dabei rasend schnell Hunderte .50mm-Geschosse auf den Weg.

      Die Klowns explodierten förmlich beim Angriff einer so mächtigen Waffe, wurden, als die schweren Geschosse ohne Unterlass ihre Ziele zerschnitten, in bloße Haufen zermalmter, blutiger Materie zerfetzt. Die Angreifer wurden in weniger als dreißig Sekunden niedergemetzelt, und das Einzige, was sie danach noch zu machen hatten, war, die Toten von den Sterbenden zu unterscheiden.