Gesammelte Werke (Über 800 Titel in einem Band). Joachim Ringelnatz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joachim Ringelnatz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027203697
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es schien, daß wir keinen Eingeborenen gewinnen würden, beschlossen wir, bei unserem ersten Urlaub zu entweichen.

      Ich delektierte mich an einer Menge Bananen. Auch Mangos hatte man mir gebracht, große Früchte, einer Eierpflaume nicht unähnlich, die merkwürdiger-, aber höchst angenehmerweise unter anderem auch nach Terpentin schmecken.

      Umsonst lieferten die Schwarzen diese Naturerzeugnisse übrigens nicht, sondern sie ließen sich mit Geld, Kleidungsstücken, Schnaps und dergleichen recht vorteilhaft bezahlen. Und wir gaben alles hin, was nur einigermaßen entbehrlich.

      Denn was nützt dem Seemann das Geld,

      Wenn's ihm schließlich ins Wasser fällt. –

      Der Koch gab sogar den Stolz seiner seemännischen Ausrüstung, ein Paar ideale, fettüberhauchte Seestiefel für sechs Schilling und diese sechs Schilling dann für Bananen, Ananas und so weiter hin. Am dritten Belizer Tag ungefähr kam ein Dutzend Leichterboote heran mit der neuen Ladung für die »Elli«. Es sah reizend aus, wie diese großen Segelboote in toller Wettfahrt – denn jedes wollte zuerst seine Ladung loswerden – auf uns zuschossen und, erst zehn Meter vor uns scharf beidrehend, das Segel laut klappernd fallen ließen. Sie brachten große Stücke Farbholz, die nach Europa bestimmt waren.

      Nachdem die Fahrzeuge an der Schiffswand gut befestigt waren, hängten wir zwei Stellings über die Reling, auf die sich je zwei Matrosen von uns stellten. Dann begann das Einladen des Blauholzes ungefähr in folgender Weise: Die Neger im Boot reichten die schweren Hölzer den beiden Leuten auf der untersten Stelling. Diese gaben sie denen auf der obersten Stelling. Dann wurden sie von zwei an Deck stehenden Matrosen abgenommen und auf eine vor der Luke aufgestellte Waage gelegt, die vom Steuermann und dem schwarzen Stewidor kontrolliert wurde. War dann eine Tonne zusammengekommen, so wurde das Holz in den Schiffsraum hinuntergeworfen, wo muskulöse, nackte Neger es kunstgerecht verstauten.

      Die Stücke waren sehr schwer, und es war anstrengend, damit zu hantieren, zumal Steuermann und Bootsmann unaufhörlich zur Eile antrieben. Außerdem war das Holz sehr splittrig, und da es färbte, waren unsere Arme in kurzer Zeit über und über blau.

      Man hatte uns vor Skorpionen und anderen gefährlichen Tieren gewarnt, die in der Tat massenhaft in dem Blauholz vorkamen. Es gelang mir gleich anfangs, einen Skorpion zu fangen, den ich in Spiritus aufbewahren wollte. Da ich keinen Spiritus besaß, bat ich Kapitän Pommer um etwas Kognak.

      Der traute mir aber betreffs der Verwendung des Schnapses nicht recht und zog es deshalb vor, das Tier selbst in Kognak zu setzen und es mir bis zum Ende der Reise aufzubewahren.

      Währenddessen vergaß ich nicht, das Feuer der Unzufriedenheit im Gemüt des Kochs zur lodernden Flamme zu schüren.

      6. Kapitel: Amerika und kein Urlaub

       Inhaltsverzeichnis

      Willy und der Matrose hatten sich Landerlaubnis geholt, und ich hoffte ebenfalls darauf, fragte aber erst am nächsten Tag, als auch Bootsmann und Steuermann Urlaub erhielten, ob ich etwas Vorschuß bekommen könne.

      »Wieviel Dollar willst du?« fuhr mich der Alte barsch an, und als ich bemerkte, daß ich nur wenig brauche, um etwas für meine Eltern zu kaufen, erklärte er mir auf einmal, ich würde überhaupt nicht an Land kommen, weil ich in mein Tagebuch geschrieben hätte, daß ich in Belize ausreißen wolle. Er hatte also wieder in meinem Tagebuch geblättert. Es traf mich wie ein harter Schlag, daß ich nun gar nicht das verlockende Land, das vor mir lag, kennenlernen sollte, worauf ich mich seit Anbeginn der Reise sehnlichst gefreut hatte. Dann gab mir noch der Koch zu verstehen, daß er sich anders besonnen habe und doch lieber an Bord bleiben und die Rückreise auf der »Elli« mitmachen wolle. Da wurde ich so erbittert über die Feigherzigkeit meiner Umgebung und die rohe Gewalt, mit der man mich festhielt und behandelte, daß ich in Tränen der Wut ausbrach.

      Ich ließ mich nun aber erst recht nicht von meinem Gedanken abbringen und beschloß, einen geeigneten Zeitpunkt abzuwarten, um allein das Weite zu suchen. Den Leichtmatrosen Hermann, der ein guter Junge war, weihte ich in meine Pläne ein. Er mußte mir ehrenwörtlich versprechen, mich nicht zu verraten.

      Am nächsten Morgen fragte ich, diesmal den Steuermann, ob ich mit dem Koch an Land dürfe. Er antwortete: Ich käme nicht an Land, könne aber mit ihm und den Matrosen Paul und Gustav eine Bootstour nach den Inselgruppen machen. Ich ließ meine Enttäuschung nicht merken und nahm das Anerbieten an.

      Wir stiegen ins Boot und ruderten den kleinen Inseln zu, die vor uns lagen. Die Ruder waren sehr schwer. Ich war das nicht gewöhnt und hatte Mühe, mit Paul und Gustav im Takt zu bleiben. Das Wasser war stellenweise ganz flach, und wir sahen auf dem Grunde große Krabben laufen, die ich mit der Hand herausfischte. Mehrmals saß das Boot fest. Dann mußten wir ins Wasser springen, um es wieder flott zu machen. Von der nahen Küste herüber klang ein lautes Summen und Brummen, das von zahllosen Insekten herrührte, aber so stark war, daß es an das Brausen eines Wehrs erinnerte. In einen Fluß, oder in einen schmalen, in das Land hineingestreckten Meeresarm einbiegend, erblickten wir am Ufer zwei Negerweiber, von denen die eine der andern die Haare schor, häßliche alte Hexen. Gleich darauf aber wurden wir durch einen reizvollen Anblick entschädigt. In einem Kanu, das in der Nähe eines Blockhäuschens am Strande befestigt war, kauerte eine wunderschöne, junge Kreolin, nur mit einem dünnen Hemd bekleidet. Von herrlichem Körperbau, mit stahlblauen, glänzenden Haaren, bot sie inmitten der wilden Waldlandschaft ein entzückendes Bild.

      In dem engen Gewässer mußten wir dicht an dem Kanu vorüber, und unwillkürlich ließen wir dabei, wie auf Kommando, alle die Ruder sinken. Das junge, braune Mädchen blieb unbeweglich in ihrer graziösen Stellung an der Spitze des leichten Fahrzeuges. Ich sehe noch heute, wie ihre melancholischen Augen uns folgten. Sicherlich hatte sie auf uns alle den gleichen Reiz ausgeübt, denn wir fanden ziemlich spät erst Worte der Begrüßung. Sie aber erwiderte in freundlichem Ton irgend etwas, und als ich mich über die kleinen Krabben wunderte, die zu Hunderten auf einem dem Kanu zum Schutz dienenden Balken umherkrabbelten, reichte mir das schöne Kreolenmädchen ein eigentümlich geformtes Messer herüber, mit dem ich die Tiere fangen sollte.

      Wir mußten weiterfahren. Am Ufer bemerkten wir einen Haufen großer Muscheln. Das war etwas für mich! Als ich aber ins Wasser sprang und mir etwas von dem Schatz holen wollte, fand ich, daß die Muscheln alle angeschlagen waren. Später schenkte uns ein Neger, den wir trafen, zwei gut erhaltene Exemplare und warf uns auch einige Mangos ins Boot, die wir uns vortrefflich schmecken ließen.

      Die Wasserstraße verengte sich immer mehr, so daß wir öfters mit den Riemen im dichten Buschwerk zu beiden Seiten hängenblieben. Einen Balken, der uns den Weg versperrte, mußten wir mühevoll beseitigen. Wir drangen aber weiter vorwärts. Einmal stiegen wir auch an Land, ohne uns allerdings weit vom Boot zu entfernen.

      Unzählige Moskitos umschwirrten und zerstachen uns. Zum erstenmal sah ich hier Palmen mit Kokusnüssen, Gummibäume und viele andere mir zum Teil ganz unbekannte Gewächse in freier Natur. Ich dachte wieder an Flucht, aber der Steuermann mochte das wohl ahnen, denn er behielt mich unausgesetzt im Auge.

      Als wir eben vom Lande wieder abgestoßen waren, sah ich ein großes Tier vor mir in die Höhe schießen. »Ein Krokodil!« »Ein Alligator!« riefen wir wie aus einem Munde. Das Tier schoß mit fabelhafter Geschwindigkeit an der Oberfläche des Wassers dahin, hinter sich eine breite Furche aufgewühlten Schlammes nachziehend. Wir verfolgten es, aus Leibeskräften rudernd, und der Steuermann stand mit dem spitzen Bootsanker am Bug des Bootes bereit, um das Tier zu harpunieren.

      Aber schon war es in einem dichten Gestrüpp verschwunden.

      Wir bogen in einen kleinen Nebenfluß ein, an dessen Ufern sich eine seltsame Baumart mit grünem Holz und grellroten Blättern zeigte. Drei etwa 15jährige schwarze Bengels zogen ihre Hemden aus, sprangen ins Wasser und umschwammen lachend unser Boot. Auch schwarze Mädchen und Frauen zeigten sich, einige davon grundhäßlich, andere wieder in moderner, aufgedonnerter Kleidung, höchst komisch. Nach unserer Rückkehr barg ich vor allen Dingen sorgfältig meine