Wohlan denn, rief Alwin; ich bin mit Dir.
Ein Paar Hundert Mann hab' ich zusammen, sagte Adalbert. Du mußt wenigstens eben so Viele haben. Wir werden einen stattlichen Haufen ausmachen.
Und Balderich? fragte Alwin.
Er schickt Dir einen Gruß, antwortete Adalbert, vielleicht den letzten. Der alte Mann ist sehr schwer verwundet. Ich mag Dir nicht ausrichten, was er mir an Dich aufgetragen hat, oder verlangst Du's?
Ach nein, sagte Alwin. Seine guten Wünsche haben mir schon früher das Herz beschwert. Laß sie nun nicht zugleich mit der Nachricht seines Todes drauf lasten.
Bist Du sicher, daß Dir die Burschen alle folgen, die dort an den Feuern herumwanken? fragte Adalbert.
Die Mehrsten, denke ich, thun's, antwortete Alwin. Und an dem was nicht folgen will, ist auch nichts verloren.
Du hast wohl Recht, sagte sein Freund. Wenige und Gute, das ist die Losung, wenn man einen Heerhaufen zu Siegen führen will, und nicht zur Plünderung.
Mit dem anbrechenden Morgen zogen die beiden vereinigten Schaaren ihres Weges.
Funfzehntes Kapitel
Durch Deutschland auf und ab, seinen Flüssen nach und entgegen, über Gebirge und Ebnen, vorbei an Städten und Burgen ging der beiden Freunde rastloser Lauf. Der übrige Theil des Sommers verstrich damit, und sie hatten immer den Mannsfeld noch nicht angetroffen. Im Uebrigen siegten sie, und wurden besiegt, wie es sich eben traf, so doch im Ganzen, daß man Vortheile genug davon gewann, und die Reiter mit ihren beiden Hauptleuten sehr zufrieden waren. Wir sind auf dem unrechten Wege, sagte Adalbert mehrmals. So erringen wir nichts, vielmehr sinken wir zu der Klasse waghalsiger Lanzknechte herab. Was sollen wir denn sonst? pflegte wohl Alwin zu fragen, wir sind ja doch nichts anders, als Lanzknechte von etwas vornehmer Art; und Adalbert verlor sich dann in angestrengtes Nachsinnen, und tröstete seinen Freund nachher mit irgend einem aufmunternden Worte.
Sie hatten sich einstmals auf einem anmuthigen Anger gelagert, in der Gegend wo Rhein und Mosel zusammenströmen. Ein süßer Friede schwebte über der ganzen Flur, es hauchte würzig aus den Obstgärten empor, Winzer und Winzerinnen trieben mit der Weinlese ihr fröhliches Spiel.
Giebt's wohl was Schön'res, Alwin? fragte Adalbert. Möchte man hier nicht Hütten bauen?
Wer hier welche gebaut hat, ist recht glücklich, antwortete dieser; wenn er hier geboren ist und erzogen, noch glücklicher. Ich tauschte das Alles nicht um die wilde Harzgegend, d'rin ich zu Haus bin. Laß uns doch einmal dahin ziehn, wenn es Deinen größern Planen nicht im Wege ist.
Jetzt gleich, sagte Adalbert, wenn Du Lust hast. Beide vereinigten sich bald über die nähern Bestimmungen, und zwei, drei Wochen später war man schon mitten im nördlichen Deutschland, an des Harzgebürges Fuß.
Alwin fühlte sich wie von einem neuen Leben angefrischt. Er beschaute Bäume, Dörfer, Bauern, Wiesen, Heerden wie alte Bekannte. Jeder Gruß klang, als fange er ein erquickliches, gerngehörtes Mährchen an, Mond und Sonne schauten vertraulich drein.
Die Schaar lagerte sich einst in einem Buchenwalde, welcher noch grün genug aussah, nur daß eben der Herbst einige gelbe Blätter auf und unter die Zweige verstreut hatte, wie Bothen, die sein stilles, feierliches Thun im Voraus anzeigen sollten.
Eine lebhafte Lust zum Gesang erwachte in Alwin's Gemüth. Er sing an:
Heimath, freundliche Heimath!
Du mit Deinen wohlbekannten
Gastlichen Dächern,
Wohlbekannten
Wärmenden Feuern,
Labenden Tischen,
Leuchtenden Lampen,
Heimath, freundliche Heimath sei gegrüßt!
Lagern mich in Deinen Betten,
Baden mich in Deiner Fluth,
Deine Blumen dreh'n zu Ketten,
Tanz begehn in Deiner Huth,
Welch ein Glück vor allen Andern!
Welch ein herrlich, labend Loos!
Wenn vorbei mir Fremde wandern,
Ich nun lieg' im Mutterschooß.
Er hatte noch kaum die letzten Worte beendigt, als eine Stimme durchs Gezweige klang, folgendermaaßen antwortend:
Ferne, lockende Ferne!
Du mit Deinen unbekannten,
Seltsamen Dächern,
Unbekannten
Irrenden Feuern,
Glänzenden Tischen,
Magischen Lampen,
Ferne, lockende Ferne, sei gegrüßt!
Wovon schwellen Deine Betten?
Wovon schäumt wohl Deine Fluth?
Golden sind der Liebe Ketten,
Immer wechselnd ihre Huth.
Welch ein Glück vor allen Andern!
Welch ein herrlich, labend Loos!
Immer neu erregtes Wandern,
Immer neuer Minne Schooß!
Ein freundlicher Mann trat aus dem Walde hervor, und setzte sich unbefangen zwischen die beiden Krieger. Verzeiht, sagte er, daß ich Euch die Antistrophe so ungerufen entgegen sang. Es war ein hübsches, waldlustiges Lied, und ich konnte nicht umhin, das Echo zu spielen, nebenbei auch meine Liebhaberei, das Reisen, in Schutz zu nehmen. Ihr wart doch wohl der Sänger? Und dabei wandte er sich zu Alwin, und schaute ihm mit großen, lichtklaren Augen, wie in den innersten Grund des Lebens hinein.
Die jungen Hauptleute luden ihn vertraulich zum Mahle. Der Wein entsiegelte Aller Lippen, es ward noch vielgesungen und gelacht. Adalbert und Alwin hatten nach Soldatenmanier bald keine Geheimnisse mehr vor ihrem Gast, und dieser sagte:
Ich hätte eigentlich noch länger als Echo versteckt bleiben sollen, um immer mehr hübsche Lieder von dem freudigen Alwin herauszulocken, aber freilich wär' mir auch dann von Euerm guten Weine nichts zu Theil geworden, und da ich mich nun einmal personnifizirt habe, so will ich Euch auch noch vollends sagen, daß ich Reimund heiße, und ein Sänger bin, der singend in der Welt umherzieht, jetzt eben mit Leib und Seele, sonst nur mit Liedern, die Andre von mir lernen und Andern wieder lehren.
Die beiden Freunde kannten seinen Namen, und freuten sich, einen so berühmten Meister in ihrer Mitte zu sehn. Gegen Abend kamen Reimunds Leute, um ihn zur weitern Reise abzuhohlen. Man nahm herzlichen Abschied; noch fernher sang der Dichter:
Ferne, lockende Ferne!
und Alwin entgegnete:
Heimath! freundliche Heimath!
Sechszehntes Kapitel
Nicht