Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué. Friedrich de La Motte Fouque. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Friedrich de La Motte Fouque
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027207022
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Alles jubelte und sang, Alinen's Wagen fuhr beständig in der Mitte des Zuges; sie sprach oft und gütig mit den vorbeisprengenden Kriegern, nur Alwin sah sich wie verbannt aus dem Kreise dieser lebenden Strahlen. Er fühlte es wohl, daß er selbst die Veranlassung dazu gegeben hatte, durch sein unartiges Nichtbemerken an jenem ersten Abend, redete sich aber ein: dies sei die rechte, männliche Festigkeit, und er verfahre so, wegen seiner treuen Freundschaft zu Anselmo. In den kleinen Städten, worin sie jetzt mehrentheils Nachtquartier nahmen, feierte Balderich zu Ehren des geliebten Töchterleins an jedem Abend ein Fest, wozu er alle bedeutendere Kriegsleute einlud. Alwin konnte daher nicht ausbleiben, und hätte es eigentlich auch ungern gethan: fand er doch all' seine Lust und all' sein Leid in Alinens himmlischen Augen, und konnte sich mit rechter Wonne in seinen Jammer versenken, wenn er die schöne Frau mit Andern freundlich reden sah, ihre unendliche Lieblichkeit und Grazie in jeder Bewegung, immer zaubrischer das Lächeln des feinen, rosigen Mundes.

      So waren mehrere Tage hingegangen; am Abende des letztern, den Aline unter dem Schutze des kleinen Heeres gereist war, hielt Balderich ein vorzüglich glänzendes Abschiedsfest. Die Königinn desselben war schöner als je, Tanz und Freude hatte ihre Reize erhöht, und Alwin bemerkte, daß auch auf ihn ein gütiger Blick gefallen war. Zitternd näherte er sich ihrem Stuhle, und sagte: dürfte ich mir auf ein Paar Worte Gehör erbitten?

      Recht gern, lieber Alwin, antwortete sie freundlich. Aber wir haben wohl mehr mit einander zu besprechen, als es der flüchtige Augenblick gestattet, Ihr seltsamer Mensch. Ich werde es zu machen wissen, daß wir bei Tisch nebeneinander sitzen.

      Es geschah, wie sie gesagt hatte. Mit einer zierlichen Wendung rief sie Alwin beim Mahle neben sich, seiner Thaten in den vergangnen Treffen gedenkend, und er saß der lieblichen, langersehnten Gestalt zur Seite, in trunknes Anschauen verloren, von süßer Verlegenheit gebunden, während Wein und Speisen im üppigen Gemisch um die Tafel kreisten, und Gäste in vollen Zügen der dargebotnen Lust genossen.

      Ich habe mich so lange darnach gesehnt, mit Euch zu reden, fing er endlich leisen Tones an, und nun weiß ich nichts, gar nichts, als daß ich thöricht gewesen bin, und Euch demüthig um Vergebung bitten muß.

      Ihr habt mich wohl ganz verkannt? fragte Aline.

      Nicht das, erwiederte er, denn von meinen tollen Verstandes-Spekulationen kann gar nicht die Rede sein. Sie waren nur trübe Regenblasen, die den klaren Spiegel meines Innern trübten. Euer Bild leuchtet drin wieder, nah, in voller Herrlichkeit und Gegenwart, da verschwimmt jegliche stöhrende Welle, die ganze Fluth ringt nur, aufzufassen was ihr geboten wird, und freut sich still und klar des Abglanzes ihrer Sonne.

      Ihr meint es gewiß so, sagte Aline, denn Ihr seid ein guter, ehrlicher Mensch, aber ich reise Morgen, und die Abwesenheit könnte wieder dunkle Schleier vor das Licht ziehn, welches Ihr jetzt Eure Sonne nennt. Ihr müßt wenigstens etwas von den Gründen meines Betragens hören. Ihr müßt, wiederhohlte sie, als Alwin einen Versuch machen wollte, ihre Rede zu unterbrechen; ich will es so. Und der Jüngling saß lauschend und regungslos neben ihr:

      Anselmo hat mich geliebt, fuhr sie fort, ich glaub' es, weil ich gutmüthig genug dazu bin. Sonst möcht' ich ehr denken, er habe mich hübsch genug gefunden, um die Zeit in meiner Anbetung zu vertändeln. Heißt doch nur das nicht Treue, Ihr Männer, wenn Ihr ein Mädchen heirathet, weil Ihr nun einmal Euer Wort gegeben habt, und keine Schlechtigkeit begehn wollt. Nein! nein! Die Treue ist mit der Liebe unveränderlich Eins. Wo diese verbleicht, hat auch jene schon ihre heiligsten Bande gelöst. So stand es mit Anselmo. Er freute sich vielleicht darauf, mich künftig einmal zum Altare zu führen, aber bis dahin sollte noch manches fremde Ergötzen durch seinen Sinn ziehn. Bothschaften hat er mir gesandt, aber flüchtige, mit drei Zeilen abgefertigt, aber noch lieber, mit einem mündlichen Gruße, wohl gar unversiegelten Lippen anvertraut. Ich fühlte unser Band gelöst, ein edler, trefflicher Mensch warb um mich, und ich ward sein.

      Alwin seufzte tief und schmerzlich. Könnt Ihr mich tadeln? fragte Aline.

      Nein, sagte er, aber daß Ihr nicht mehr Anselmo's wart, nicht als wir Abschied nahmen, und nun einem Andern gehört! Ich Unseeliger!

      Aline sah ihn staunend an. Verachtet mich nicht, scheltet mich nicht, fuhr er fort, wenn ich das tiefste Geheimniß meines Herzens über die Lippen strömen lasse. Kein reineres Geständniß hat je ein Beichtstuhl empfangen, keins freier von Hoffnung auf das ersehnte Heil. Er schwieg einen Augenblick, und sagte dann mit leiser Stimme: ich liebe Euch unaussprechlich, Aline.

      Sie sah ihn hold und mitleidig an, und erwiederte: ich nehme Euer Geständniß, wie Ihrs gebt. Es bleibt verschwiegen in meinem Sinn, und auch Euch lege ich auf, daß Ihr es nicht mehr über die Zunge bringt.

      Wie Ihr wollt, und was Ihr wollt, sagte Alwin. Die heilige Gluth soll still und fromm an diesem äußern Wesen zehren. Nur Eins noch, nur das Eine! Hättet Ihr mich lieben können, wenn nichts Andres in meinen Weg getreten wär?

      Darauf giebt es eigentlich keine Antwort, erwiederte Aline. So ist es wie es ist, und hat eben nicht anders sein können. Aber ich kenne kein Gefühl für Euch, als herzliches, schwesterliches Wohlwollen.

      O, Ihr feindlichen Klingen, rief Alwin aus, was traft Ihr so schlecht!

      Ruhe, lieber Freund, sagte Aline, und gab ihm die Hand. Ist das Eure fromme, uneigennützige Beichte?

      Ich ergebe mich schon, antwortete dieser, aber um Gotteswillen, werdet nie anders gegen mich, nie etwa so fremd und höflich und zurückhaltend, wie gegen Einen, den man zum ersten Mal sieht. Es wär' mein Tod.

      Aline konnte nichts erwiedern, denn Thorwald trat eben hinter ihren Stuhl, und erzählte, wie er ihre Reise auf Morgen angeordnet habe. Seine Berichte waren höchst umständlich, er ward dem jungen Manne wieder eben so fatal, als an dem Abend, wo er zuerst in Rudolphs Bergschloß trat, und die Geschichte vom jungen Kunrath mit seinen Wegerkundigungen unterbrach.

      Das Mahl ward aufgehoben, und man ging auseinander, ohne daß Alwin einen ungestörten Augenblick gewinnen konnte, um Abschied von der Geliebten zu nehmen.

       Inhaltsverzeichnis

      Auf dem stillen, freudenlosen Marsche, welchen die Schaaren am Morgen von Alinen's Abreise zurücklegten, theilte Alwin seinem Freunde Adalbert mit, was ihm am vorigen Abend begegnet war.

      Ich habe nie etwas Bessres von dem Augenblicke erwartet, wo ich ihr meine Liebe bekennen würde, so schloß er die Erzählung, und mußte doch mit der innigsten Sehnsucht drauf harren. Die Phantasie hat mich auch gar nicht betrogen; es war Alles so schön, so göttlich, kann ich wohl sagen, als ich es je in Visionen gesehn hatte,. aber nun es vorbei gezogen ist, hat das Leben seine Farbe verloren. Ich begreife jetzt, warum man durch kühne Blicke in die Sonne geblendet wird. Verstehst Du mich nicht, Adalbert? Du siehst mich so fragend an. Ich kann Dir das nicht besser aussprechen, als in folgendem Liede.

      Hell ist im Leben

       Frühe die Bahn;

       Hoffnungen schweben

       Golden voran.

       Zauberisch mahlen

       Glänzende Strahlen

       Rings Dir den weiten, entblühenden Plan.

      Ahnung erwecket

       Lieb' in der Brust;

       Oefters wohl necket

       Täuschende Lust,

       Nie doch verzagend

       Ringest Du wagend,

       Bist Dir der höhern Verheißung bewußt.

      Bis nun die Stunde

       Wirklich erscheint

       Schmerzender Wunde

       Wonne sich eint,

       Himmel sich neigen,

       Hold Dir und eigen,

       Und Dich die Freude zu halten