»Schon gut …! Schon gut!« fiel ihm Doniphan ins Wort, der solche Ermahnungen nicht liebte, vorzüglich wenn sie von Briant ausgingen. »Wir nehmen nicht zum ersten Mal ein Gewehr in die Hand und brauchen keine guten Ratschläge.«
Nach Verlauf einer Stunde meldete Moko, dass das Frühstück fertig sei. Alle begaben sich eilig wieder an Bord des Schoners und nahmen im Speisesalon Platz. Bei der Lage der Yacht neigte sich die Tafel sehr merklich nach Backbord. Das belästigte jedoch die Kinder nicht, welche die Bewegungen des Schiffes schon gewöhnt waren. Die Schalentiere, vorzüglich die Miesmuscheln, wurden vortrefflich befunden, obwohl ihre Zubereitung zu wünschen übrig ließ. In diesem Alter ist der Hunger aber ja stets der beste Koch. Schiffszwieback, ein tüchtiges Stück Corned beef und frisches Wasser, geschöpft an der Mündung des Rios zurzeit der Ebbe, wo es also keinen Salzgeschmack haben konnte, und gewürzt mit wenigen Tropfen Brandy — das alles bildete zusammen eine gar nicht zu verachtende Mahlzeit.
Der Nachmittag wurde verschiedenen Aufräumungsarbeiten im Schiffsraume und der Ordnung der inventarisierten Gegenstände gewidmet. Währenddessen beschäftigte sich Jenkins nebst einigen kleinen Genossen mit dem Angeln im Flusse, der von Fischen mancherlei Art geradezu wimmelte. Nach dem Abendessen aber begaben sich alle zur Ruhe, mit Ausnahme Baxters und Wilcox’, welche bis Tagesanbruch die Wache übernahmen.
So verging die erste Nacht auf diesem Erdenwinkel des Stillen Ozeans.
Alles in allem sahen sich diese Knaben nicht von den Hilfsquellen entblößt, welche Schiffbrüchigen an öden Küsten so häufig mangeln. Unter den Verhältnissen, in welchen sie sich befanden, hätten arbeitsfähige und umsichtige Männer alle Aussicht gehabt, ihre Lage ganz erträglich zu gestalten. Würden diese Knaben aber, deren ältester vierzehn Jahre zählte, wenn es ihnen bestimmt war, lange Jahre unter solchen Verhältnissen auszuharren, es auch vermögen, sich alle Lebensbedürfnisse zu beschaffen …? Das ist wohl einigermaßen zu bezweifeln.
1 Ein Sturmglas, auch FitzRoy-Sturmglas (nach dem Admiral Robert FitzRoy) oder Campherglas, ist ein mit Wasser, Ethanol, Campher, Kaliumnitrat und Ammoniumchlorid gefülltes Glasrohr, in dem gelegentlich Kristalle in unterschiedlichen Formen wachsen und sich wieder auflösen. Es wird behauptet, dass diese Veränderungen Stürme oder Schlechtwetterfronten ankündigen, jedoch konnte eine solche Eignung zur Wettervorhersage wissenschaftliche nicht bestätigen werden. (WIKIPEDIA) <<<
Fünftes Kapitel
Insel oder Festland? — Ein Ausflug. — Briant zieht allein aus. — Die Amphibien. — Scharen von Plattfischen. — Frühstück. — Von der Höhe des Vorgebirges. — Die drei Eilande im offenen Meer. — Eine blaue Linie am Horizont. — Rückkehr zum »Sloughi«.
———
Insel oder Festland? — Das blieb noch immer die wichtige Frage, mit der sich Briant, Gordon und Doniphan, ihrem Charakter und ihrer Intelligenz nach die natürlichen Häupter dieser kleinen Welt, unausgesetzt beschäftigten. Bei dem Gedanken an die Zukunft, während die Kleinen nur der Gegenwart lebten, sprachen sie sehr oft über diesen Gegenstand. Ob dieses Land aber einer Insel oder einem Kontinent angehörte, jedenfalls lag es nicht innerhalb der Tropenzone; das bewies seine Pflanzenwelt, der Bestand an Eichen, Buchen, Birken, Weiden, Fichten und Tannen verschiedener Art, das zeigte sich an den zahlreichen Myrtaceen oder Steinbrecharten, welche als Bäume oder Gebüsche im mittleren Teil des Stillen Ozeans nicht vorkommen. Es schien sogar, als liege dieses Gebiet in etwas höherer Breite, also näher dem Südpol, als Neuseeland, weshalb zu befürchten war, dass der Winter hier mit großer Strenge auftreten würde. Schon bedeckte eine dicke Lage welker Blätter den Boden der Gehölze, die sich am Fuße des Steilufers hinzogen. Nur die Tannen und Fichten hatten ihren Nadelschmuck bewahrt, der sich von Jahr zu Jahr erneuerte, ohne jemals ganz abzufallen.
»Aus diesem Grunde«, bemerkte Gordon am nächsten Tage nach der Festlegung des »Sloughi« auf dem Strand, »erscheint es mir ratsam, dass wir uns nicht endgültig auf diesem Teil der Küste ansiedeln.«
»Das mein ich auch«, ließ Doniphan sich vernehmen. »Doch wenn wir die schlechte Jahreszeit herankommen lassen, wird es zu spät sein, einen bewohnten Ort aufzusuchen, wenigstens wenn wir Hunderte von Meilen bis dahin zurückzulegen haben.«
»Geduld, Geduld!« erwiderte Briant. »Noch sind wir erst in der Mitte des März!«
»Nun«, entgegnete Doniphan, »die gute Witterung mag bis Ende April dauern, und binnen sechs Wochen ist ein gutes Stück Wegs zu überwinden.«
»Vorausgesetzt, dass es überhaupt einen Weg gibt«, meinte Briant.
»Und warum sollte es keinen geben?«
»Natürlich«, fiel Gordon ein. »Doch wenn es einen gibt, wissen wir auch, wohin er führen wird?«
»Ich sehe nur das eine«, erwiderte Doniphan, »dass es eine große Torheit wäre, vor Eintritt der Kälte und der Regenzeit den Schoner nicht verlassen zu haben, und schon aus diesem Grund darf man nicht bei jedem Schritt neue Schwierigkeiten wittern.«
»Es ist stets besser, diese scharf ins Auge zu fassen«, versetzte Briant, »als sich gleich Narren in ein Land hineinzuwagen, das man nicht kennt.«
»Und es ist sehr leicht«, erklärte Doniphan herausfordernd, »diejenigen Narren zu nennen, welche nicht eurer Ansicht sind!«
Vielleicht hätte diese Antwort Doniphans wieder scharfe Gegenreden seines Kameraden hervorgerufen und das Gespräch in eine Zänkerei ausarten lassen, da trat Gordon vermittelnd dazwischen.
»Es nützt nichts, miteinander zu streiten«, sagte er, »und um sich in schlimmer Lage zu helfen, gilt es zuerst sich zu verständigen. Doniphan hat damit recht, zu sagen, dass wir, wenn ein bewohntes Land in unserer Nachbarschaft liegt, ungesäumt dahin aufbrechen sollten. Ist das aber anzunehmen? antwortet dagegen Briant, und er hat nicht unrecht, so zu antworten.«
»Was, zum Teufel!« rief Doniphan hitziger. »Sieh, Gordon, wenn wir nach Norden hinaufziehen, nach Süden hinunterwandern, wenn wir uns nach Osten hinwenden, so müssen wir schließlich ans