Zwischen Eis und Feuer. Jón Svensson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jón Svensson
Издательство: Bookwire
Серия: Nonni
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711445761
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ohne die geringste Gefahr ganz allein antreten. Nur auf den gefährlichsten Strecken wollte ich einen Führer nehmen.

      Von Bezahlung für die Dienste, die man uns erwies, war fast nie die Rede. Einmal liessen wir bei einem Goldschmied einen kleinen Gegenstand reinigen und herrichten; als wir bezahlen wollten, erhielten wir die gewöhnliche Antwort:

      „Ach, für so eine Kleinigkeit nehme ich kein Geld.“

      Ein anderes Mal ruderten uns zwei Knaben zu einem Dampfer weit draussen im Hafen und wieder zurück, und als wir sie fragten, was wir schuldig seien, erklärten sie bestimmt:

      „Nichts.“

      Es war, als hielten es die Leute für eine Herabwürdigung ihrer selbst, wenn sie für solche Dinge Geld nähmen.

      Kurz bevor wir Reykjavik verliessen, kam der kleine Hotelkellner, der mir oft Auskunft über die Sehenswürdigkeiten der Stadt gab, eines Nachmittags auf mein Zimmer gestürmt und rief voll Eifer:

      „Haben Sie auch schon Thorwaldsens Gabe an Island gesehen: den Taufstein in der Domkirche?“

      „Nein, das habe ich noch nicht, kleiner Freund.“

      „O, den müssen Sie aber dann unbedingt sehen! Thorwaldsen hat ihn selbst aus dem feinsten Marmor gemacht und hat ihn von Rom hierhergeschickt!“

      Ich ging also in die Domkirche und bewunderte das feine Kunstwerk, das im Chor gerade vor dem Altar aufgestellt ist. Es trägt folgende Inschrift, die Thorwaldsen selber in den weissen Marmor eingehauen hat:

      Opus hoc Romae fecit, et Islandiae, terrae sibi gentilitiae, pietatis causa donavit Albertus Thorvaldsen, Anno MDCCCXXVII.

      Das heisst:

      „Dieses Werk hat Bertel Thorwaldsen in Rom ausgeführt und es als Zeichen seiner Liebe Island, seiner Heimat, geschenkt im Jahre 1827.“

      Die Inschrift zeigt, dass Thorwaldsen mitten in seiner Berühmtheit drunten in Rom nicht das Land vergessen hat, aus dem er von väterlicher Seite stammt. — Sein Vater war nämlich der Isländer Gottskalk Thorvaldsson, seine Mutter war eine Dänin.

      6. Die grosse Reise nach dem Nordland wird vorbereitet

      Auf Island musste man sich vor einigen Jahrzehnten, da wir unsere Reise machten, noch ausrüsten, als ginge es in eine Wüste. Es mussten da nicht nur die grossen Entfernungen in Betracht gezogen werden — Island ist nämlich bedeutend grösser als Irland, es ist fast so gross wie Bayern, Sachsen und Württemberg zusammengenommen —, sondern man musste auch mit den einfachen Beförderungsmitteln rechnen. Man kannte damals in Island kaum Wagen, denn man ist dort seit uralter Zeit immer zu Pferd gereist.

      Weiterhin war zu bedenken:

      Sobald man Reykjavik verliess, befand man sich gleichsam mit einem Male ausserhalb der ganzen Zivilisation: da gab es keine Hotels mehr, keine Wegweiser, meistens auch keine eigentlichen Wege, oft nicht einmal eine Spur von Fusspfaden, und über die Flüsse führten, von einigen wenigen abgesehen, keine Brücken.

      Ein wahres Wunderland für unternehmungslustige Menschen und für Dichter!

      Dazu kam die über alle Massen wilde Landschaft. Im Innern des Landes finden sich ja die grössten Lavafelder der Erde, und wie diese aussehen, davon kann sich nur eine Vorstellung machen, wer sie gesehen hat. Der Weg windet sich da oft geradezu durch einen Urwald rauher Lavablöcke von ungeheurer Grösse, die besonders des Nachts oder im Nebel die tollsten gespenstischen Formen annehmen: die einen liegen, andere stehen auf der Kante, andere wieder gleichen schiefen Türmen, die jeden Augenblick auf die Reisenden herabzustürzen drohen.

      Und dann die mächtigen Berge, Jökulls und Vulkane, die man ständig um sich hat! Der höchste Vulkan der Insel, der Öraefajökull, ist 2000 Fuss höher als Schottlands höchster Berg, der Ben Nevis!

      Man wird verstehen, dass zur Reise durch ein solches Land aussergewöhnliche Vorbereitungen gehören.

      Das erste, was wir uns besorgen mussten, waren drei Pferde: zwei Reitpferde und ein Pack- oder Lastpferd zum Tragen unseres Gepäcks. Am billigsten ist es, wenn man diese Pferde kauft, um sie am Ende der Reise wieder zu verkaufen. Vor allem aber muss man dafür sorgen, dass sie stark sind und einen guten Gang haben, so dass der Reiter nicht allzusehr geschüttelt wird.

      Wir wandten uns also an Herrn Jón Vidalin, einen Grosskaufmann in Reykjavik, den wir schon kannten und der uns schon seit den ersten Tagen unseres Aufenthalts in der Stadt stets sehr liebenswürdig entgegengekommen war. Von ihm erbaten wir uns drei Pferde mit den genannten Eigenschaften.

      Herr Vidalin versprach, uns die besten Tiere zu besorgen, die er bekommen könne; und ich muss sagen, dass er Wort gehalten hat.

      Wir bekamen drei sehr kräftige isländische Pferde mit der sanftesten Gangart. Es waren gute, treue Tiere. Je länger unser Schicksal uns mit dem ihrigen verband, desto teurer wurden sie uns. Ich liess sie gleich zu einem Schmied bringen, der ihnen neue Hufeisen anlegte. Zur weiteren Sicherheit nahm ich überdies einige Ersatzeisen mit, nebst den erforderlichen Nägeln, für den Fall, dass sie unterwegs einmal ein Eisen verlieren sollten.

      Dann ging ich zu einem Sattler und kaufte zwei Sättel (die mit Polstern von schwarzem Schaffell überzogen waren), drei Zäume, zwei Peitschen, einen Packsattel und zwei starke Koffer für unsern Reisebedarf.

      Damit waren die Pferde reisefertig. Alles zusammen kostete 17 Kronen.

      Für uns selbst kaufte ich wasserdichte Ölkleider mit zwei grossen Südwestern oder Matrosenhüten; Wasserstiefel hatten wir bereits. Also waren wir auch gegen Sturm und Regen vollständig geschützt.

      Ferner beschafften wir uns in Reykjavik noch einen Vorrat von Lebensmitteln, fast zum selben Preise wie in England, darunter Dosen mit eingemachtem Fleisch, die man nur ins kochende Wasser zu legen braucht, um gleich ein warmes Essen zu haben. Das Fleisch kann aber auch kalt genossen werden. Ausserdem kauften wir noch einige Dosen mit Sardinen, eingemachten Früchten, Feigen, Keks, Salz, Zucker usw. Eine Schachtel mit van Houtens Kakaopulver wurde uns besonders nützlich. —

      Eine Kunst ist es, die Koffer für das Lastpferd richtig zu packen, die an grosse Eisenhaken zu beiden Seiten des Pferdes gehängt werden; sie müssen nämlich gleich schwer sein und einander das Gleichgewicht halten. Sodann muss der ganze Inhalt fest genug liegen, um den starken Erschütterungen widerstehen zu können, wenn das Pferd schnell läuft.

      Ein Engländer erzählte uns, bei ihm seien Keks und Zwieback im Koffer schon am ersten Tage vollständig pulverisiert gewesen; als er bei seiner ersten Mahlzeit im Freien ein Stück Zwieback nehmen wollte, habe er nur noch einen Mehlstaub vorgefunden.

      Unsern Reiseweg hatte ich im voraus genau studiert; mein Notizbuch war angefüllt mit Bemerkungen über Wege, gute Furten durch Flüsse und Bäche, über Berge, Pässe, Gehöfte usw., so dass wir selbst bei Nebel kaum in die Irre geraten konnten.

      Von Reykjavik wollten wir über die Thingvallaebene zum Geysir gelangen, von dort zwei Tage lang durch eine mächtige Jökullandschaft reiten, wo nur ein einziger Hof liegt. Für diese beiden Tage wollte ich einen Führer nehmen. Dann sollte der Ritt durch grüne Täler mit dichtbevölkerten Landstrichen gehen; ein Führer war da nur bei einigen grösseren Flüssen nötig.

      An diesen Reiseplan hielten wir uns ziemlich genau.

      Der Weg, den ich ausgesucht hatte, war nicht eben der kürzeste; wir brauchten im ganzen zwei und eine halbe Woche, um ihn zurückzulegen.

      Trotz aller Anstrengungen, die sie mit sich brachte, sollte diese Reise die schönste und gesündeste, aber auch die abenteuerlichste werden, die ich jemals gemacht habe.

      Sie vollzog sich allerdings unter den glücklichsten Umständen. Besonders hatten wir fast täglich prächtiges, warmes Sommerwetter.

      Auf unsern allerliebsten kleinen Pferden galoppierten wir munter und unbesorgt über Islands wildromantische Lavaebenen, stets begleitet von einer wunderbaren, herrlichen Aussicht, auf allen Seiten umgeben von lustig dampfenden Vulkanen und kochenden, sprudelnden Quellen.

      Oft