«Ja …» Das Gespräch stockte, obwohl er das Gefühl hatte, dass sie weitere Fragen hatte, sich damit aber zurückhielt. Sie war weder seine Psychiaterin noch seine Freundin, der er mehr anvertraut hätte. Aber zu diesem Zeitpunkt schien alles gesagt. Abgesehen davon wollte er den Fokus nicht an sich reißen. Primär ging es um Thor. Um seine Auflagen, um die Abwendung seiner Haftstrafe …
«Wie gesagt, ich wollte mich nur entschuldigen.»
«Vielen Dank.»
«Dann erhol dich schön.» Sie lachte gestelzt. «Wir sehen uns in den nächsten Tagen.»
***
Über seine Lippen schlich sich ein Seufzen, das in seinem Unterbewusstsein zu einem nachdrücklichen Stöhnen heranwuchs. Obgleich ihm klar war, dass das, was er just erlebte, nicht wahr sein konnte, ging er dem Drang gedankenlos nach. Er ächzte, er bebte, er zitterte … Holy shit, das war gut … Das imaginäre Bild vor seinen Augen machte das Geschehen vollkommen … Mit zackigen Bewegungen spannte er die Gesäßmuskeln an, rhythmisch rieb er sein erigiertes Geschlecht auf der Matratze … so hart, so wild … so geil … Das war nicht real, es war nicht echt … doch er gab dem Druck nach, er ließ es laufen … Für einen Bruchteil von Sekunden wurde alles schwarz. Dylan vergaß zu atmen, zu denken, zu fühlen …
«Perk?»
Er registrierte die Hitze in seinem Unterleib, den schwitzigen Rücken, seine unstete Atmung …
«Perk?»
… die plötzliche Nässe zwischen den Beinen.
«Perk, hörst du mich?»
Erschrocken riss er die Augen auf. Verstohlen spähte er zur Seite. Thor sah ihn prüfend an. «Alles in Ordnung mit dir? Du warst unruhig.»
«Ja, ja!» Wie eine Flunder lag er auf dem Bauch und atmete ins Kissen. Nicht real … Es war alles nicht echt … «Ich hatte nur einen Traum.» Langsam drehte er sich auf den Rücken. Es war morgens, die Sonne schien, Thor war angezogen. Sein Starren riss nicht ab. Nichts war zwischen ihnen geschehen … rein gar nichts …
«Was Negatives?» Oh, wie konnte er fragen. Dylan hatte das Gefühl, dass ihm die Erlösung ins Gesicht geschrieben stand.
«Ich … kann mich nicht mehr genau erinnern …», redete er sich raus, dabei schossen ihm augenblicklich die imaginären Bilder ins Gedächtnis. Thor auf ihm, über ihm, in ihm, so begierig wie noch nie.
Kaum merklich führte er die Hand unter der Bettdecke zwischen seine Beine. Seine Vermutung bestätigte sich. Mit einem Ruck richtete er sich auf. Noch schneller sprang er aus dem Bett. «Sorry …» Kopflos hastete er ins Badezimmer. Das Verlangen in ihm war verschwunden. Er fühlte sich erschöpft und leer, selbstverständlich befriedigt, aber längst nicht glücklich …
Verbissen warf er die Unterhose in den Wäschekorb. Wie unter Zwang folgte die Reinigung von Händen und Glied. Ein merkwürdiges Gefühl wummerte unter seiner Brust. Dylan fühlte sich schuldig, aber auch verletzt und allein.
Da er im Bad keine frische Wäsche vorfand, marschierte er nackt ins Schlafzimmer zurück, nicht ohne sich die Hand vor die Blöße zu halten.
Thor saß noch immer auf dem Bett. «Bist du nicht zu alt für einen feuchten Traum?», meinte er.
Verflucht nochmal, warum wusste er wieder, was tatsächlich geschehen war?
Hörte Dylan einen Vorwurf heraus? Ohne seinen Partner anzusehen, widmete er sich dem Schrank, in dem er mittlerweile mehr als die Hälfte in Beschlag genommen hatte. Mit zittrigen Fingern zog er eine frische Unterhose aus dem Regal. «Kann nichts dafür, dass du die Fußfessel mit Abstinenz gleichsetzt.»
Gedämpft vernahm er Thors tiefes Durchatmen. «Willst du das jetzt ausdiskutieren?», meinte er grimmig. «Wer trägt denn das Scheißteil den ganzen Tag am Fuß? Du oder ich?»
Dylan hielt inne. Plötzlich fühlte er sich nicht nur schäbig, sondern auch traurig. Thor hätte im Gefängnis sitzen können – für Monate. Stattdessen hatte man ihn mit einem Überwachungsinstrument ausgestattet. War das nicht eine Gabe? Mussten sie tatsächlich darüber streiten? Pikiert drehte er sich um. «Reg dich bitte nicht auf.»
«Ich reg mich nicht auf!», donnerte Thor. «Du regst mich auf!» Er erhob sich vom Bett und schritt zur Tür.
«Lass uns das klären», flehte Dylan. «Bitte!»
Thor sah ihn nicht mehr an. «Ich bin mit Erik auf der Baustelle.»
***
Am Nachmittag fuhr Erik mit seinem Wagen vor. Thor stieg wortlos aus – wie jeden Tag. Dylan hatte ihr Kommen am Fenster verfolgt.
«Und? Wie lief es?» Das fragte er auch täglich und Thor erwiderte immer dasselbe, bevor er in der oberen Etage verschwand. «Muss erstmal duschen …»
Erik entlud derweilen ein paar Müllsäcke. Bislang war es unmöglich gewesen, einen separaten Container für den Bauschutt zu erhalten. Es war, als sträubten sich die Firmen, das Unterfangen von Thor Fahlstrøm zu unterstützen.
Dylan lief auf die Einfahrt zu und half beim Entladen der Müllbeutel.
«Seid ihr vorangekommen?», fragte er nebenbei. «Thor erzählt mal wieder nichts.»
Erik wischte sich über die Stirn. Seine dunkle Jeans trug staubige Flecken. Auch das war nichts Neues. Jeden Tag kamen sie von der Baustelle: dreckig und erschöpft.
Dylan versetzte es jedes Mal einen quälenden Stich, denn Thor tolerierte Erik als Helfer an seiner Seite.
«Die Wände sind fertig gestrichen, ja.» Erik hob die Hände an und präsentierte Blasen und blutige Schnitte. «Der alte Teppich ist draußen, aber frag nicht, wie wir das Parkett verlegen wollen. Damit kenne ich mich überhaupt nicht aus. Und nächste Woche kommt Tony, dann werde ich weniger Zeit haben.»
Dylan reagierte bestürzt, als er Eriks Handflächen sah.
«Meine Güte, das sieht schlimm aus.» Ehe er die lädierten Hände berühren konnte, zog sie Erik zurück und zwängte sie in die engen Hosentaschen.
«Nicht so tragisch.» Er trat auf der Stelle und wich dem Blick aus.
«Ihr habt noch immer keine Handwerker gefunden, die sich der Sache annehmen?»
Erik schüttelte den Kopf. «Ich hab es heute sogar in Stavanger versucht. Die Leute dort scheinen weniger voreingenommen. Aber der lange Anfahrtsweg …» Ein resigniertes Seufzen folgte.
«Es kann doch nicht angehen, dass keine Firma bereit ist, euch zu helfen!», schimpfte Dylan. Sein Gegenüber hob die Schultern an.
«Es ist ja nicht nur die Ablehnung», berichtete er. «Viele Betriebe nehmen vor dem Sommer keine neuen Aufträge an.»
Dylan stutzte. «Wieso das?»
«Fellesferie», erklärte Erik. «Ab Juli sind die meisten Norweger im Urlaub. Die Städte sind wie ausgestorben. Die Anzahl der Arbeiter ist begrenzt, viele Geschäfte geschlossen und die Straßen leer.»
Dylan lachte verstört. «Das ist doch verrückt.»
Erik grinste. «Nein, das ist Norwegen.»
***
Thor blieb an diesem Tag länger im Obergeschoss und keine Geräusche erklangen aus den Räumen, sodass Dylan nach dem Rechten sah. Sein Partner lag samt Straßenkleidung auf dem Bett und war eingeschlafen. Seine Hände waren staubig, seine Wangen eingefallen und sein Haar zu einem Zopf gebunden. Trotzdem hatten sich hartnäckige Strähnen daraus gelöst. Dylan sah Thor stillschweigend an und verspürte nicht zum ersten Mal Mitleid.
Wie fühlte es sich an, abgelehnt zu werden, und das über Jahre hinweg? Wie erging es ihm mit dem Wissen, in die Stadt zu müssen, in der er nicht erwünscht war?
Dylan war das Gefühl von Ablehnung nicht fremd, hatte er ähnliche