Mit einem Zweig stocherte er so lange in der Glut herum, bis das Bild vor seinen Augen verschwamm. Das Lagerfeuer war weitgehend erloschen, die Gefühle in ihm loderten dagegen.
Gebeutelt krümmte er sich nach vorne und bettete das Gesicht in die linke Ellenbeuge. Er fühlte sich unbeobachtet und gab den Emotionen freien Lauf. Aber er war nicht allein. Plötzlich spürte er eine warme Hand, die ihn sanft im Nacken berührte.
«Hei, so spät noch auf?» Es war Erik, der sich zu ihm setzte, die Hand allerdings nicht mit sich zog. «Alles okay?»
Mit einer schnellen Bewegung schob Dylan den Arm über seine Lider und blinzelte die Tränen weg. «Ja, doch.» Er inszenierte ein Lächeln und drehte sich Erik entgegen.
«Hast du geweint?», fragte der postwendend.
«Nein, wieso?» Dylan wich dem prüfenden Blick aus. Mit den Fingerkuppen wischte er sich durch die Augenwinkel. Zu lügen war wirklich erbärmlich.
«Dein Kajal ist total verschmiert.», erklärte Erik und festigte den Griff in Dylans Nacken. «Was ist los? Gab es wieder Stress? Mit Thor?»
Dylan nickte still und senkte den Kopf.
«Wegen der Sache mit Susan?», bohrte Erik nach. Er löste die Hand und rückte stattdessen näher heran. «Mensch, der Kleinen geht es gut. Sie ist mit einem Schreck davongekommen.»
«Warst du eben bei ihnen?», entgegnete Dylan. Seine Stimme zitterte. Er hatte sich noch nicht vollständig unter Kontrolle, doch begrüßte er es, vom Thema ablenken zu können.
«Ja.» Erik schmunzelte. «Susan ist erschöpft eingeschlafen, so hatten Tony und ich noch etwas Zeit für uns.» Nun grinste er breit. «Du weißt, was ich meine.» Er knuffte seinem Gesprächspartner in die Seite und entlockte ihm sogar ein Lächeln. «Also?», hakte er nach. «Was war los?»
«Ach, Thor, der maßregelt Tony und sein Verhalten, dabei ist er selbst nicht in der Lage sein Privatleben in den Griff zu bekommen!», platzte es aus Dylan heraus. Es kam ihm zugute, den Frust herauszulassen.
«Privatleben?», wiederholte Erik. Er wiegte sich hin und her, schien zu überlegen. «Du meinst eure Beziehung?» Da Dylan abermals nickte, schwante es ihm. «Faen, hast du wieder nach der Urkunde gefragt?»
«Was ist daran verkehrt?», zischte Dylan. «Wenn unsere Beziehung nicht offiziell ist, wird es vielleicht Probleme geben, wenn er in den Knast kommt.» Kopflos hob er die Hände an. «Oder irgendetwas anderes passiert …»
Er sprach es nicht aus, doch selbstverständlich quälte ihn der Gedanke, dass es irgendjemand auf Thor abgesehen haben könnte. Irgendjemand, der den Hunden, und somit auch ihm, schaden wollte. «Wenn ihm etwas passiert …»
Er brach ab und bedeckte die Augen mit den Händen. Nun konnte er sich nicht mehr zusammenreißen. Hemmungslos schluchzte er auf. «Fuck …»
«Faen, du bist ja völlig fertig», stellte Erik fest. Tröstend legte er einen Arm um den bebenden Körper seines Freundes.
Dylan schüttelte den Kopf. «Ich bin so ein Weichei geworden», wimmerte er unter Tränen. «Früher hab ich meinen Frust mit Wein und Whiskey gestillt.»
«Und dann hast du randaliert und dich mit Leuten angelegt», sprach Erik für ihn weiter. «Vermutlich konntest du dich später nicht mehr daran erinnern.»
«Gut ging es mir danach auch nicht, das stimmt.»
«Es ist nicht leicht mit ihm», sagte Erik und das nicht zum ersten Mal. «Aber dass du hier sitzt nach allem, was passiert ist, nach so langer Zeit, das hat etwas zu bedeuten.» Er zwinkerte zuversichtlich. «Das musst du mir glauben.»
«Vielleicht», antwortete Dylan und er atmete tief durch. «Aber das reicht mir nicht», fügte er hinzu. «Ich will, dass er mir gehört, mir allein.» Abermals gingen die Gefühle mit ihm durch. Weitere Tränen lösten sich. «Ich habe solche Angst, ihn zu verlieren … Warum versteht er das nicht?»
Stöhnend gab er nach. Er floh in die Umarmung und genoss Eriks tröstende Nähe, bis eine dunkle Stimme hinter ihnen erklang.
«Perk? Kommst du rein?»
Für einen Bruchteil von Sekunden schien die Welt stillzustehen. Dylan stockte der Atem so lange, bis Erik die Umfassung löste und von ihm abrutschte.
Erst danach war er fähig, sich zu bewegen. Mit der Hand wischte er sich über die feuchten Wagen wie ein Junge, der etwas ausgefressen hatte.
Reumütig drehte er sich um. Thors Blick war schneidend, abwartend und warmherzig zugleich. Er streckte eine Hand aus, die Dylan sofort ergriff.
«God natt», wünschte Thor knapp. Erik stand auf und nickte. «Euch auch eine gute Nacht.»
Im Haus suchte sich der rauchige Geruch einen Weg in seine Lungen. Der Geruch nach einem Ort, den er nicht mehr missen wollte. Ein Geruch, der sein Herz erwärmte und ihm das innigste Gefühl gab, das er jemals erlebt hatte.
«Es tut mir leid», flüsterte er, obgleich er wusste, dass Thor Entschuldigungen hasste. Aber in diesem Moment, wo sie in absoluter Dunkelheit dicht voreinander standen, er das herrische Atmen seines Partners vernahm und noch sehnlicher als sonst seine Geborgenheit und Liebe ersehnte, war Demut das Einzige, was er für richtig hielt.
Thor antwortete nicht. Im dunklen Raum waren nicht einmal seine durchdringenden Augen sichtbar. Doch Dylan spürte die seichte Bewegung, die Hände, die nach ihm griffen, die Arme, die ihn umschlangen und an sich drückten. Der Geruch nach Thor …
«Bak skyen er himmelen alltid blå (Hinter den Wolken ist der Himmel immer blau) », raunte der.
Dylan seufzte tief. Fest klammerte er sich an Thors schmale Hüften. «Ich liebe es, wenn du mit mir Norwegisch sprichst.»
«Das weiß ich, Perk.»
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