Die Melodie unserer Zukunft. Anne Barwell. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anne Barwell
Издательство: Bookwire
Серия: BELOVED
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958238510
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ja, das stimmt, aber –«

      »Fertig für heute, Joel?« Darin Prior steckte seinen Kopf durch die Tür. »Hi, Adelaide, wie geht's?«

      »Ich wollte gerade gehen.« Adelaide Barker warf Darin einen genervten Blick zu. »Wir sehen uns später«, sagte sie zu Joel und scheuchte ihren Sohn zur Wohnungstür hinaus.

      »Ich habe nicht gehört, dass du reingekommen bist«, murmelte Joel und schlug sein Notizbuch zu.

      »Ich perfektioniere meine Ninja-Fähigkeiten.« Darin grinste.

      »Und du hast einen Wohnungsschlüssel«, fügte Joel hinzu. Nachdem ihn im vergangenen Jahr eine schlimme Grippe erwischt und er Schwierigkeiten gehabt hatte, das Bett zu verlassen, um die Tür zu öffnen, hatten Darin und seine Frau Ella entschieden, dass jemand bei einem Notfall seine Wohnung betreten können musste.

      »Nun, ja. Das auch.« Darin schüttelte den Kopf. »Irgendwann wirst du es ihr sagen müssen, weißt du. Diese Frau flirtet schon mit dir, seit du angefangen hast, an der Highschool zu arbeiten.«

      »Ja, und wenn ich ihr sage, dass ich schwul bin, könnte ich ebenso gut eine Anzeige in der Zeitung aufgeben und es der ganzen Gegend verkünden.« Joel war nicht direkt ungeoutet, aber er machte seine Sexualität auch nicht zum Gesprächsthema. Nicht, wenn er es vermeiden konnte. Er hatte auf die harte Tour gelernt, dass manche Dinge besser privat blieben.

      »Nicht alle werden so reagieren wie dein Dad«, sagte Darin leise.

      »Das weiß ich, aber wenn ich mich oute, möchte ich derjenige sein, der es den Leuten erzählt, nicht irgendeine Frau, die versucht, mit mir zu flirten.« Um das Thema zu beenden, nahm Joel seine Katze auf den Arm, die sich an ihm rieb. »Du bist hungrig, nicht wahr, Mädchen? Keine Sorge, es ist wieder sicher, hier drin zu sein. Der schreckliche Lärm ist wieder für eine Woche vorbei.«

      »Vielleicht wird es Zeit, dass du wieder anfängst dich zu verabreden«, schlug Darin vor. Er streichelte Nannerls Fell und die Katze schnurrte. »Es ist fünf Jahre her, dass du dich von Reed getrennt hast. Er hat weitergemacht. Das solltest du auch tun.«

      »Vielleicht habe ich den richtigen Mann noch nicht getroffen.« Joel gab die Katze an Darin weiter und klappte den Deckel der Klaviertastatur zu. Wenn er es nicht jetzt tat, würde er es später vergessen und Nannerl liebte es, über die Tasten zu laufen, am liebsten mitten in der Nacht. Nicht nur das, sie haarte außerdem ganz fürchterlich und er wollte am nächsten Morgen keine orangefarbenen Fellbüschel auf der Tastatur finden. Ein wenig davon rutschte immer zwischen die Tasten und es war furchtbar schwer, es wieder herauszufischen.

      »Das hast du schon beim letzten Mal gesagt, als wir diese Unterhaltung geführt haben.« Darin trug Nannerl in die Küche und Joel hörte, wie der Kühlschrank geöffnet wurde.

      »Du wirst eine neue Dose öffnen müssen.« Er und Darin hatten seit ihren Tagen an der Universität zusammengewohnt – oder besser gesagt, während Joel zur Universität gegangen war und Darin seine Ausbildung gemacht hatte. Sobald ihre Ausbildungen abgeschlossen gewesen waren, waren sie beide mit der Person zusammengezogen, mit der sie den Rest ihres Lebens verbringen wollten.

      Der einzige Unterschied war, dass Darin und Ella noch immer zusammen waren, während Joel und Reed getrennte Wege gegangen waren. Es war eine freundschaftliche Trennung gewesen und sie waren immer noch befreundet, aber als Reed ein Stellenangebot in Australien bekommen hatte, hatte Joel entschieden, dass er nicht mit ihm gehen wollte. Wellington war sein Zuhause und er hatte zu viel Aufruhr in seinem Leben gehabt, um seine Freunde und diejenigen, die ihn noch als Teil ihrer Familie ansahen, zurückzulassen.

      »Alles klar, danke.«

      Als Joel die Küche erreichte, fraß Nannerl und Darin hatte sich eine Tasse Kaffee eingeschenkt, wie er es immer tat, während Joel aufräumte, nachdem er seinen Unterricht beendet hatte. Joel kochte an Freitagen deshalb immer mehr Kaffee. Er und Darin verbrachten eine Stunde im Pub und landeten dann bei Darin, um mit seiner Familie zu Abend zu essen. Die meisten Traditionen aus der Zeit, als sie sich eine Wohnung geteilt hatten, hatten nicht überdauert, aber diese schon, und Joel freute sich jede Woche darauf. Ella war eine hervorragende Köchin und sie hatten sich immer gut verstanden. Er vermutete, dass sie es zu schätzen gewusst hatte, dass er derjenige gewesen war, der vorgeschlagen hatte auszuziehen, als sie eingezogen war.

      Es war keine Frage gewesen. Ella und Darin waren schrecklich verliebt gewesen und Joel hatte keine Absicht gehabt, den Anstandswauwau zu spielen. Außerdem hatte er ein wenig Geld gespart und ihm gefiel die Vorstellung, sich eine eigene Wohnung zu kaufen. Glücklicherweise hatte er dieses Stadthaus mit zwei Schlafzimmern gefunden, bevor die Preise durch die Decke gegangen waren, sodass seine Ratenzahlungen günstiger waren als eine eventuelle Miete. Er und Reed hatten darüber gesprochen, es gemeinsam zu kaufen, aber Reed war sich nicht so sicher gewesen. Vielleicht hatte er schon geahnt, dass ihre Beziehung nicht halten würde. Joel zog es vor, darüber nicht allzu viel nachzudenken.

      Joel vermisste es, mit jemandem zusammenzuwohnen. Er hatte Freunde – vor allem Darin –, aber es war nicht dasselbe. Manchmal wäre es schön, sich nachts an jemanden zu kuscheln, der nicht wie Nannerl Haare auf ihm verteilte, und auch wenn Ella nichts dagegen hatte, dass Joel und Darin Zeit miteinander verbrachten, musste Darins Fokus auf seiner Familie liegen. Joel mochte vielleicht ein Onkel ehrenhalber für Darins Tochter Isabel sein, aber er war kein Teil der Familie.

      »Ella hat Anfang der Woche von Marcus gehört.« Darin warf Joel einen Blick zu. »Du hörst mir zu, oder? Du hast diesen Gesichtsausdruck, als wärst du meilenweit entfernt, den du so gut draufhast.« Er verdrehte die Augen. »Musiker.«

      Joel schnaubte. »Mechaniker«, gab er zurück. »Ich habe den Blick bei dir auch schon gesehen und in neun von zehn Fällen denkst du an Ella.«

      »Und? Ich vermute, in neun von zehn Fällen denkst du an irgendeinen heißen Kerl. Kein Unterschied.«

      »Was auch immer.«

      »Was auch immer.« Darin beugte sich vor und pikste Joel in die Schulter. »Also, wie gesagt. Marcus. Du erinnerst dich an Marcus, oder?«

      »Ja, ich erinnere mich an Marcus.« Joel konzentrierte sich darauf, einen sauberen Plastikdeckel für das frische Katzenfutter zu finden. »Ellas Bruder, richtig?«

      Sie hatten sich fünfzehn Jahre zuvor bei Ellas und Darins Hochzeit das erste Mal getroffen. Joel war der Trauzeuge gewesen und Ella hatte Marcus – der es vorzog, nicht im Rampenlicht zu stehen – überzeugt, die Rolle des Platzanweisers zu übernehmen. Es war Joels erste und einzige Reise nach Hokitika gewesen. Reed war nicht mitgekommen, da sie gerade eine schwere Zeit durchgemacht hatten, aber dennoch hatte Joel den Besuch an der Westküste der Südinsel genossen. Trotz allem hatte er nie den Wunsch verspürt zu reisen.

      »Richtig.« Darin wurde still, etwas, das nicht oft passierte, also unterbrach Joel seine Suche und warf ihm einen misstrauischen Blick zu.

      »Und?« Joel hätte schwören können, dass er winzige Zahnrädchen sehen konnte, die sich in Darins Gehirn drehten. Subtilität hatte noch nie zu den Stärken seines Freundes gehört.

      Ja, er erinnerte sich an Marcus. Der Mann war groß, durchtrainiert und hatte umwerfende graue Augen. Joel hatte einen Blick auf ihn geworfen und die geistreiche Bemerkung, die er hatte machen wollen, war ihm im Hals steckengeblieben; stattdessen hatte er etwas vor sich hingemurmelt und die Zähne nicht mehr auseinanderbekommen. Dann hatte Marcus Joels Hand geschüttelt und, um das Ganze noch demütigender zu machen, ihm den Mann vorgestellt, der neben ihm gestanden hatte – seinen Partner.

      Joel hatte sich für seine Reaktion geschämt, schließlich waren sowohl er als auch Markus in einer Beziehung. Er hatte sich instinktiv nach Reed umgesehen, um sich bei ihm zu entschuldigen und ihn vorzustellen, aber dann war ihm wieder eingefallen, dass er nicht da war.

      An diesem Tag hatte er sich in jeder Hinsicht wie ein Idiot gefühlt. Marcus während dessen unregelmäßigen Besuchen in Wellington bei den freitäglichen Abendessen der Priors wiederzusehen, war nicht viel besser gewesen und Joel hatte abwechselnd unbeholfen geschwiegen oder ohne Punkt und Komma geredet.