Die Feuerinsel im Nordmeer. Jón Svensson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jón Svensson
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788711445747
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auch Schotten und Engländer öfters dorthin?“ fragte ich weiter.

      „Gewiss. In den Sommermonaten ist übrigens die Überfahrt von hier nach Island ausserordentlich gesund und angenehm. Das Meer ist in dieser Zeit meistens glatt wie ein Spiegel, und die Luft aussergewöhnlich rein und erfrischend.“

      „Werden denn die Islandreisen zur Erhaltung der Gesundheit gemacht?“

      „Ich glaube, dass die meisten Islandreisenden die Tour als Erholungs- und Vergnügungsreise machen. Die übrigen sind in der Mehrzahl Geschäftsreisende.“

      Der Herr erzählte weiter, dass sein Sohn schon fünf Reisen nach Island gemacht habe, er selber aber schon neun. Und jedesmal seien beide gesünder und kräftiger nach Hause zurückgekehrt.

      „Die Hauptsache übrigens“, fügte er hinzu, „sind die Ritte und Fahrten auf der Insel selbst. Island ist ohne Zweifel eines der schönsten, interessantesten und angenehmsten Touristenländer der Welt. Das Klima ist — im Sommer wenigstens — ausgezeichnet. Nirgendwo in Europa gibt es eine so reine, gesunde und kräftigende Luft wie in Island. Es haben Ärzte und Gelehrte eigene Abhandlungen geschrieben über die isländische Luft. Und was die Naturschönheiten der Insel betrifft, so sind sie von einer geradezu unbeschreiblichen Grossartigkeit und Mannigfaltigkeit. ... Mir wenigstens entleidet es nie, die grosszügigen isländischen Landschaften auf den ausgezeichneten einheimischen Pferden zu durchstreifen. Und dann noch eins: die gastfreundliche isländische Bevölkerung! Nirgends in der Welt habe ich eine solche Gastfreundschaft genossen wie in Island.“

      „Ich sehe“, bemerkte ich, „dass Sie ein grosser Islandfreund sind. Und ich freue mich, dass ein glücklicher Zufall mich gerade zu Ihnen geführt hat.“

      „Sie haben recht“, sagte er, „ich bin ein begeisterter Islandfreund. Es gibt aber in England unzählige solche Islandfreunde.“

      12. Von Edinburg nach der Hafenstadt Leith. Der Islanddampfer „Brúarfoss“.

      Auf einmal wurden wir in unserem Gespräch durch ein tiefes, lautes Tuten von der Strasse her unterbrochen.

      „Es ist der Wagen, den ich für Sie bestellt habe“, sagte unser Gastgeber. „Er wird Sie nach Leith zu Ihrem isländischen Dampfer bringen.“

      Wir verabschiedeten uns von der ganzen Familie und dankten herzlich für die ungemein angenehmen Stunden, die wir bei ihr zugebracht hatten.

      Der Hausherr meinte: „Wenn Sie nach Island kommen, werden Sie noch besser empfangen und behandelt werden als hier bei uns.“

      „Besser als bei Ihnen!“ erwiderte ich, — „das muss ich erst sehen, bevor ich es glaube.“

      „Glückliche Fahrt!“ riefen die liebenswürdigen Menschen uns nach, als der Wagen davonrollte....

      Unser Auto sauste in rascher Fahrt durch breite Strassen dahin, an Gärten, Plätzen und Blumenanlagen vorbei.

      Viktor und ich sassen zuerst eine Weile schweigend nebeneinander und betrachteten das Stadtbild, die Häuser, die Wagen und die vielen Menschen, an denen wir vorbeifuhren.

      Überall sahen wir lange Reihen von Arbeitern, die unbeweglich längs der Häuserreihen hockten und miteinander plauderten....

      Es waren die Arbeitslosen ...! Davon sollten Millionen in England sein! So berichteten die Zeitungen. Und der englische Staat musste täglich alle diese Millionen, die keine Arbeit leisten konnten, weil keine da war, unterhalten und ernähren. Täglich musste die Regierung Geld an sie verteilen.

      Welch ungeheure Summen flossen da unablässig aus der englischen Staatskasse an diese Millionen!

      Wie konnte die Regierung diese ungeheuren Geldsummen beschaffen?

      Diese Gedanken beschäftigten mich sehr und drückten mich um Englands willen. Ich dachte nicht daran, dass um ein Jahr später Deutschland, das Vaterland meines jungen Reisegefährten, in noch viel grösserem Masse unter diesem Missgeschick zu leiden haben würde!

      Der englische Staat ist reich, unermesslich reich, sagten viele.

      Andere meinten, dass das englische Weltreich zu Grunde gehen würde an den Arbeitslosen, die wir da in endlosen Reihen und unzähligen Gruppen vor uns sahen....

      Ich warf einen Blick auf Viktor, der immer schweigend neben mir sass, aber bei seiner Jugend wohl nicht von dem gleichen Gedanken beunruhigt wurde.

      „Hast du die Arbeitslosen gesehen?“ fragte ich ihn.

      „Die Arbeitslosen! Nein, ich habe keine gesehen. Wo sind sie denn?“

      „Schau nur einen Augenblick durch das Fenster.“

      „Ah so ... die Leute da, die auf dem Trottoir beisammen stehen ...?“

      „Ganz richtig! Das sind die englischen Arbeitslosen, die das reiche England vielleicht ruinieren werden....“

      „Nun ja ... ich muss gestehen, ich hatte sie nicht bemerkt. ... Ich war in andern Gedanken.“

      „Wahrscheinlich hast du an die ‚Brúarfoss‘ gedacht, welche uns jetzt gleich auf den grossen Atlantischen Ozean hinausbringen wird....“

      „Ja, auch an die habe ich gedacht. Ich habe überhaupt an den Verlauf unserer Reise gedacht....“

      Und jetzt fing Viktor an, seine frisch-fröhlichen Jungengedanken mir auseinanderzusetzen.

      „Denken Sie“, sagte er, „nun sind wir kaum vier Tage auf der Reise — und haben schon so vieles gesehen ...!

      Zuerst Holland bei Nacht: wie stimmungsvoll war doch die nächtliche Fahrt quer durch ganz Holland von Emmerich bis Rotterdam!

      Und dann der gewaltige englische Dampfer, auf dem wir ebenfalls in dunkler Nacht vom Festland nach Harwich gefahren sind ...!

      Dann aber das Wunderbarste von allem Bisherigen: unser Aufenthalt in London! Da bin ich kreuz und quer in der Riesenstadt herumgefahren, und was ich da gesehen habe, werde ich mein Leben lang nicht vergessen.

      Nach London kam dann der ‚Flying Scotchman‘ ..., was für eine herrliche Reise durch ganz England!

      Und zuletzt die Erlebnisse hier in Edinburg! Die Princes-Street, die Blumenuhr und die wirklich erstaunliche Liebenswürdigkeit der schottischen Familie in der Lauriston-Street!

      Hätte wohl der Anfang unserer Reise schöner sein können?

      Ich kann nur das eine Wort sagen: ‚Fabelhaft! fabelhaft! ja dreimal fabelhaft!‘“

      Ja, Viktor war begeistert. Und ich freute mich über seine Begeisterung.

      Ich wollte ihm etwas antworten. Er liess mich aber in seiner Erregung nicht zu Worte kommen, sondern fuhr fort:

      „Und jetzt muss ich noch sagen ... ja, ich meine, ich stelle mir vor, dass das, was nun kommen wird, noch viel schöner und grossartiger sein wird als selbst dieser herrliche Anfang unserer Reise. ... Ich meine die grosse Seereise ... die lange Fahrt, Tag und Nacht, draussen auf dem unermesslichen Meer, wo die Wellen mich schaukeln werden, wie Sie von ihnen geschaukelt wurden, als Sie vor 60 Jahren, zwölf Jahre alt, Island verliessen, um auf dem kleinen ‚Valdemar von Rönne‘ in die weite Welt hinauszufahren, und wo Sie fünf Wochen lang segeln mussten, bis Sie Kopenhagen erreichten. Und das war gerade auf demselben Meer, auf welches wir jetzt im Begriffe sind hinauszufahren....

      Fabelhaft ...! Jetzt gehen wir gleich an Bord auf die ‚Brúarfoss‘, die so schön sein soll! ... Ist das alles nicht fabelhaft? Meinen Sie das nicht auch ...?“

      „Viktor! Ich bin ganz deiner Meinung. Unsere Reise konnte bis jetzt kaum schöner sein. Und doch glaube ich wie du, dass das Schönste erst kommen wird.“

      Unaufhörlich rollte unser Wagen weiter.

      „Aber“, rief Viktor plötzlich aus, „ich glaube, der Mann weiss nicht, wo die ‚Brúarfoss‘ liegt. Wir sollten ganz sicher schon lange in Leith sein. Wohin führt er uns denn?“