HOTEL MEGALODON. Rick Chesler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rick Chesler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958354135
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40

       Kapitel 41

       Kapitel 42

       Kapitel 43

       Kapitel 44

       Kapitel 45

       Kapitel 46

       Epilog

      Prolog

      Fidschi-Inseln

      Fünf alte Männer, allesamt auf dieser Insel geboren, saßen auf einer bewaldeten Bergspitze und blickten hinab auf eine türkisfarbene Lagune, die mit Korallenformationen gespickt war. Dahinter erstreckte sich der dunkelblaue Pazifik, über allen Maßen erhaben und tiefer, als das Verständnis der meisten Menschen reicht. Als weiße Linie setzte die tosende Brandung das seichte Atoll von der hohen See ab. Die Männer waren mit ihrer natürlichen Umgebung tief vertraut und erkannten jeden Vogel an dem jeweiligen Zwitschern, das sie hörten, alle herumschwirrenden Insekten und auch jedes Tier, das Spuren hinterlassen hatte. Trotz des Tageslichts war eine Fackel angezündet worden, die stinkenden Qualm hochsteigen ließ.

      Sie hatten sich um eine große Holzschüssel herum versammelt, die aufwendig mit über Generationen hinweg weitergegebenen Stammesmustern verziert war. In dieses Gefäß tauchten sie nun Kokosnussschalen und füllten sie mit einer zähen, braunen Flüssigkeit namens kava, einem traditionellen Getränk im pazifischen Raum, das aus einer Pflanze mit entspannender Wirkung gewonnen wurde. Sie tranken jetzt reihum, und vor jedem neuen Durchgang spielte ein Mann die lali-Trommel, ein Schlaginstrument aus einem ausgehöhlten Baumstamm. Tock-tock-tocktocktocktock … Der Rhythmus begann langsam, doch das Tempo wurde bald gesteigert, bis die Männer erneut ihre Kokosnussschalen ansetzten, um mithilfe des erdigen Getränks entspannter zu werden.

      Normalerweise ließen sie ihre Siedlung nicht so weit hinter sich, um eine kava-Zeremonie abzuhalten, doch ihr heutiges Treffen galt der Diskussion einer Frage, die das ganze Dorf betraf. Der Stammeshäuptling, der verfilzte lange weiße Haare hatte, legte nun seine Trinkschale nieder und starrte in die Lagune hinunter, wo selbst von dieser hohen Warte aus, eine ganze Flotte schwerer Maschinen dahintrieb … Lastkähne mit Baggervorrichtungen, die turmhoch mit Baumaterialien beladen waren. Gelegentlich zerrissen sogar Explosionsgeräusche die Luft, wenn man die unter Wasser liegenden Korallenriffe aus dem Weg sprengte, um Platz für das neue Projekt zu schaffen. Beim Blick in die Lagune machten die Bewohner ernste Gesichter, denn darin bestritten sie den überwiegenden Teil ihres Lebensunterhalts durchs Fischen, so, wie es auch ihre Väter und Großväter vor ihnen getan hatten.

      Wenngleich fast die ganze Republik Fidschi schon vor Jahren dem internationalen Touristenstrom nachgegeben hatte, lag ihre kleine Insel weitab vom »Festland«, wie man die Hauptinsel Viti Levu nannte, obwohl auch sie lediglich eine von mehreren Inseln im Südpazifik war und dem Kontinent genauso fern war. Jetzt schien die Zeit jedoch auch diese Menschen eingeholt zu haben, und zwar auf äußerst spektakuläre Weise, denn man baute nun ein Luxushotel unten in der Lagune. Es sollte kein herkömmliches Hotel sein, sondern selbst für westliche Verhältnisse höchst ungewöhnlich, hatten die Dorfleute gemunkelt.

      Es sollte nämlich ein Unterwasserhotel werden. Errichtet auf einem lebenden Korallenriff, würde es ein Aquarium im gegenteiligen Sinn werden, in dem Menschen von Wasser umgeben in einer künstlichen, durchsichtigen Luftblase wohnen konnten. Die Einheimischen fanden das äußerst sonderbar. Schließlich konnte man das Riff doch jederzeit sehen, wenn man wollte. Man tauchte einfach hinunter und schaute es sich an, denn der Dorfälteste verbot so etwas nie. Offiziell aber gehörte das Land an der Lagune der Regierung von Fidschi, die eine lukrative Gelegenheit darin sah, einem australischen Bauträger einen langfristigen Pachtvertrag zu gewähren.

      Nun hörte man den ganzen Tag lang Lärm im Ausmaß eines geschäftigen Industriegebiets, während die Bauarbeiter das Riff abtrugen und die Landmasse nach ihrem Belieben neu formten. Die Männer schauten einander jetzt durch den Rauch ihrer Fackeln an. Der Stammeshäuptling sprach zuerst: »Es ist nicht gut für die See.«

      Die anderen nickten zustimmend, doch einer wandte ein: »Es bringt aber den Leuten in unserem Dorf und in den Nachbarorten Arbeit.«

      »Wir können es sowieso nicht aufhalten«, meinte ein Dritter, während er die Betriebsamkeit auf dem Wasser beobachtete.

      Nun nickte der Häuptling weise. »Das können wir nicht, nein, doch wir müssen unsere Gepflogenheiten entsprechend anpassen; wir müssen die See höher denn je achten.«

      Daraufhin meldete sich ein anderer Stammesältester zu Wort: »Das Fischen ist seitdem nicht mehr so wie früher.«

      »Schlechter?«, fragte der Trommler und nahm die lali-Stöcke wieder zur Hand; es war Zeit für einen weiteren Durchgang.

      Der Älteste zog seine Schultern hoch und schaute ihn verunsichert an: »Nicht schlechter, sondern einfach … anders. Was wir einmal an einer bestimmten Stelle gefangen haben, finden wir jetzt an einer anderen. Was wir zuvor in niedriger Zahl eingeholt haben, ist jetzt üppiger vorhanden. Fische, die ich seit vielen Monden nicht mehr gesehen habe, kehren nun plötzlich zurück, und Arten, die wir jeden Tag mitgebracht haben, sind auf einmal verschwunden.«

      Die Männer nickten erneut, und der Trommler griff seinen Rhythmus wieder auf. Tock-tock-tocktocktocktock … Erneut schöpften sie mit ihren Kokosnussschalen kava aus der Schüssel und tranken. Nun, wo sie gelassener waren, ließen sie schweigend ihre Gedanken schweifen, ohne das Treiben unten aus den Augen zu lassen. Einer der Männer, der sein Leben lang Fischer war und den Stamm mit seiner Arbeit ernährte, sann über die vielen Fahrten nach, die er gemeinsam mit seinem Vater auf einem Auslegerkanu unternommen hatte. Nach einer Weile überkam ihn das Bedürfnis, die Gruppe an seinen Gedanken teilhaben zu lassen.

      »Das Gleichgewicht könnte durcheinandergebracht worden sein«, fasste er zusammen, was er gerade dachte. Die anderen nickten und nippten weiter an ihren Schalen. Sie wussten, dass er damit die ökologische Balance zwischen Meer und Mensch meinte. Dann schickte er sich an, von einer besonderen Fahrt zu erzählen, die er als kleiner Junge erlebt hatte.

      Er hatte als Kind ein lebendiges Tier gesehen, das so unverhältnismäßig groß und so enorm gewesen war, dass er es nicht glauben würde, hätte er es damals nicht mit eigenen Augen bezeugt. Forscher, das wusste er, würden es ihm ohne Beweise niemals glauben, sondern ihm vorwerfen, dass er Geistergeschichten zum Besten gab, nachdem er zu viel kava getrunken hatte. Selbst mancher aus den Nachbardörfern schien seinen Bericht nicht für bare Münze zu nehmen. Er hatte es aber wirklich gesehen – sein Vater auch, der selige Mann – und nun brachte er es erneut zur Sprache. Ein Tier von solchen Ausmaßen lebte wahrscheinlich sehr lange. Es könnte also immer noch da sein, dachte er, irgendwo dort unten, aufgescheucht durch die unnatürlichen Störungen, die die Ausländer verursachten, weil sie Schindluder mit dem Riff betrieben.

      »Sollen wir die anderen warnen?«, fragte einer der Männer, nachdem er die Schilderungen des Fischers gehört hatte.

      Der Häuptling legte seine Schale hin und schaute seine Gefährten abwechselnd an, während er antwortete: »Es hat seine guten Seiten und auch seine schlechten. Wir nehmen beide, wie sie kommen, und müssen hoffen, dass es genügen wird. Darum brauchen wir nichts zu sagen, doch lasst uns stattdessen beten … beten wir jeden Tag.«

      Kapitel 1

      Sechs Monate später

      Coco Keahi grinste ihr verzogenes Spiegelbild