Die bekanntesten Kinder- & Jugendbücher. Magda Trott. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Magda Trott
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788027221226
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zog unter seinem blauen Strickjäckchen einen vertrockneten kleinen Kranz aus Feldblumen hervor.

      »Den habe ich zum Geburtstag bekommen, den hat mir die Tante um die Tasse gelegt. Wenn ich ihn ins Wasser werfe, werden die Blumen wieder frisch und fallen herunter, wo der Vater gewesen ist. Die Blumen schenke ich ihm.«

      Dann beugte sich das Kind weit über den Rand des Kahnes, und mit dem Kränzchen fielen ein paar Tränen aus seinen Augen ins Meer. –

      Fischer Jäger begann bald zu erzählen. Da wurde Pommerle ganz besonders aufmerksam, denn sie hörte, daß Herr Jäger bereits früher auf einem ganz großen Schiffe um die ganze Welt gefahren sein.

      »O Hannchen, was habe ich da nicht alles gesehen! Wenn man immerfort weiterfährt, durch den Ozean, um einen anderen Erdteil herum und wieder durch den Ozean, kommt man schließlich zu den Negern. Das sind Leute, die kohlschwarz sind.«

      »Sag 'mal, Onkel Jäger,« fragte Pommerle, das wieder nachdenklich vor sich hingeblickt hatte, »wenn sich so ein Neger 'mal mit der Nadel in den Finger sticht, – was kommt denn dann 'raus?«

      »Blut.«

      »Ja,« sagte Herbert, »dann kommt schwarzes Blut heraus, so schwarz wie Tinte, ich habe das 'mal gesehen.«

      »Ist ja Unsinn, du Großmaul, der Neger hat genau so rotes Blut wie du und ich.«

      »Nee,« meinte Herbert, »das können Sie uns nu nicht vorreden. Ich hab's doch schon gesehen, und so stimmt es.«

      »Ihr seid gewiß klüger als der Herbert,« meinte Fischer Jäger zu den beiden Mädchen, »laßt euch nichts von ihm vorreden. – Und jetzt will ich meine Netze auslegen. – Aber hübsch ruhig sitzen bleiben!«

      »Die paar Netze lohnen ja nicht,« brummte Herbert, »mein Vater hat tausend Netze.«

      »Was dein Vater hat, weiß ich besser als du.«

      Während der Fischer fürsorglich die Netze auslegte, wies Herbert ins Wasser und sagte: »Seht 'mal, da schwimmen tausend Flundern.«

      Die Kinder beugten sich über den Rand des Kahnes, doch Herr Jäger befahl sofort, sie sollten ganz ruhig sitzen, sonst werfe er sie alle zusammen in die See.

      »Ich hab' keine Angst,« sagte Herbert, »dann gehe ich zur Stine und sage ihr, was Sie gemacht haben. – Wißt ihr auch, warum die Flundern so platt sind?«

      »Die sind immer so gewesen, schon als sie noch ganz klein waren,« meinte Pommerle.

      »Gelacht,« meinte Herbert wegwerfend, »die Flundern sind früher auch 'mal Heringe gewesen, aber die Stine hat auf dem Meeresgrund so 'ne Art Waffeleisen. Da legt sie die Heringe hinein – – patsch, drückt sie zu, und dann sind die Flundern fertig.«

      »Ach nein,« erwiderte Pommerle energisch, »du lügst 'mal wieder, der Vater hat mir erzählt, die Flundern sind schon als ganz kleine Fischchen so platt.«

      »Hast recht, kleine Hanna,« schmunzelte Fischer Jäger. »Der Herbert erzählt euch Märchen, dem müßt ihr nicht alles glauben.«

      »Ich weiß eine viel schönere Geschichte, die hat mir Tante Berta erzählt, die hab' ich dem Onkel und der Tante wiedererzählt. Ich weiß, warum das Meerwasser salzig ist.«

      »Nanu, Hannachen, das weiß ich ja nicht 'mal, und ich bin doch schon ein großer Mann.«

      »Soll ich dir die Geschichte auch erzählen, Onkel Jäger?«

      »Aber freilich, ich möchte doch gern wissen, warum wir Salzwasser in der Ostsee haben.«

      Pommerle rückte in die Mitte der Bank, faltete die kleinen Hände zusammen und begann mit wichtigem Gesichtsausdruck zu erzählen:

      »Es war einmal ein kleiner, artiger Junge, der war sehr arm, er hatte keinen Vater und keine Mutter mehr. Eines Tages weinte er viel. Da kam eine schöne Fee, die sagte ihm: ›Hier hast du eine Kaffeemühle, die schenke ich dir, und wenn du daran drehst und sagst: O Mühle, Mühle, dreh dich fein, es soll ein Haufen Zucker sein, dann kommt gleich aus der Mühle der Zucker heraus.‹«

      »Das ist ja gelogen,« schrie Herbert.

      Pommerle ließ sich durch diesen Zwischenruf nicht stören.

      »Die Fee sagte wieder: ›Wenn du genug von dem Zucker hast, dann mußt du sagen: O Mühle, Mühle, halte ein, es könnte jetzt genug wohl sein.‹ Alles, was sich der kleine Junge wünschte, konnte er aus der Mühle herauskriegen. Da war der kleine Junge sehr froh, und eines Tages fuhr er in die weite Welt hinaus. Er hatte die Kaffeemühle unter dem Arm und ging durch eine große Stadt, in der hungerten alle Leute. Alles schrie: ›Gebt uns Brot!‹ Da setzte sich der Junge auf den Marktplatz, drehte die Mühle und sagte: O Mühle, Mühle, dreh dich fein, es sollen große Brote sein!«

      »Wirklich, eine sehr schöne Mühle,« sagte Fischer Jäger. Lächelnd hörte er der Erzählung Pommerles zu.

      »Jeder Mann und jede Frau bekam ein Brot, und alle schrien: ›Das ist ein guter Junge, der soll unser Bürgermeister werden!‹ Da wurde der kleine Junge der Bürgermeister von der großen Stadt. Und wenn seine Leute was brauchten, drehte er die Mühle. Dann ging es allen Leuten sehr gut. Eines Tages fuhr der kleine Junge, der jetzt ein Bürgermeister war, über das Wasser, denn er wollte 'mal nach seinem kleinen Häuschen sehen. Aber unterwegs sagte der Koch plötzlich: ›O je, nun ist das Salz in der Küche alle geworden.‹ – Da ging der Bürgermeister in seine Kammer, holte die Kaffeemühle und sagte: ›O Mühle, Mühle, dreh dich fein, es soll 'ne Menge Salz heut sein.‹

      Aber der Koch hatte den Bürgermeister belauscht und dachte: das ist eine feine Mühle, die muß ich haben. Und als der Bürgermeister 'mal 'raus ging, kam der Koch, wupp, hatte er die Mühle unter dem Arm und trug sie in seine Kammer. Der Bürgermeister kam zurück und schrie und jammerte nach seiner Mühle; aber weg war sie.«

      »Da hätt' ich doch das Schiff durchsucht,« meinte Herbert.

      »Die Mühle aber drehte sich weiter, immer mehr Salz kam heraus, der Koch wollte sie anhalten, aber es ging nicht, weil er den Spruch nicht wußte. Da war die ganze Kammer bald voller Salz, der Koch lief erschreckt hinaus, doch die Mühle drehte sich weiter. Und bald war das ganze Schiff voller Salz. Da kriegte der Koch mächtige Angst und schmiß die Mühle ins Wasser. Dort liegt sie immer noch und dreht sich und macht Salz. Und das ganze Wasser ist darum so salzig.«

      »Das war wirklich eine schöne Geschichte, Pommerle. – Aber konnte der Bürgermeister den Spruch nicht sagen?«

      »Nein, der war wohl so erschrocken, daß er gar nichts mehr sagen konnte.«

      »Das ist 'ne dumme Geschichte,« sagte Herbert. »Die Mühle ist ja gar nicht mehr auf dem Meeresgrunde. Als mein Vater neulich fischte, ist sie im Netz hängen geblieben.«

      Fischer Jäger schüttelte den Kopf. »Freilich, Herbert,« sagte er ärgerlich, »du hast die Mühle, – sie steht wohl bei dir zu Hause?«

      »Natürlich!«

      »Dann wundert es mich, daß du sie noch nicht gedreht hast.«

      »Das werde ich jetzt schon machen. Wir haben nur den Spruch noch nicht gewußt.«

      Hanna und Grete hatten große Augen gemacht. – Konnte es möglich sein, daß man die Mühle herausgefischt hatte?

      »Ist das wirklich dieselbe Mühle?« fragte Pommerle ungläubig.

      »Freilich, – blau und silbern.«

      »Ja,« sagte Pommerle erregt, »blau und silbern ist sie gewesen. Tante Berta hat mir mal 'ne Mühle gezeigt. Sie sagte, genau so sei auch die Wundermühle gewesen.«

      Herbert begann eine neue Geschichte zu erzählen, denn er wollte wieder die Hauptperson sein. Doch Pommerle und Grete Bauer dachten immerfort an jene Mühle, die jetzt im Besitze Herbert Affmanns war. Ob er wohl erlaubte, daß sie daran drehten?

      Die Netze waren fertig ausgelegt, Fischer Jäger wandte seinen Kahn