Er hatte auf eine große Veränderung gehofft, als er nach Ashe gekommen war, und er hatte sie bekommen. Statt in Clubs zu gehen, sah er nun meistens fern, las und aß allein langweilige Mahlzeiten. Für eine Person zu kochen, war verdammt deprimierend. Als er kein Single-Menü mit Hühnerbrust mehr sehen konnte, flüchtete er sich in ungesunde Snacks.
Auch in Ashe war er immer noch allein und sein Leben leer. Das hatte sich nicht geändert. Und seit er Xavier gesehen hatte – nicht nur sexy zurechtgemacht in dem Club, sondern den echten, alltäglichen Krankenpfleger – war ihm die Leere noch schmerzlicher bewusstgeworden.
Trent schüttelte die Melancholie ab und ging in die Küche, um sich eine Cola und eine Tüte Jalapeno-Chips zu holen. Er warf einen Blick auf seine nackte Brust und entschied sich für einen kleinen Umweg ins Schlafzimmer, um ein T-Shirt anzuziehen. Allein zu wohnen, bedeutete, dass er so schlampig angezogen sein konnte, wie er wollte, oder auch gar nicht, wenn ihm danach war. Aber Kartoffelchips und eine behaarte Brust waren keine gute Kombination.
Fünfzehn Minuten und zu viele fettige Chips später, mitten in einer verstörenden, aber recht erheiternden Reality-Show über zwanghafte Sammler (Hey, immerhin ging er nicht in den Folgen einer zwanghaften Kaufwut unter) klingelte sein Telefon.
Er griff danach, warf einen Blick auf das Display und zuckte zusammen. Das würde kein angenehmes Gespräch werden, aber er wies niemals einen Anruf von Helen ab.
Trent und Helen verband die Trauer um seinen besten Freund und ihren Ehemann, Byron Ritter. Er hatte nie wirklich darüber nachgedacht, wie sehr sich in seinem Leben alles um seine Karriere drehte – ohne eine Beziehung und ohne eine Verbindung zu seiner Familie –, bis Byron starb. Ein Chirurg wie er, aber einer, der alles hatte, was Trent fehlte. Byron hatte eine Frau und zwei Kinder hinterlassen. Ein ganzes Leben außerhalb des Operationssaals. Und er hatte sich dieses Leben selbst genommen. Im Abschiedsbrief, den er vor seinem Selbstmord hinterlassen hatte, stand zwar, dass er mit den Schuldgefühlen wegen eines Patienten, den er verloren hatte, nicht leben konnte, aber Trent wusste, dass mehr dahinter war als das. Byron war schon eine lange Zeit ausgebrannt gewesen und hatte es nicht über sich gebracht, mit der Arbeit aufzuhören.
„Die Leute würden sagen, dass ich egoistisch bin, weil ich meine Fähigkeiten nicht dazu einsetzten will, um Leben zu retten“, hatte er eines Abends nach mehreren Drinks zu Trent gesagt. „Und wie sollte ich es Helen erklären? Sie hat während meines Medizinstudiums so große Opfer gebracht. Sie hat ihre eigene Ausbildung aufgegeben, in zwei Jobs gearbeitet und wir haben einander kaum gesehen. Ich kann nicht weg. Ich kann einfach nicht …“
Bis er es eines Tages doch schaffte, nur auf eine Weise, die sich niemand gewünscht hatte.
Sein Tod war schockierend und traurig gewesen und er hatte Trent die Augen geöffnet.
Wenn Byrons Leben, das so voller Dinge war, für die es sich zu leben lohnte, nicht genügt hatte, was sagte das dann über Trents Leben aus? Er hatte den Mann, den er liebte, zurückgelassen und nie versucht, ihn zu ersetzen. Er hatte die Kluft zwischen sich und seinen Eltern von Jahr zu Jahr größer werden lassen. Wenn Trent sein Leben nüchtern betrachtete, dann mangelte es an allem. Deshalb auch sein überhasteter Umzug nach Ashe, um wieder mit Xavier in Kontakt zu kommen, und sich ein neues, erfüllteres Leben aufzubauen. Es war vielleicht ein bisschen früh für eine Midlife-Crisis, aber Trent war den Gleichaltrigen immer voraus gewesen.
Er drückte die Stummtaste auf der Fernbedienung und nahm den Anruf an. „Helen, hi. Wie geht es dir?“
„Es tut mir leid, dass ich dich störe, Trent“, sagte sie und klang traurig und erschöpft. „Ich musste nur einfach mal eine freundliche Stimme hören.“
Wie immer, wenn sie miteinander sprachen, kamen bei Trent Schuldgefühle auf. Er hatte die Stadt verlassen, als sie jede Unterstützung gebraucht hatte, die sie nur kriegen konnte. Byron, Helen und die Kids waren viele Jahre lang Freunde und eine Art Ersatzfamilie für ihn gewesen. Nun, da Byron nicht mehr da war, fühlte er sich für sie verantwortlich.
„Du störst nicht“, sagte er sanft. „Sind die Kinder okay?“
„Es war schwer“, sagte sie. „Katy fragt mich immer noch, wann er nach Hause kommt. Ich habe es so oft erklärt …“
Ihre Stimme versagte und Trent fühlte, wie sich sein Herz zusammenzog.
„Es tut mir leid“, sagte er rau. „Ich hätte nicht einfach so abhauen sollen.“
„Nein, da gibt es nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest. Hätte Byron seinen Job verlassen, hätte es ihm vielleicht das Leben gerettet. Wenn eine Veränderung in deinem Leben dich vor dem Schmerz bewahrt, den er empfunden haben muss, dann musst du das tun. Kümmere dich zuerst um dich.“
Ihre freundlichen Worte bewirkten nur, dass er sich noch egoistischer fühlte. Byron war gestorben und was hatte Trent getan? Er war wegen seines eigenen Lebens ausgeflippt. Ganz schön egozentrisch, Cavendish, nicht wahr?
„Ich wünschte, ich könnte für dich da sein“, sagte er. „Ich bin nämlich nicht sicher, was ich hier mache. Ich jage hinter einem Ex her, der sich wahrscheinlich wünscht, ich würde einfach wieder aus seinem Leben verschwinden. Aber du hast mich nicht angerufen, um meine Geschichten zu hören.“
Er konnte ein Lächeln in ihrer Stimme hören, als sie wieder sprach. „Das hätte Byron gefallen. Hätte er es gewusst, hätte er dich ermutigt, deiner ersten Liebe zu folgen.“
„Genau deshalb wusste er es nicht.“
Sie lachte. „Ja, er konnte ein bisschen aufdringlich sein.“
Trent hatte Helen nur deshalb von seiner Vergangenheit mit Xavier erzählt, weil er wollte, dass sie verstand, warum er in einer so schwierigen Zeit wegging. Sie war bemerkenswert unterstützend gewesen, wenn man bedachte, dass sie um ihren Mann trauerte und mit zwei schwer erschütterten Kindern umgehen musste.
„Wie ist es, nicht mehr im OP zu sein?“, fragte sie nach einer Minute.
„Ehrlich? Irgendwie ist es toll. Ich bekomme meine Patienten zu sehen, wenn sie bei Bewusstsein sind“, scherzte er. „Es hat sich herausgestellt, dass es echte Menschen sind, stell dir das vor.“
Tatsächlich vermisste er den OP, aber das würde er Helen nicht sagen. Vor allem vermisste er das Gefühl, etwas reparieren zu können. Jetzt verlangte sein Job, dass er Probleme diagnostizierte. Das war auch wichtig, aber Chirurgie war aktiver. Außerdem fehlte ihm das Gefühl von Stolz und Macht, das sie ihm verliehen hatte. Obwohl er sich nicht sicher war, ob das so gut für ihn gewesen war. Es war dieses Bedürfnis, sich zu beweisen, das ihn dazu gebracht hatte, seinen Ehrgeiz über alles zu stellen, sogar über sein eigenes Glück.
Er hatte sich betrogen gefühlt, als Xavier ihre Pläne eines gemeinsamen Studiums aufgab, weil seine Familie ihn brauchte. Nun sah er, dass Xavier geerdet und in einer Weise mit dem Leben verbunden war, die Trent nie erfahren hatte.
„Du sagst mir, wenn du etwas brauchst?“, fragte er Helen.
„Das werde ich. Es hilft mir schon, nur mit dir zu reden und zu wissen, dass du ihn auch vermisst.“
„Er hat dich geliebt“, sagte Trent. „Das weiß ich.“
„Es ist nur schwer. Ich schwanke zwischen Trauer und Zorn. Wie konnte er uns nur so im Stich lassen, Trent? Wie konnte er das den Kindern antun?“
„Ich weiß es nicht“, gab Trent zu. „Ich wünschte, ich hätte die Anzeichen gesehen.“
Sie lachte bitter. „Ich bin seine Frau und ich habe die Anzeichen nicht gesehen. Mach dir keine Vorwürfe. Er hat offenbar viele seiner Gefühle verborgen.“
Sie hatten diese Unterhaltung schon oft geführt, als sie versucht hatten zu verstehen, wie Byron an diesen Punkt kommen konnte, ohne dass sie