Er wollte nur einen Fickpartner. Womöglich auch in Erinnerungen schwelgen. Keinesfalls war Trent Cavendish, Doktor Trent Cavendish inzwischen, nach Ashe in Kansas zurückgekehrt, um wieder mit seiner ersten Liebe zusammen zu sein. Sowas passierte nicht.
Xavier legte den Gang ein. „Wie gesagt, verschwende nicht deine Zeit.“
Er drückte das Gaspedal durch, düste aus dem Parkplatz und ließ den ersten Mann, den einzigen Mann, den er je geliebt hatte, zurück.
Kapitel 2
November
Ach du Scheiße.
Xavier stoppte seinen Laufschritt und starrte geradeaus. Er war ohnehin spät dran. Nur mit Mühe war er seinem Gärtnereijob entkommen und die Beschwerden seines Vorarbeiters, dass sein Stundenplan so begrenzt war, klangen noch in seinen Ohren nach. Aber er erstarrte, als er am anderen Ende des Flurs Dr. Trent Cavendish sah, wie er mit der Krankenschwester sprach, die für Xavier verantwortlich sein würde, während er an der Poliklinik sein Praktikum absolvierte. Der weiße Mantel stand ihm gut.
Trent entdeckte ihn und drehte sich mit einem erstaunten Ausdruck in seine Richtung.
„Hi“, sagte er, als Xavier zögernd näherkam. „Bist du hier, um mit mir zu reden? Ich ziehe hier noch ein paar Stunden meine Runden.“
Xavier war sprachlos. Er hatte nie im Leben damit gerechnet, seinen Ex im Ambulatorium zu treffen. Ihm war klar gewesen, dass Trent ihm irgendwann über den Weg laufen würde, wenn er Praxisstunden in den diversen Abteilungen des Krankenhauses leistete. Er hatte angenommen, dass diese unangenehme Begegnung in der Chirurgie passieren würde, nicht hier.
„Arbeitest du hier oder ist das eine Konsultation?“, fragte Xavier.
Er ist sicher nur für eine chirurgische Konsultation hier …
„Ich bin als Allgemeinmediziner hier tätig.“
„Aber …“
Als Trent sein Medizinstudium begonnen hatte, war er Feuer und Flamme gewesen, Chirurg zu werden. Er war ehrgeizig und entschlossen. Die frei zugängliche Ambulanz, die das Krankenhaus vor einem Jahr eröffnet hatte, nachdem das Hauptambulatorium der Gemeinde wegen des Verdachts auf Versicherungsbetrug in Misskredit geraten war, war so ziemlich der letzte Ort, an dem Xavier ihn erwartet hätte.
„Hast du hier einen Termin, Xavier?“, fragte Trent, der seine Verwirrung falsch interpretierte. „Dann musst du am Empfang einchecken.“
„Oh, du bist Xavier!“ Die Krankenschwester mit dem Namensschild Hayleigh lächelte ihn an. „Ich habe dich erwartet. Das Schwesternzimmer ist gleich da hinten“, sagte sie und deutete über ihre Schulter.
„Du arbeitest hier?“, fragte Trent überrascht.
Xavier hatte nicht genug Zeit gehabt, um seine Jeans und seine Jacke gegen den Kittel zu tauschen, den er im Krankenhaus trug. Dazu schleppte er einen Rucksack mit seinem Laptop und einem Haufen Bücher herum, die er am Abend für den Unterricht brauchen würde. Also konnte er Trent keinen Vorwurf für das Missverständnis machen, aber der ganze Groll der Vergangenheit kam wieder hoch und brachte ihn auf die Palme.
„Xavier ist unser Azubi“, sagte Hayleigh. „Ich glaube, ich habe erwähnt, dass wir heute einen erwarten.“
„Ja richtig.“
„Ich kann ja nicht immer als Landschaftsgärtner arbeiten“, sagte Xavier angespannt. Du wirst am Ende für den Rest deines Lebens Rasen mähen. Trents zornige Worte bei ihrer Trennung vor all den Jahren hallten aus Xaviers Erinnerung.
Trent zuckte zusammen. Er erinnerte sich offenbar auch an die Worte, die er Xavier entgegen geschleudert hatte, als sie beide achtzehn waren.
Hayleigh bemerkte die Spannung zwischen ihnen nicht. „Hast du dort solche Arme bekommen? Solche Muskeln sieht man nicht an vielen Krankenpflegern oder auch bei Ärzten. Die werden sicher gut ankommen.“
Xavier musste über Trents entrüsteten Blick beinahe lachen. Er wusste nicht, ob es daran lag, dass Hayleigh unterschwellig mit ihm flirtete, oder daran, dass sie angedeutet hatte, der Rest der Belegschaft, Trent eingeschlossen, wäre irgendwie mangelhaft ausgestattet. In jedem Fall genoss er es, Trent zu ärgern.
„Ich sollte meine Sachen verstauen, damit ich anfangen kann“, sagte Xavier. Er streckte Trent die Hand hin, als würden sie einander zum ersten Mal begegnen. „Ich freue mich darauf, mit Ihnen zu arbeiten, Doktor Cavendish.“
Xavier war stolz auf sich, weil er so cool geblieben war. Er war vielleicht kühl und distanziert, aber er war wenigstens nicht leicht rumzukriegen. Seine Freunde behaupteten, er sei übertrieben nachgiebig. Aber wenn Trent seine Vergebung wollte, würde er dafür arbeiten müssen.
Trent spielte mit und ergriff seine Hand. Xaviers Arm kribbelte von der Berührung. Die Chemie zwischen ihnen war noch da, aber das hatte er schon gewusst, als Trent ihn im Sommer in dem Nachtclub berührt hatte.
„Es ist gut, dich zu sehen, Xavier. Lass mich wissen, wenn ich etwas tun kann, um deine Zeit bei uns angenehmer zu gestalten.“
Sein Ton war neutral, aber Xavier konnte nicht umhin, zwischen den Zeilen zu lesen. Er senkte den Blick und kämpfte dagegen an, rot zu werden. Er war noch nie so dankbar gewesen, dass sein Hautton wenig davon zeigte.
„Danke“, murmelte er, bevor er sich verdrückte, um seine Sachen wegzupacken und danach mit Hayleigh Patienten aufzusuchen.
Trents Reaktion auf sein abweisendes Verhalten verwirrte und verunsicherte ihn. Statt den Köder zu schlucken, hatte er seltsam aufrichtig geklungen, als er Xavier seine Hilfe angeboten hatte. Das war nicht der Trent von vor zwölf Jahren, an den er sich erinnerte.
Am Tag ihrer Abschlussfeier war es unter der Sonne von Kansas sengend heiß gewesen. Und unter ihren akademischen Hüten und Umhängen ihrer Highschool. Xavier und Trent stahlen sich vom Sportplatz davon, auf dem die Feier stattgefunden hatte, um einen Moment allein sein zu können. Trent wollte ihn küssen, aber Xavier hielt es kurz. Sie mussten reden und das würde nicht passieren, wenn sie zu knutschen anfingen.
„Ich muss dir etwas sagen“, stellte Xavier nachdrücklich fest.
„Was?“, fragte Trent mit einem Lächeln. In Gedanken war er offenbar schon ein paar Schritte weiter, als er eine Hand auf Xaviers Taille legte.
„Ich kann in diesem Herbst nicht mit dir aufs College gehen.“
Trent trat zurück. „Was? Warum?“
„Meine Familie braucht mich. Twaylas Mann hat sich abgesetzt und du weißt doch, dass sie zwei kleine Kinder hat. Und Großmutter hat nach einem Ohnmachtsanfall gerade erst die Diagnose bekommen, dass sie Diabetes hat. Vielleicht nächstes Jahr …“
„Soll das ein Witz sein, Xavier? Wir reden hier über dein Leben! Dass deine Schwester mit irgendeinem Arschloch zwei Kinder in die Welt gesetzt hat, ist nicht dein Problem. Was ist mit deiner Zukunft? Was ist mit mir?“
„Mit dir?“
Trent schubste ihn. „Ja, mit mir, deinem Freund? Ich dachte, wir ziehen das zusammen durch. Ich dachte, wir wollen dasselbe.“
„Das tun wir auch!“, sagte Xavier und fühlte sich schuldig. „Es ist ja nicht für immer, Trent. Aber ich kann jetzt gerade nicht weg. Sie brauchen mich.“
„Ich brauche dich auch, aber ich schätze, das ist nicht so wichtig wie die falschen Entscheidungen deiner Schwester.“
„Lass meine Schwester aus dem Spiel.“
„Verdammt, Xavier! Du wirfst deine Zukunft weg und wirst am Ende für den Rest deines Lebens Rasen mähen. Wenn du das willst, dann bleibt für uns