Unvermittelt wurde Jake bewusst, dass Remis sexuelle Orientierung und die Tatsache, dass er Jakes Gefährte war, was er erst noch erfahren und dann akzeptieren musste, nicht die einzigen Hindernisse auf seinem Weg waren. Er musste Remi dabei helfen, einen Weg zu finden, Sterling zu beschützen und sich um ihn zu kümmern, während er gleichzeitig die Bedrohung von Remis prügelndem Vater aus ihrem Leben schaffen musste.
Jake stellte sein Bier auf den Tisch und rutschte ein wenig näher an Remi heran. »Was ist mit eurer Mutter? Ist sie noch da?«
»Seit ich ausgezogen bin, scheint er Mom öfter zu schlagen. Sterling sagt, das kommt davon, weil sie sichergehen will, dass er nicht auf ihn losgeht.« Die Tränen, die Remi bisher zurückgehalten hatte, liefen seine Wangen hinunter. Er drehte das Gesicht zum Fernseher, der inzwischen einen blauen Bildschirm zeigte, und legte seine Wange gegen sein Knie.
»Sie ist ein hoffnungsloser Fall. Ich hab's versucht. Ich hab's so verdammt oft versucht. Sie will nicht gehen. Sagt, sie liebt ihn und er braucht sie. Am Anfang dachte ich, sie hat Angst, aber inzwischen…« Mit der Hand wischte er die Tränen weg. »Inzwischen glaube ich, dass er ihr mehr bedeutet als wir. Sterling und ich haben uns immer aufeinander verlassen. Das ist schon so, seit er geboren wurde. Wenn es Sterling nicht geben würde…«
Remi hob den Kopf. Die Tränen liefen nicht länger über seine Wangen, aber sie standen in seinen Augen. »Ich wäre niemals lebend da rausgekommen, wenn es Sterling nicht geben würde. Und jetzt muss ich ihn da auch rausholen, bevor irgendetwas Schreckliches passiert.«
Bei dem, was Remi andeutete, musste Jake einen Kloß in seinem Hals hinunterschlucken. Der Gedanke daran, dass es Remi nicht mehr geben könnte, verursachte einen harten Knoten in Jake. Selbst wenn Remi nicht sein Gefährte gewesen wäre, sah er vor sich einen Mann, den er bewunderte. Die Tatsache, dass er es jedoch war, machte ihn zu etwas noch Besondererem.
Remi schüttelte den Kopf und die Tränen rannen seine Wangen hinunter. »Ich weiß nicht, warum sie uns nicht genug liebt, um ihn zu verlassen. Wie kann sie ihn ihren eigenen Kindern vorziehen? Wie kann…? Ich hätte ihn schon vor langer Zeit schnappen und mit ihm weglaufen sollen. Es ist meine Schuld, ich habe Sterling im Stich –«
»Shh. Nein, das hast du nicht. Für mich sieht es so aus, als machst du deinen Job, auf deinen kleinen Bruder aufzupassen, verdammt gut.« Jake berührte seine Wange, erwartete jedoch halb, dass Remi sich zurückziehen würde. Er tat es nicht. Jake streichelte mit der Hand über Remis Gesicht und wischte dabei die Tränen fort. Vom ersten Tag an hatte Remis kleinere Statur in ihm den Wunsch geweckt, ihn zu beschützen, aber jetzt war dieses Gefühl sogar noch stärker geworden. »Es ist nicht deine Schuld, Remi.«
Remi lehnte sich vor. Seine Augen verwandelten sich in Wolfsaugen, als er den Kopf neigte. Schließlich schloss er die Augen. Fuck, wenn das nicht heiß war, dann wusste Jake auch nicht. Seine eigenen Augen verwandelten sich und entlockten ihm ein Grollen. Blut rauschte in Richtung Süden, direkt in seinen Schwanz.
Er schob eine Hand in Remis Nacken und zog ihn zu sich. Der Geruch nach Erregung erfüllte seine Sinne, bevor sich seine Lippen auf Remis legten. Jake fackelte nicht lang. Mit der anderen Hand umfasste er Remis Kinn und zog daran, als seine Zunge in Remis Mund vorstieß.
Remi überließ sich Jakes Führung und öffnete die Lippen. Seine Zunge glitt an Jakes entlang, während seine Hände ihren Weg auf Jakes Schultern fanden. Jake fuhr mit der Zunge über Remis Zähne, folgte den hervorstehenden Fangzähnen und seine eigenen fingen an zu wachsen.
Noch nie hatte er so die Kontrolle über seinen Körper – seine Augen und seine Zähne – verloren, wie es ihm in Remis Nähe passierte. Es war frustrierend und faszinierend zugleich. Er wollte, dass Remi sich unter ihm wand, dass Remi ihm genauso viel Lust verschaffen wollte wie Jake ihm.
Sein Verlangen, die Führung zu übernehmen, war so intensiv, dass er darunter beinahe erzitterte. Es gelang ihm kaum, seine aggressiveren Wünsche zu unterdrücken. In Anbetracht von Remis Vergangenheit wollte Jake nicht, dass Remi sich in die Enge getrieben fühlte.
Sie fanden sich auf der Couch liegend wieder, Jake lang ausgestreckt auf dem Rücken und Remi auf ihm. Remis steifer Schwanz drückte gegen Jakes Hüfte, seine dunklen Haare breiteten sich um ihre Gesichter aus und verdeckten sie.
Jake legte beide Hände auf Remis Hintern und presste sich gegen ihn, um sicherzugehen, dass Remi keine Zweifel darüber bekam, ob er ebenfalls hart war. Remi stöhnte und bewegte seine Hüften. Er drehte den Kopf, auch wenn er dadurch ihren Kuss unterbrach, und entblößte seinen Hals, als er sein Gesicht an Jakes Schulter vergrub.
Oh Fuck. Jakes Glied zuckte, seine Hüften stießen nach oben. Die unterwürfige Geste war beinahe sein Untergang. Er drehte Remis Kopf noch ein Stückchen weiter, strich seine Haare zurück und leckte eine lange Spur über die schmale Linie seiner Kehle. Remis Puls hämmerte unter seiner Zunge und bestätigte die Erregung ebenso sehr wie die Erektion, die sich gegen Jakes rieb.
Mit einem Eckzahn fuhr Jake an Remis Hals entlang und bekämpfte zugleich den schier unwiderstehlichen Drang, zuzubeißen. Noch immer wollte er Remi mit den Zähnen festpinnen, ihn unten halten und ihn ficken, bis keiner von ihnen beiden sich mehr bewegen konnte. Er wagte es nicht.
Remi erschauderte und spreizte die Beine, um Jake mehr Freiraum zu gewähren, und schob seinen Hals Jakes Zähnen entgegen.
Oh Fuck. Das war zu viel. Wie sollte Jake einem so verlockenden Angebot widerstehen?
Riiiing.
Remis ganzer Körper erstarrte.
Fuck, Fuck, Fuck. Entweder würde Jake denjenigen, der am anderen Ende der Leitung war, ermorden oder ihm einen Präsentkorb schicken, er hatte keine Ahnung.
Remi hob den Kopf. Seine Augen – immer noch in ihrer Wolfsform – weiteten sich und er kletterte von Jake herunter. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, seine Fangzähne immer noch deutlich sichtbar, aber das Telefon klingelte erneut. Auf dem Absatz drehte er sich um und floh in Richtung Küche.
Noch mal Glück gehabt. Stöhnend setzte Jake sich auf und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. Seine Reißzähne gruben sich in seine Unterlippe. Verdammt. Was hatte er sich dabei gedacht? Er hätte die Dinge nicht so weit kommen lassen sollen. Während er sich neu sortierte, erregte eine Bewegung im Augenwinkel seine Aufmerksamkeit. Er schaute gerade noch rechtzeitig auf, um Sterlings schwarzen Schopf in den Flur verschwinden zu sehen.
***
Oh Gott! Was hatte er getan? Remi legte den Hörer auf und hatte das Gefühl, als ob sein Magen in seinen Hals hochgestiegen wäre, während er sich nach vorne auf die Arbeitsplatte sinken ließ. Er presste die Stirn zwischen seinen Unterarmen gegen die Oberfläche. Gott sei Dank hatte seine Mom angerufen, um nachzufragen, ob Sterling bei ihm war. Was, wenn das Telefon nicht geklingelt hätte?
Remi rieb seine Stirn auf der kühlen Platte vor und zurück und unterdrückte den Drang, seinen Kopf ein paar Mal dagegenzuschlagen, um sich selbst ein wenig Vernunft einzuprügeln. Eben war ihm die Tatsache, dass Jake ein Mann war, keine Sekunde lang in den Sinn gekommen. Es hatte sich wie die natürlichste Sache der Welt angefühlt. Es war ein Impuls gewesen, ein tief liegendes, schmerzhaftes Bedürfnis, aber jetzt…
Fuck. Er hatte es gewollt. Was zur Hölle war los mit ihm? Er war nicht schwul… konnte es gar nicht sein. Scheiße. War Jake schwul? Oder hatte Remi ihn irgendwie dazu gebracht, zurückzuküssen?
»Remi?«
Remi hob den Kopf und richtete sich auf, als Jake die Küche betrat. Jake hob eine Augenbraue an und ließ seinen Blick an Remi auf und ab wandern. »Alles okay?«
Unter der Musterung machte Remis Magen einen Satz. Er musste Jake loswerden, damit er nachdenken konnte.
»Äh, ja. Das war nur meine Mutter, die angerufen hat, um sicherzugehen, dass Sterling bei mir ist.« Wie in aller Welt sollte er seine Handlungen eben erklären? Remi legte das schnurlose Telefon, in dem Wissen, dass jede Entschuldigung, die er anbieten konnte, mehr als dürftig klingen würde, auf der Arbeitsplatte ab, aber