Kasperle-Spiele für große Leute. Max Kommerell. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Max Kommerell
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788711448335
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man liebt, zu schlagen,

      Sobald er wacht –

      Nur wenn er schläft, zu sagen,

      Nur kaum, nur sacht,

      Was man für ihn empfinde,

      Ist über meine Kraft!

      O Liebe – o du blinde,

      Dem Schlafenden entdeckte,

      Dem Wachenden versteckte,

      Zwecklose Leidenschaft!

      Prinzessin Bibi tritt an den schlafenden Kasper heran.

      Bibi. Da schnarcht er und riecht nach Schnaps! So kann er mich nicht erlösen.

      Kasperle erwachend. Bist du ein Geist?

      Bibi. Nein, Bibi. Trinke nicht mehr, bring Biribi zum Lachen, und ich heirate dich! Ab.

      Kasperle. Welche Engelsstimme hat mir gelispelt? Und gar von Heiraten! Aber was wird Schlampampe dazu sagen?

      Schlampampe hereinstürzend. Das!

      Haut ihm eine herunter, Kasperle flieht.

      O, daß ich ihm nie meine wahren Gefühle zeigen kann!

      Biribi schleicht herein.

      Biribi. Ich sah doch hier die Prinzessin hereingehen! Diese dumpfe Wohnung ist ganz erfüllt von dem Wohlgeruch ihres köstlichen Fleisches. Hier ist sie; das beste ist, ich fresse sie gleich.

      Biribi frißt Schlampampe und geht ab.

      Kasperle stürzt herein. Hurra, Biribi fraß Schlampampe, ich heirate Bibi.

      Zehnte szene

      Biribi windet sich in Schmerzen. Es seufzt schwer, während man Kasperle von weitem lachen hört.

      Biribi.

      Mein Inwendiges ist in Gärung. Ein paar Prinzessinnenknochen stehen quer in meinem Bauch. Merkwürdig harte Knochen – man könnte denken, daß ich mich vergriffen habe. Doch damit trete ich mir selbst zu nahe.

      Kasperle mit seinem Prügel, laut lachend.

      Kasperle. Ha, ha, ha, das ist ein Einfall! Den Prügel schwingend. Mein Zahnstocher für’s Biribi! Das bringt’s zum Lachen! Ha, ha, ha!

      Biribi. Er lacht, und ich leide. Oder lacht er, weil ich leide? O Leben unter den Menschen! So lacht nur, wer weiß, daß ich ihn nicht fresse. Zu Kasperle. Du Elender, der du dein Leben nur meinem wählerischen Geschmack zu danken hast ... fräße ich alles und wäre ich nicht Spezialist –

      Kasperle. Hab dich nicht so! Schlecht ist dir’s, das ist alles. Hast Zahnweh? Ich hab’ dir ’nen Zahnstocher mitgebracht! Zwängt ihm den Prügel in das Maul. Hurra, du lachst!

      Biribi. Wie gründlich verkennst du mein Mienenspiel. Die Natur hat die Linien meines Mundes zu seltsamen Krümmungen verzogen, so daß ich eine Art von stehendem Lächeln habe, das nicht übel zu meiner wortkargen Feierlichkeit paßt, zumal wenn ich wie jetzt verdaue. In einer gewissen Weise lächle ich immer oder nie, nicht wie du aus dem Stegreif! Ich habe Stil. Er ist mir so zur Gewohnheit geworden, daß ich ihn gerne los wäre.

      Kasperle für sich. Es ist teufelsmäßig schwer, diese steinerne Kröte zu kitzeln. Meine Schlampampe sagt immer, am lächerlichsten sei ich, wenn ich gerührt bin. Ich muß mich stark rühren. Zu Biribi. Du pfeifst aus dem letzten Loch, ich schicke dir einen Seelsorger. Ins Publikum. Jetzt tu’ ich mir was Schwarzes um, daß ihr’s alle wißt! Aber nicht dem Biribi sagen. Ab.

      Biribi. Leider weiß ich genau, daß er selber kommen wird. Ach, würde ich nur einmal überrascht! So hege ich hier im großen Stil der Langeweile, den ich ach nur allzu gut beherrsche. Es singt in schleppendem Tempo.

      Ich Krokodil

      Bin ein Reptil

      Von hohem Stil.

      Ich lernte viel

      Vom Sphinx-Profil

      Am Nil, am Nil!

      Nil, Nil! Wie sagt der Lateiner? Nil admirari, ja da liegt es.

      Kasperle, als Beichtiger mit einer schwarzen Schärpe und verstellter Stimme.

      Kasperle. Liegt dir eine geheime Schuld auf dem Magen?

      Biribi mürrisch. Es muß so was sein. Bisher war ich nach dem Genuß einer Prinzessin immer aufs innigste mit mir selber ausgesöhnt. Ich sagte ich, wenn ich du sagte, in einer rein inwendigen Vermählung ohne Zeremonie. Ihre Säfte süßten mein Krokodilblut, und ich befahl mir herrisch und gehorchte mir demütig im ungetrübten Glück, das dauerte bis zur nächsten Mahlzeit. Auch jetzt fühle ich mich zu zweien, aber das andere keift und bestreitet mich aus mir selber. Vielleicht sollte ich einen Nahrungswechsel vornehmen und künftig nur noch Käsperle fressen. Sie, Herr Beichtiger, kennen gewiß einen Mann dieses Namens?

      Kasperle heult laut auf. O unglückseliger Ka –

      Biribi. Meinst du mich?

      Kasperle. Kanarienvogel wollte ich sagen.

      Biribi. Kanarienvogel?

      Kasperle. Es war nur eine zärtliche Bezeichnung für Krokodil. Das mit den Käsperle schlag dir aus dem Kopf! Das sind gefährliche Burschen. Ich kenne einen, der eine verwerfliche Neigung für Prinzessinnen hat. Er würde mit den dir einverleibten Personen dieses Standes gar sonderbare Tänze aufführen, und du hättest Unfug, wenn ich so sagen darf, in deinem eigenen Hause! Für sich. Himmel, schon wieder werde ich witzig, statt mich zu rühren! Ich kann mir den Druck auf deinem Gewissen nicht anders erklären, als daß du von deiner Art gelassen und eine alte Schachtel statt einer jungen Wachtel gefressen hast.

      Biribi für sich. Wie tief der Mann sieht! Ja, mein Magen ist mein Gewissen! Hier liegt es. Sollte er noch tiefer gesehen haben, sollte ich wirklich statt ... wie, Biribi? Wenn ich’s bloß denke ... schon die Möglichkeit ...

      Kasperle für sich. Halt! ’s ist nix. Das Viech grübelt, statt daß es lachen tut. Jetzt einen Einfall her! Ich hab’s! Zu Biribi. Sind Sie eigentlich, wenn ich offen fragen darf, männlichen oder weiblichen Geschlechts?

      Biribi dumpf auf heulend. Das weiß ich nicht. Das habe ich mich noch nie gefragt. Du führst mich an den Abgrund des fürchterlichsten Rätsels.

      Kasperle mit Gewicht. Hier hilft kein Seelsorger, hier hilft nur der Arzt. Ab.

      Biribi. Obwohl ich weiß, daß wieder er selbst kommen wird, will ich doch tun, als wüßt’ ich’s nicht. Vielleicht löst er mir in seiner Torheit dies fürchterlichste aller Rätsel.

      Kasperle tritt auf mit einem Doktorhut.

      Kasperle für sich. Bisher konnte ich nur zeigen, was ich gelernt habe, das war Kinderspiel. Jetzt muß ich zeigen, was ich nicht gelernt habe. Da wird’s fürchterlicher Ernst. Zu Biribi. Das, was Sie – Herr, Frau oder Fräulein Biribi, von Natur sowieso tun, befehle ich Ihnen jetzt ausdrücklich: Liegen Sie auf dem Bauch! Ich klopfe Sie ab, das gehört zu meinem Beruf. Darum Geduld.

      Während Kasperle nach jedem Klopfer mit seinem Prügel das Ohr an Biribi legt, verwendet eine kleine Zwischenmusik folgende Motive: Nach starkem Klopfen ein zorniges Fauchen, worauf Kasperle kleinlaut wird und bescheiden klopft mit mehrfachem da capo.

      Kasperle. Dieser Rücken ist gegen meine feinsten Klopf- und Horchkünste gewappnet. Auf den Rücken! Den Bauch zeigen!

      Wieder Musik. Nach einigem zarten Klopfen ein derber Schlag, fürchterliches Gefauche.

      Kasperle. Aha, da sitzt’s! Mein Herr, Sie sind Weib, und dazu schwanger! Hebamme her, Hebamme! ... Einen Augenblick, ich will nur die Hebamme holen. Im Abgehen. Ich will tun, als ob ich mit der Hebamme spräche. In Wien nennen sie mich Laroche. Und bei den Griechen gab’s einen Mann mit einem langen Bart, der hieß La Rochefoucauld. So will