Kasperle-Spiele für große Leute. Max Kommerell. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Max Kommerell
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788711448335
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in den Bauch.

      Zauberer umsinkend. Ich habe gelebt.

      Teufel ihn beschnuppernd. Er stinkt schon, gleich nehm’ ich ihn mit. Doch was ist das?

      Sie lachen beide abwechslungsweise unbändig und in allen Tonarten; indem einer auf den andern losrennt, den andern boxt, packt, verbleut, würgt.

      Zauberer. Jetzt ist’s in mir.

      Teufel. Nein in mir. Da, da!

      Sie rennen mit den Köpfen aneinander und sinken um. Totenstille.

      Der Polizist tritt auf.

      Polizist. Ich höre Stimmen. Wer sind Sie! Was singen Sie hier für ein Duett? Ist es forte, dann ist es eine Ruhestörung, ist es piano, dann ist es ein Geheimbund! Ich verhafte Sie! Keine Widerrede – oder Sie können das übrige als Leichen sagen. Wer sind Sie? Er kommt näher, greift sie an. O je, es sind schon Leichen – und welch ein Unglück! Ich kann sie nicht feststellen. Leichen an sich sind nichts Schlimmes. Eine angemessene Zahl von Todesfällen liegt im Interesse der städtischen Verwaltung. Aber eine Leiche, die nicht festgestellt ist, das darf nicht vorkommen, solang ich im Amt bin. Ausländer sind’s, man sieht’s an der Gesichtsfarbe. Wertgeschätzte Leichen, werdet nur einen Augenblick lebendig, damit ich eure Personalien feststellen kann! Nichts. Ach was, ich werf’ sie ins Wasser, dann bleibt alles streng vertraulich. Es gibt keinen Staat ohne ein Staatsgeheimnis. Er nimmt beide Leichen unter den Arm. Sie zucken heftig. Was, Halbheiten, noch bis in den Tod hinein? Wer tot ist, ist tot. Halbtote werden hier nicht geduldet. Ins Wasser mit euch! Die Leichen zucken wieder. Still gelegen! Fast hätte ich gesagt: Stillgestanden, ihr Leichen. Aber eine Leiche hat keinen Stand mehr, das ist klar. Deswegen gibt es da auch keine Standesunterschiede. Ich hab’ mich also ganz richtig ausgedrückt. So, jetzt sind wir gleich am Wasser. Die Leichen zucken noch heftiger. Was zuviel ist, ist zuviel! Er stößt ihre Köpfe aneinander, bis sie sich nicht mehr rühren. Es genügt nicht, tot zu sein – es gehört auch Haltung dazu! Ich glaub’ schon, daß auch eine Leiche mal was kitzelt. So eine Mücke, die weiß nicht, ob die Nase, auf die sie sich setzt, eine Nase des Lebens oder eine Nase des Todes ist. Aber was eine anständige Leiche ist, die beherrscht sich.

      Man hört in der Ferne lachen, Kasperle tritt auf. Der Teufel und der Zauberer springen auf die Füße und suchen das Weite.

      Teufel. Das Lachen ist da – alles, nur das nicht!

      Zauberer. Die Lachpest, die Lachpest! Solange diese anstekkende Krankheit hier wütet, bleibe ich außer den Grenzen des Reiches.

      Kasperle. Was war denn mit denen?

      Polizist. Eigentlich sind es zwei Leichen, wenigstens waren sie’s bis dato. Aber sie benahmen sich dabei so, daß man sie unmöglich ernst nehmen konnte. Wir verlieren wenig daran, wenn sie über die Grenze gehen. Empfehle mich. Polizist ab.

      Kasperle. So was ist mir noch nie passiert. Ich wachte auf und wartete wie gewöhnlich auf meinen ersten lustigen Einfall, um aufzustehn und ihn auszuführen; aber ich blieb ernst, wie eine Blutwurst. Ich erzählte mir selber die schönsten Schnurren und sah dabei in den Spiegel – aber mein Mienenspiel spielte überhaupt nicht mehr. Schließlich rasierte ich mich und machte dabei eine wahre Leichenbittermiene. Da hörte ich ganz von fern – man sollt’s nicht glauben, wenn’s nicht wahr wäre – mein eigenes Gelächter; ganz genau wie ich lache, aber aus mir draußen. Ich sah, wie mein Gesicht sich andächtig verklärte, und jetzt erst gewann ich mein Gelächter lieb und wußte, was ich an ihm hatte – da’s von mir weg war und wieder zu mir herkam. Es sprang an mir hinauf, wie ein Hundel – war das eine Wiedersehensfreude! Vor Staunen sperrte ich das Maul auf – da flog es gleich hinein, und jetzt ist’s in mir drin und rumort in mir, daß mir der Bauch wackelt. Hahaha. Noch nie war mir so lächerlich zumut wie jetzt, das ist grad die richtige Stimmung für’s Biribi.

      Siebente szene

      Polizist und Kasperle.

      Polizist.

      Stillgestanden, Kasperle! Sofort Chinesen fragen, wie man Ungeheuer zum Lachen bringt. Jeden Tag, den es noch nicht lacht, bekommst zu zehn hinten drauf. Habe Befehl, dir sogleich zehn im Vorschuß zu verabreichen. Achtung! Rumpfbeugen nach vorn, geradeaus, das hintere Gesicht mir zugekehrt, ohne mit einer Wimper zu zucken!

      Er zählt ihm zehn auf, Kasperle schreit jedesmal.

      Polizist. Linksum kehrt! Vorderes Gesicht mir zugewendet! Wirst du in allem dem Chinesen gehorchen?

      Kasperle. Jawohl, ich will. Wo ist denn das Ungeheuer?

      Polizist sehr laut. In der Landschaft.

      Läßt ihn stehen.

      Achte szene

      Der Chinese und Kasperle.

      Kasperle.

      Empfehlung, alter Chinese! Du bist der Weiseste, ich bin der Dümmste. Da passen wir gut zusammen.

      Chinese. Das dürfte wohl das Richtige sein.

      Kasperle. Denk dir, ich soll Biribi ...

      Chinese. Weiß schon alles.

      Kasperle. Du weißt schon alles? Das ist gut. Da brauch’ ich mich nicht zu plagen, wo mir so das Sprechen so sauer fällt. Gelt, Chinese, wenn ich mir so ein kleines Räuschlein antrinke, dann kann ich Biribi am besten zum Lachen bringen?

      Chinese. Oder auch im Gegenteil.

      Kasperle. Wie – muß ich’s etwa nüchtern tun?

      Chinese. Das dürfte wohl das Richtige sein.

      Kasperle. O Prinzessin Bibi! Daß dem Liebsten zuliebe immer das Schwerste verlangt wird! Aber aus Liebe bleibt sogar ein Kasperle nüchtern!

      Chinese eigentümlich nickend. Das dürfte wohl das Richtige sein.

      Kasperle. Ich bin wohl entlassen?

      Da der Chinese noch immer nickt, geht er ab, folgende Verse singend.

      Du alter Chinesenkopf

      Machst mich ganz schüchtern!

      Nun werd’ ich armer Tropf

      Aus Liebe nüchtern.

      Neunte szene

      Frau Schlampampe allein.

      Schlampampe.

      Wo nur mein süßer Kasperle bleibt! Wären wir doch endlich verheiratet. Als Frau sehne ich mich so sehr nach einem regelmäßigeren Zustand. Aber ach, eine bange Ahnung sagt mir, es wird nichts damit. Der Planet der Liebe stand mit anderen Planeten in ungenauen Verhältnissen, als Frau Schlampampe zur Welt kam. Als Witwe wurde ich geboren, als Jungfrau werde ich sterben.

      Polizist tritt ein, Kasperle daherschleppend.

      Polizist. Da, Sie! Passen Sie künftig besser auf Ihren Mann auf, er ist wieder knallvoll. Hundert Ganze habe ich ihm verabreicht, und nicht einen einzigen hat er gespürt. Sein Hinterteil ist in einem unbewußten Zustand. Eines muß ich sagen: So – auf Kasperle deutend – bringt man kein Ungeheuer zum Lachen.

      Schlampampe. Wie soll ich denn auf ihn achtgeben, wenn ich noch nicht mit ihm verheiratet bin.

      Polizist. In diesem Staat wird geheiratet! Merk Sie sich das!

      Er wirft Kasperle hin und geht ab.

      Schlampampe ihn beobachtend. Wie süß du schnarchst im Mondenschein, o Kasper! Wie der Schlaf deine Züge veredelt! O daß du doch im Wachen ein ebenso ruhiges Leben führen würdest, wie ich es dich im Schlaf tun sehe! Warum darf ich dir meine zartesten Gefühle nur gestehen, wenn du schläfst und sie nicht hören kannst? Und dich, wenn du wach bist, nur schelten? Doch würdest du eines dieser Worte vernehmen, so wäre es mit allem meinem Einfluß auf dich vorbei. Jetzt gehe ich beiseite, um einsam in meinen Empfindungen zu schwelgen. Du könntest sonst erwachen, und ich müßte wieder deine alltägliche