Kasperle-Spiele für große Leute. Max Kommerell. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Max Kommerell
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788711448335
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Aber was tun wir nur mit dem Ungeheuer?

      Tod. Eben kommt der Teufel. Verstecke dich, und du wirst’s hören.

      Man hört das Stampfen des Teufels, der unter folgendem Gesang auftritt:

      Teufel.

      Der Teufel hat Langeweil,

      Weil die Leut brav worden sind.

      Er hält Maulaffen feil,

      Teufels Großmutter kratzt ihm den Grind.

      Tod. Guten Abend, Teufel: Übrigens hast du hier nichts mehr zu suchen, da niemand mehr in die Hölle kommt. Die Bösen tut man ins Besserungsheim, und wenn sie dort hunderttausend Jahre gewesen sind, werden sie reif für den Himmel.

      Teufel. Ja, nicht einmal auf die Bösen ist mehr Verlaß! Zur Zeit arbeite ich bei dem Zauberer Miraspalabras. Soll tüchtig sein, aber die Zauberer haben schlechte Aussichten; das Holz, aus dem die Zauberstäbe geschnitzt werden, ist ausgegangen. Ich warte, bis das Biribi stirbt, das alte Leckermaul. Es hat schon arg das Zahnweh, weil das Prinzessinnenfleisch die Eckzähne so angreift. Jetzt wird es bald seine letzte Prinzessin gefressen haben. Ich glaube nicht, daß der liebe Gott Wert auf seine Seele legt. Ich freue mich schon. Morgen hält es seinen Fraß –

      Tod. Wenn man es nicht zum Lachen bringt.

      Teufel. Wieso zum Lachen bringt?

      Tod. Hast du denn keine Naturgeschichte gehabt? Ungeheuer mit grüner Haut und roten Haaren fressen Prinzessinnen, bis sie jemand zum Lachen bringt.

      Teufel. O, das wird schwer halten. Das Biribi ist viel zu dumm, um über irgend etwas zu lachen. Übrigens bekomme ich es so oder so. Adieu, Tod!

      Tod. Servus, Teufel!

      Der Teufel ab. Bibi kommt aus dem Versteck und fällt dem Tod um den Hals.

      Bibi. Tausend Dank!

      Tod. Bitte keine unangebrachten Zärtlichkeiten. Der Tod ist nicht zum Vergnügen da.

      Bibi. Ach so, pardon. Einen Gruß von Papi.

      Tod. Danke sehr, werde nächstens vorsprechen.

      Fünfte szene

      Der Chinese.

      Chinese.

      Was die Menschen nur reden. Wahre Weisheit kommt mit wenig Worten aus. Ich brauche bloß drei Sätze, um allen alles zu sagen. Ich sage entweder: „Weiß schon alles“ oder „vielleicht auch im Gegenteil“ oder „das dürfte wohl das richtige sein“. Ich bin so weise, daß ich sonst gar nichts zu sagen brauche.

      Der König klopft an und tritt herein.

      Chinese. Weiß schon alles.

      König verschnaufend, aufgeregt. Biribi – meine Tochter hat gehorcht – beim Tod – zum Lachen bringen – sonst frißt – wer kann da helfen? Nur der Weiseste im ganzen Land.

      Chinese. Vielleicht auch im Gegenteil.

      König verdutzt, dann von einem Gedanken erhellt. Aha! Also der Dümmste im ganzen Land. Das ist Kasperle. Kasperle muß Biribi zum Lachen bringen.

      Chinese. Das dürfte das Richtige sein.

      König. Ausgezeichnet. Ich schicke Polizei zu Kasperle, Kasperle spricht bei Ihnen vor, damit Sie ihm einen Rat geben. Ich bin Ihnen unendlich verbunden, Sie sind gescheiter als wir alle.

      Chinese. Das dürfte das Richtige sein. König ab.

      Sechste szene

      Der Zauberer und der Teufel.

      Der zauberer.

      Polokruz, polokruz!

      Teufel erscheint. Zim, zim!

      Zauberer. Ich liebe Bibi, liebt sie noch jemand außer mir?

      Teufel. Ja, Kasperle!

      Zauberer lacht gellend. Und seine Aussichten?

      Teufel. Sind gut, wenn er Biribi zum Lachen bringt.

      Zauberer. Kann ich das hindern?

      Teufel. Du mußt sein Gelächter einfangen und tot machen.

      Zauberer. Ist das ein Tier, oder so was?

      Teufel. Viel, viel kleiner als ein Mäuschen – ein unsichtbares Etwas. Man hört’s nur, man sieht’s nicht, greift’s nicht – ’s ist in ihm drin.

      Zauberer. Können wir es in eine Falle locken?

      Teufel. Ja, wenn er schläft. Dann geht’s durch seinen offenen Mund spazieren und dringt in fremde Schlafstuben ein, kitzelt die Leute am Bauch und amüsiert sich, bis Kasperle wieder aufwacht. Dann hat es wieder Dienst. Jetzt schläft er gerade.

      Zauberer. Gut, ich locke es heran, und du mach, daß du es verschluckst.

      Man hört ein fernes, leises Gekicher, das näher kommt und anschwillt, die ganze Tonleiter auf und ab lacht und schließlich dröhnt, wie ein mächtiger Baß. Der Zauberer und der Teufel laufen ihm nach, wollen es mit den Händen fangen, stolpern, laufen sich selbst in die Arme, sehen in die Luft hinauf usw.

      Zauberer faßt den Teufel an die Ohren. Ich hab’s, ich hab’s!

      Teufel. Ach was – das bin doch ich, der Teufel.

      Zauberer. Ach so. Pardon.

      Teufel faßt den Zauberer an seinem Hintern. Ich hab’s! Ich hab’s!

      Zauberer. Ach was, das ist doch mein Hintern!

      Teufel. Oh, entschuldigen Sie, mein Allerwertester! – In der Luft ist’s, in der Luft ist’s, dicht über Ihrem Kopf!

      Zauberer. Was in der Luft ist, dafür hab’ ich einen besonderen Merks. Ich hex’ es in mich hinein. Passen Sie auf: Jau, jau, julu, ratz, ratz, ratz, bum. So, jetzt mach’ ich’s Maul auf und fress’ es.

      Er fängt an mit ganz hoher Stimme zu kichern und sich zu schütteln.

      Teufel. Was ist mit Ihnen? Warum kichern Sie so? Ihre Stimme ist verändert. Ich kenne Sie nicht mehr. Woher diese verspätete Kindlichkeit? Und warum schütteln Sie sich so gewaltsam?

      Zauberer. Ich muß, ich muß. Das Gelächter Kasperles ist in mir. Es poltert und purzelt mir durch die Därme, es zerreißt mich noch. Hihi, haha, hoho! Achtung, Achtung! Jetzt fährt’s mir hinten hinaus als ein Wind! Fangen Sie’s rechtzeitig auf, sonst geht’s durch. Er dreht dem Teufel sein Hinterteil zu. Dieser ist emsig mit Gesicht und Händen daran beschäftigt; sodann richten sich beide in die Höhe, der Teufel schüttelt sich vor Lachen. Sehen Sie, so tut das! Ich weiß wohl, daß es nicht Ihre Natur ist, so albern zu kichern.

      Teufel lachend. Ich spür’s in meinen Nasenflügeln, beißender als das stärkste Kraut aus den Schnupfdosen der Hölle. Hatsi, hatsi! Jetzt rutscht’s mir durch den Kehlkopf – als ob ich ein paar Dutzend Heuschrecken verschläng’. Da, da! Jetzt schüttert es hohl aus meinem Bauch. Boxen Sie es tot!

      Der Zauberer nimmt einen großen Anlauf und boxt ihm eins in den Bauch. Gelles Gelächter.

      Teufel. Das sitzt! Es hat sich soeben totgelacht! O, o! Es ist hin, ich bin auch hin.

      Zauberer wirft sich weinend über ihn. Stirb nicht, du mein unersetzlicher Liebling.

      Er muß mitten im Heulen laut auf lachen und wechselt ab zwischen Geheul und Gelächter.

      Teufel. Was ist denn das? Mir scheint, ich bin noch da; aber ich muß sagen, das war eine sonderbare Totenklage. Ich wüßte nicht, was Sie an meinem vermeintlichen Tod so lächern konnte!

      Zauberer. Nicht ich, nicht ich. Als ich Sie umarmte, ist das Gelächter wieder in mich hineingeschlüpft. – Jetzt lacht es auf einmal so dreckig, ich weiß nicht warum. Hä, hä, hä!

      Teufel. Scheußlich!