Kasperle-Spiele für große Leute. Max Kommerell. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Max Kommerell
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788711448335
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      Max Kommerell

      Kasperle-Spiele für große Leute

      Herausgegeben von Joachim W. Storck

      Saga

      Erste szene

      Biribi allein, Laute von sich gebend. Der Polizist tritt auf und singt.

      Polizist.

      Ich bin der Polizist,

      Ich bleibe fest.

      Wer und was einer ist,

      Stelle ich fest.

      Ich bin die Polizei!

      Der Reiche, der hoch stolziert,

      Der Arme, der darbt und friert,

      Madame, die sich schminkt und ziert,

      Der Hausknecht, der Stiefel schmiert:

      Wer auch und was er sei –

      Er wird notiert. Er stößt mit dem Fuß an das Biribi.

      Hopla! Eine Person, von der der Staat nichts weiß! Grün angezogen – offenbar eine Livree. Ich notiere: Wuchs langgestreckt, Hautfarbe grün, Haare rot, Geschlecht männlich – denn es hat so felsige Züge – oder doch wohl eher weiblich? denn es verläuft in einer Wellenlinie. Ich notiere: Geschlecht zweideutig, Profil jugendlich – es lächelt im Zickzack. Jetzt will ich es ausfragen. Wie heißen Sie?

      Biribi mit schrecklicher Stimme. Biribi.

      Polizist. Ich höre gut. Sie brauchen nicht so zu brüllen. Ihr Beruf?

      Biribi. Ungeheuer.

      Polizist. Vater?

      Biribi. Biribus.

      Polizist. Mutter?

      Biribi. Biriba.

      Polizist. Was tun Sie hier?

      Biribi. Ich wese.

      Polizist. Ihr Geschlecht?

      Biribi nach einigem Stottern. Bleibt dahingestellt.

      Polizist. Womit bestreiten Sie Ihren Unterhalt?

      Biribi. Mit Prinzessinnen.

      Polizist. Es gibt hier nur eine. Und wenn Sie die nicht bekommen?

      Biribi. Wawiluwaluwatsch Wiluwahuhu!

      Polizist. Was ist denn das für eine Sprache?

      Biribi. Meine Sprache.

      Polizist. Buchstabieren Sie!

      Biribi buchstabiert und schnappt nach jedem Buchstaben nach dem Polizisten.

      Polizist. Werde höheren Ortes Meldung erstatten und nicht verfehlen anzuzeigen, daß Sie nach einer hohen Obrigkeit geschnappt haben.

      Zweite szene

      Der König auf seinem Thron, Polizist tritt ein.

      König.

      Ungeschliffener Störer meiner königlichen Stimmung! Wozu bin ich König, wenn das Um-mich nicht auf das In-mir gestimmt ist? Heute schwinge ich in cis-moll! Der Anfang der Mondscheinsonate erklingt, wenn ich mich von meinem Thron erhebe –

      Er erhebt sich etwas, und sogleich ertönt das genannte Stück, um wieder abzubrechen, sobald der König wieder sitzt.

      und der Kuckuck in meiner Kuckucksuhr pfeift den cis-moll-Dreiklang. Er hat sich bei meinem Haushofmeister zu erkundigen, der immer weiß, welche Stimmung Parole ist. Draußen in der Garderobe sind zwei Dutzend cis-moll-Pantoffeln bereit, denn der Staat ist Musik, und ich will nicht, daß sich etwas zwischen das königliche Herz und die Pantoffeln meiner Untertanen dränge!

      Polizist. Ich bin so außer Atem, daß ich keine Zeit hatte, die cis-moll-Pantoffeln anzuziehen. Ihro Gnaden, es liegt ein Ungeheuer in der Landschaft! Er zieht sein Protokoll heraus. Name Biribi, Hautfarbe grün, Geschlecht sächlich, Profil jugendlich. Benebst, daß es nach einer hohen Obrigkeit geschnappt hat.

      König. Dieses schiene mir verzeihlich.

      Polizist. Wie Ihro Gnaden befehlen.

      König. Da ich heute zur milden Schwermut neige, erlaube ich dem Ungeheuer, in meiner Landschaft zu liegen, bestimme jedoch, daß es sich mein Wappen auf seinen Bauch malen lasse. Da sich der Polizist räuspert. Was gibt es da zu räuspern?

      Polizist. Vergaß zu melden, daß das Ungeheuer nur von Prinzessinnen lebt.

      König. Was tut es aber, wenn wir ihm unsere Prinzessin nicht zu fressen geben?

      Polizist. Fragte ich auch. Es sagte nur: Wawiluwaluwatsch Wiluwahuhu.

      König. Also das will es tun? Wawiluwaluwatsch Wiluwahuhu? Was ist denn das für eine Sprache?

      Polizist. Seine Sprache.

      König entsetzt. Ich weiß nicht, was es ist – ich ahne nur: Es ist entsetzlich! Ich schlafe ein mit Wawilu, ich wache auf mit Waluwatsch, ich fahre aus meinen Träumen mit Wiluwahuhu. Der ganze Hof soll nachdenken, wie das vermieden werden kann. Er ist entlassen. Polizist ab. Bibi, mein Täubchen, komm!

      Dritte szene

      Der König und Prinzessin Bibi.

      Bibi.

      Was denn Papa?

      König. Ein Ungeheuer liegt in der Landschaft, das sich nur vom Fleische der Prinzessinnen nährt. Ich frage dich: Willst du dich etwa von ihm fressen lassen?

      Bibi. Ja, Papa, von Herzen gern.

      König. Warum mir diese befremdliche Antwort?

      Bibi. Ich bin lebensmüde. Es ist mir recht, wenn es mich frißt.

      König. Das hast du von mir geerbt. Wehe, mein Blut, mein Blut! Und warum dies, mein Kind?

      Bibi. Ich bringe meine Rechnungen nicht heraus, und meine Bandfinken haben die schnelle Katrine. Was tut das Ungeheuer, wenn ich mich nicht fressen lasse?

      König. Wawiluwaluwatsch Wiluwahuhu.

      Bibi. Wawiluwaluwatsch Wiluwahuhu!

      König. Fühlst du, was das heißt, in seinem ganzen Umfang?

      Bibi. Ich fühl’s. Das muß unter allen Umständen vermieden werden, daß ich mich fressen lasse, ist eine Kleinigkeit dagegen. Ich besuche jetzt den Tod, damit er mir etwas geläufiger wird.

      König. Warte, ich sehe nach im Adreßbuch. Liest vor. „Magnus Tod, Dr. nat., Knochensplittergasse 368, Hinterhaus“. Ich schlafe ein mit Wawilu, ich wache auf mit Waluwatsch, ich fahre aus meinen Träumen mit Wiluwahuhu.

      Bibi. Das muß unter allen Umständen vermieden werden.

      König. Ich lasse dich ziehen, wenn auch mit Wehmut, du warst immer ein frühreifes Kind.

      Vierte szene

      Die Wohnung des Todes, Prinzessin Bibi klopft an die Türe.

      Tod.

      Herein.

      Bibi. Nicht wahr, Sie sind der Herr Tod? Ich bin die Prinzessin Bibi.

      Tod. Freut mich.

      Bibi. Sie sind doch zum – wenn man stirbt?

      Tod. Jawohl.

      Bibi. Ich wollte gern sterben. Und da wollte ich mich vorher etwas an Sie gewöhnen. Nämlich – das Ungeheuer will mich fressen. Aber Sie sind gar nicht schön!

      Tod. Es ist auch nicht meine Aufgabe, schön zu sein.

      Bibi. Ich meine – jetzt, wo ich Sie näher kenne, mag ich nicht mehr sterben.

      Tod. Du darfst auch nicht. Ich habe keinen Auftrag.

      Bibi. Wer gibt