Jesus von Nazaret. Jens Schröter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jens Schröter
Издательство: Bookwire
Серия: Biblische Gestalten (BG)
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783374050451
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aus dem 1. Jahrhundert in Galiläa archäologisch bezeugt ist. Die Bedeutung Magdalas für das Galiläa der Zeit Jesu ist insgesamt deutlicher ans Licht getreten, was das Bild vom Profil dieser Region wesentlich bereichert und modifiziert. Kürzlich wurde zudem eine weitere, bislang noch nicht öffentlich zugängliche Synagoge in Tel Rekhesh (ca. 30 km östlich von Nazaret) entdeckt, die sich vermutlich ebenfalls ins 1. Jahrhundert datieren lässt. Damit wäre eine weitere Synagoge für das Galiläa der Zeit Jesu und des Antipas bezeugt. Für die Möglichkeit, die betreffende Ausgrabungsstätte zu besuchen, danke ich herzlich meinem Kollegen und Freund Mordechai Aviam vom Kinneret College on the Sea of Galilee, Israel.

      Gründlich überarbeitet wurde auch der Abschnitt zu den Exorzismen und Heilungen Jesu (B. 2.2.2). Er hat von einer nun schon mehrere Jahre währenden, sehr fruchtbaren Kooperation mit Philip van der Eijk, Alexander von Humboldt Professor of Classics and History of Science an der Humboldt-Universität, einem herausragenden Spezialisten für die antike Medizingeschichte, profitiert. Mit Philip van der Eijk habe ich in den zurückliegenden Jahren mehrfach Seminare durchgeführt und auch in anderer Weise zusammengearbeitet. Dabei stand immer wieder das Verhältnis von religiöser und medizinisch-wissenschaftlicher Perspektive auf Heil und Heilung im Mittelpunkt. Von diesen Unternehmungen habe ich viel mehr profitiert, als es im Rahmen der knappen Darstellung des genannten Abschnitts zur Geltung kommen kann.

      Neu hinzugekommen ist der Abschnitt über die Gleichnisse (B. 2.3.2.3). In den vorangegangenen Auflagen waren die Gleichnisse bereits innerhalb der verschiedenen thematischen Teile über das Wirken Jesu behandelt worden. Das ist auch so geblieben. Es erschien jedoch sinnvoll, auf diesen Bereich der Wirksamkeit Jesu in einem eigenen Abschnitt einzugehen.

      Während der verschiedenen Auflagen, die das Buch seit seinem ersten Erscheinen im Jahr 2006 erlebt hat, hatte ich vielfach Gelegenheit, die hier entwickelte Sicht mit Kolleginnen und Kollegen zu diskutieren und das hermeneutische Vorgehen sowie Ergebnisse der Einzelanalysen auf Pastoralkollegs, in Pfarrkonventen, Akademien und Gemeinden vorzustellen. Dabei haben sich oft spannende Diskussionen ergeben, von denen ich stets profitiert habe. Es war und ist eine sehr erfreuliche Erfahrung, dass sich Menschen aus dem akademischen und kirchlichen Bereich, auch solche, die keine nähere Beziehung zum christlichen Glauben haben, mit ernsthaftem Interesse auf Fragen nach den historischen Anfängen und inhaltlichen Grundlagen des christlichen Glaubens im Wirken und Geschick Jesu sowie nach der Bedeutung seiner Person für unsere Gegenwart einlassen.

      Nicht zuletzt habe ich seit dem ersten Erscheinen dieses Buches – und bereits davor – in Lehrveranstaltungen und Vorträgen, zunächst in Leipzig, seit 2009 dann in Berlin, aber auch in Rom und Jerusalem sowie an anderen Orten, immer wieder über den historischen Kontext Jesu, Konturen seines Wirkens und Inhalte seiner Lehre sowie über den Zusammenhang von historischem Jesus und christlichem Glauben referieren und diskutieren können. Den vielen Studierenden, die an Lehrveranstaltungen und Vorträgen zu diesem Thema teilgenommen haben, bin ich dankbar für engagierte Diskussionen und kritische Rückfragen.

      Das Buch ist seit seiner ersten Auflage dem Andenken meines Vaters gewidmet. Er war für mich immer ein wichtiger Gesprächspartner: akademisch gebildet, theologisch interessiert, kirchlich engagiert. Seiner sei auch im Vorwort dieser Neubearbeitung gedacht.

      Ich danke der Evangelischen Verlagsanstalt: Frau Dr. Annette Weidhas, Frau Christina Wollesky und Frau Mandy Bänder für freundliche Begleitung und sachkundige Betreuung des Manuskripts. Ich danke meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Berlin für stets interessante und inspirierende Gespräche in guter Atmosphäre. Ich danke Katharina Simunovic und Florian Lengle für die Korrekturen des Manuskripts.

Berlin, im März 2017 Jens Schröter

      A. EINFÜHRUNG

      1. DER »HISTORISCHE« UND DER »ERINNERTE« JESUS ODER: WIE ES »WIRKLICH« WAR

      Jesus von Nazaret hat für unseren Kulturkreis eine einzigartige Bedeutung. Keine andere Person hat eine ähnliche Wirkung hervorgerufen und die europäische Geschichte in einer vergleichbaren Weise geprägt. Die christliche Prägung der griechisch-römischen Spätantike, das Gegenüber von Papst und Kaiser im Mittelalter, die Kreuzzüge, die reformatorischen Aufbrüche im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit, die Deklaration der Menschenrechte sowie die Verfassungen zahlreicher Staaten des europäischen und nordamerikanischen Kulturraums – um nur einiges zu nennen – sind geschichtliche Wirkungen derjenigen Religion, in deren Zentrum das Bekenntnis zu Jesus Christus steht. Die Spuren der Beschäftigung mit Jesus in Musik und Dichtung, Film und Malerei, Philosophie und Geschichtsschreibung – bis hin zur Zeitrechnung post Christum natum1 – zeugen von der einzigartigen Faszination, die von ihm seit etwa zweitausend Jahren ausgeht. Viele Menschen haben sich in ihren Lebensentwürfen an seiner Lehre ausgerichtet. Die Bergpredigt diente zu allen Zeiten, bis in die jüngste Vergangenheit, immer wieder als kritischer Maßstab – nicht nur innerhalb der christlichen Kirchen.2 Die Seligpreisungen, das Gebot der Feindesliebe und das Vaterunser sind auch dem Christentum fernstehenden Menschen als zentrale Inhalte der Verkündigung Jesu bekannt.

      Auch der Leidensweg Jesu hat zu allen Zeiten eindrucksvolle Darstellungen gefunden – man denke nur an die Passionsmusiken Johann Sebastian Bachs oder den Isenheimer Altar von Mathias Grünewald (vgl. dazu Teil C. 4) – und sogar zur imitatio seiner Schmerzen inspiriert. Bis in die Gegenwart und die Alltagskultur hinein finden sich von der Leidensgeschichte Jesu angeregte Motive – wie z. B. auf dem Plakat, mit dem das Deutsche Rote Kreuz vor einigen Jahren für Blutspenden warb und das auf die neutestamentlichen Abendmahlsworte anspielt (Anhang, Abbildung 1). Wir kommen auf die Wirkungen Jesu im dritten Teil dieses Buches zurück. Zuvor ist aber ein Weg zurückzulegen, der uns in die Zeit führen wird, in der der Wanderprediger Jesus von Nazaret in Galiläa und Jerusalem auftrat. Die Wirkungen, die von ihm ausgegangen sind, können ohne eine Beschäftigung mit diesen Ursprüngen nicht verstanden werden – auch wenn sie darin nicht aufgehen, sondern oftmals kreative Weiterentwicklungen darstellen, die von der prägenden Kraft der Gestalt Jesu zeugen.

      In den zurückliegenden Jahrzehnten ist die Diskussion darüber, wer Jesus »wirklich« war, neu entbrannt. Zahlreiche seither erschienene Jesusbücher haben unterschiedliche Bilder seiner Person gezeichnet. Jesus erscheint als Sozialrevolutionär, der sich für die Armen und Unterdrückten einsetzt, als Prophet, der das baldige Hereinbrechen des Gottesreiches ankündigt, als Weisheitslehrer, der eine radikale Ethik verkündet oder als Charismatiker, der eine neue Gemeinschaft gründet, die sich von den überkommenen gesellschaftlichen Normen kritisch absetzt. In der folgenden Darstellung wird deutlich werden, wie diese Entwürfe nach der hier vorgelegten Sicht zu beurteilen sind. An dieser Stelle ist dagegen zunächst festzuhalten, dass die neue internationale und konfessionsübergreifende Jesusforschung auf eindrückliche Weise die Bedeutung der Frage nach Jesus für die christliche Theologie und darüber hinaus ins Bewusstsein gerufen hat.

      Wie konnte Jesus eine derartige Bedeutung erlangen und zum Zentrum einer eigenen Religion werden? Die Zeugnisse der frühen Christenheit geben hierauf eine eindeutige Antwort. Die Einzigartigkeit Jesu besteht darin, dass in seiner Person Gott und Mensch unmittelbar miteinander in Verbindung treten. Durch das Wirken Jesu wird die Herrschaft Gottes auf der Erde aufgerichtet, Jesus ist »Bild«, »Abdruck« oder »Wort« Gottes. Er gehört auf die Seite Gottes, ist derjenige, durch den Gott in der Welt erschienen ist und an dem er in einzigartiger Weise gehandelt hat, indem er ihn von den Toten auferweckt hat. Der Glaube an Jesus Christus ist deshalb nach christlicher Überzeugung der einzige Weg zum Heil Gottes, der Mitvollzug seines Weges von Tod und Auferweckung vermittelt neues Leben. Das bedeutet zugleich, dass das Bekenntnis zu Jesus Christus dasjenige zum Gott Israels voraussetzt und umfasst. Drei Texte des Neuen Testaments, die diese Überzeugung auf je eigene Weise zum Ausdruck bringen, seien genannt.

      1) Das Johannesevangelium spricht in besonders intensiver Weise von der engen Beziehung zwischen Jesus und Gott. Der eigentlich unsichtbare