Nach einer Stunde verabschiedete ich mich von dir, und du fragtest mich, wohin ich als Nächstes reisen würde. Ich antwortete aufrichtig: »Ich weiß es nicht.«
Hat sie geschrien?, frage ich mich. Die Geschichte, die ich meinem Geliebten erzähle, klingt schwach, unausgegoren. Meine Fantasie wandert durch Raum und Zeit; ich stelle mir vor, wie Evelyn vom Empire State Building fällt. Doch sie fällt gar nicht, sondern entspannt ihren Körper und lässt sich vom Wind tragen, schließt die Augen und schwebt ihrem nächsten Leben entgegen. Hat sie geschrien? Ich bezweifle es. Aber es muss eine Schrecksekunde gegeben haben. Jenen Moment der Unsicherheit, bevor sie den sicheren Tod akzeptierte, einen Augenblick, in dem die Welt alle Logik verlor und Evelyn wie eine ausgepresste Zitrone bittere, hässliche Laute ausstieß, bevor sie ruhig wurde und sich vom Wind sanft tragen ließ. Erst da hörte der Schmerz auf, hörte das Herz auf zu pumpen und kam der Tod, schnell, einladend und endgültig.
Zwanzig Jahre lang verbrachte meine Mutter in einem Zustand wie in den ersten Momenten des schönsten Selbstmords, versuchte verzweifelt, die Folgen ihrer Entscheidungen zu korrigieren, schrie, stieß die Fäuste in die Luft, wütend auf die Welt. Nun, da sie ihr unabänderliches Schicksal akzeptiert hat, klammert sie sich an die Erinnerung einer Eleganz, die sie nie besaß; sie macht sich zurecht, damit ihr letztes Porträt das zeigt, was sie als ihr wahres Ich betrachtet: Perlen um den Hals, perfekte Frisur, abgestreifte High Heels und das Lächeln der Akzeptanz im Gesicht. Aber ich werde dich nicht auf deinem Sinkflug begleiten, Mutter. Wir sehen uns an der Limousine.
»Ich bin traurig«, sagst du, als ich die Geschichte beende. Die Luft ist wieder erfüllt von Geräuschen; endlich ist der neue Morgen angebrochen. Ich habe es ein weiteres Mal geschafft, dich eine Nacht lang am Leben zu halten; nun kann ich in Frieden schlafen. Schahrasad braucht ihren Schönheitsschlaf.
»Tut mir leid, dass ich dich traurig gemacht habe«, antworte ich und drücke einen Knopf, um die Vorhänge zu schließen. Sie gehen langsam zu wie in einem alten Theater nach einer gelungenen Aufführung.
»Diese Geschichte handelt von deiner Mutter, nicht wahr?« Es ist eine Feststellung, keine Frage; du erwartest keine Antwort und drehst mir den Rücken zu. Auf deinem Rücken sehe ich das kleine Vogel-Tattoo.
Ich lächle und ziehe die Decke zu mir. »Du alter Deckenwegzieher«, sage ich, »lässt mich frieren.«
Während ich meinen Körper auf den kleinen Tod einstimme und die letzten wachen Momente des Tages genieße, bevor ich mich von dieser Welt verabschiede und in die Welt der Träume eintauche, singe ich dem Tod, der immer noch an der Tür steht, ein leises Lied. Er lächelt mir zu; unter seinem Umhang erkenne ich ihr Gesicht. Sie blickt mich an, mal schuldbewusst, mal vorwurfsvoll, weil ich sie damals in Damaskus verlassen habe, um mit dir um die Welt zu reisen.
»Mach mir ein bisschen Platz«, sagt der Tod, als er langsam in das Zimmer vordringt. Ich höre ihn, aber du nicht. Ich sehe, wie er auf unser Bett zukommt, während du blind für seine Anwesenheit bist. Manchmal ahmt er deine Bewegungen nach, macht sich über dich lustig, während du ihm direkt in die Augen siehst, ohne ihn wahrzunehmen. Er lächelt mich an wie ein alter Freund; er ist mein ganz persönlicher Folterknecht. Er ist meine ständige Erinnerung daran, dass du bald fort sein wirst. Ich heiße ihn in unserem Bett willkommen. Wie jede Nacht, seit ich zurückdenken kann, gesellt er sich zu uns, schläft zwischen dir und mir.
Die Geschichte des Geliebten, der sich für einen Abenteurer hielt
»Mir bleibt nicht mehr viel Zeit«, sagst du; in deiner Stimme liegt ein gewisser Nachdruck. »Schon gut. Du hast dein Bestes getan. Wir wissen alle, dass wir einmal sterben müssen.«
Ich starre dich verständnislos an, während ich in einer kleinen weißen Schüssel Eier verquirle und zusehe, wie sich Eiweiß und Dotter mischen. Ich gebe immer einen oder zwei Teelöffel Mehl in mein Omelett, damit es schön locker wird. Weiches Sonnenlicht fällt durchs Fenster, die angenehm wärmende Spätsommersonne von Vancouver. Der Wasserkessel blubbert auf dem Herd, und ich habe bereits zwei Teebeutel in die schwarz-weißen Becher mit Hundemotiven gelegt.
»Ach, ich habe vergessen, die Eier zu salzen«, antworte ich. Solche Gespräche über den bevorstehenden Tod und Untergang beleben dich; sie geben dir das Gefühl, ein Ziel zu haben. Ich biege bei meiner Reise in den Tod auf die Zielgerade ein, denkst du wahrscheinlich. Da kann ich mich unterwegs ebenso gut amüsieren.
Nur selten unterbrichst du unsere stumme Routine, und wenn doch, dann nur, um eine deiner düsteren Bemerkungen zu machen. Du warst schon immer ein Meister darin, deine Gedanken für dich zu behalten. Du schützt sie eifersüchtig, wie das Drachenweibchen, das seine Eier vor dem hungrigen Sindbad verteidigt. Du baust Mauern aus einsilbigen Antworten, wehrst mit Kopfschütteln und bösen Blicken ab und überlässt mir die Interpretation.
Bin ich in dich verliebt oder in das Abenteuer, dich zu entdecken? Bin ich süchtig nach dem emotionalen Puzzle, das mein Herz zusammenfügen muss? Habe ich die fehlenden Teile mit zutreffenden Darstellungen von dir ausgefüllt, oder habe ich sie in den Farben meiner eigenen Leinwand gemalt? Ich schätze, ich werde keine Zeit mehr haben, es herauszufinden. Ich bin verärgert, und du merkst es. »Scheiße«, sagst du, »du hast deinen Sinn für Humor verloren.« Du warst immer der Komiker von uns beiden.
»Nein. Ich mag nur keine Gespräche über den Tod, während ich Frühstück mache«, entgegne ich und deute mit dem Löffel hinter meinen Rücken, wo unser ständiger Gast in seinem schwarzen Umhang am Tisch sitzt und wie ein Kind mit der Gabel wedelt, während er auf seinen Anteil vom Toast wartet.
Je älter du wurdest, desto kürzer wurden unsere Unterhaltungen. Früher redeten wir über Götter und Könige, Lieder und die Schönheit des Frühlings, jetzt über das Frühstück und den nahenden Tod. Mit zunehmendem Alter wurde dir dein emotionales Chaos zu viel, als wärst du ein Glas, das bis zum Rand mit vergiftetem Wasser gefüllt ist; jetzt läuft es über und ergießt sich auf deine Zunge, und du bespuckst mich damit, wann immer es dich zerfrisst.
Du warst nicht immer so verschlossen. Du warst das Glück deiner Familie, der jüngste von deinen Brüdern, das Nesthäkchen. Alle standen dir zur Seite, schenkten dir Liebe und Aufmerksamkeit. Dein Vater bat deine Brüder, ihre Süßigkeiten mit dir zu teilen, und deine Mutter gab dir das letzte Stück Kuchen. Manchmal frage ich mich, warum du mit mir fast nie so redest wie mit deinen Geschwistern; bin ich eine Enttäuschung für dich? Könnte ich dir einen solchen Kuchen backen wie deine Mutter? Habe ich dir jemals im gleichen Maß wie deine Familie das Gefühl gegeben, etwas Besonderes zu sein?
»Das riecht gut«, sagst du von deiner Tischseite aus, und ich weiß genau, dass du lügst; du hast vor drei Jahren deinen Geruchssinn verloren. »Damals bei der syrischen Armee gab es kaum jemals frisch gekochte Eier. Wir hatten oft wochen- oder monatelang keine Eier. Habe ich dir von dem Offizier erzählt, der einem Eierdiebstahl in meiner Einheit nachging?« Ich lächle; ich drehe dir den Rücken zu, aber du weißt, dass ich lächle.
»Ach, jetzt kommst du wieder mit deinen Geschichten«, sage ich. »Ja, ich erinnere mich sogar an die Pointe: Wir bei der syrisch-arabischen Armee kalkulieren alles mit ein, Kameraden.« Ich imitiere eine tiefere Stimme. »Wenn ihr mehr als ein Ei pro Tag esst, scheißt ihr das zweite bloß aus.« Wir lachen, und du fängst zu husten an; ich sehe nach, ob mit dir alles in Ordnung ist, dann widme ich mich wieder den Eiern.
»Am schlimmsten war es, wenn der Offizier an unserem Posten auftauchte«, sagst du, den Faden wiederaufnehmend. »Wir waren an der syrisch-jordanischen