Wendungen des Schicksals: Körper & Seele. Sloane Kennedy. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sloane Kennedy
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960894254
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der stillen Winterluft um mich herum klang es viel zu laut. Mein Atem hinterließ warme Nebelwolken, als ich den Hügel zu meiner Hütte hinaufstapfte. Ja, ich ging zu Fuß. Ich war nämlich schon wieder mit meinem Auto in einer Schneewehe stecken geblieben. Zweifellos würde Jake später daran vorbeifahren und genervt die Augen verdrehen, weil dieser Städter so dämlich war. Drauf geschissen. Wen interessierte es? Okay, ich hatte noch immer nicht herausgefunden, wie man im Winter Auto fuhr. Aber das war nur ein kleines Hindernis auf dem Weg in mein neues Leben. Mein schlecht gelaunter Nachbar würde jedenfalls kein weiteres Hindernis darstellen. Und niemals wieder wollte ich mich dumm stellen und schweigen, wenn ich wusste, dass ich etwas zur Konversation beitragen konnte. Niemals wieder würde ich zulassen, dass mich ein Blick aus diesen umwerfenden grauen Augen dermaßen verunsicherte. Warum war dieser Mann im einen Moment freundlich und dann wieder abweisend? Ich war so beschäftigt mit meinen Gedanken an den mysteriösen Nachbarn, dass ich das Auto vor meiner Hütte erst bemerkte, als ich direkt davor stand. Als ich aufblickte, sah ich Bennett Crawford auf meiner Veranda stehen. Ich hatte den gut aussehenden Hüttenbesitzer in New York auf einem Benefizkonzert getroffen. Dort hatte er mir angeboten, die Hütte zu mieten, die ihm und Xander gehörte. Langsam fing ich an, meine Entscheidung zu bereuen. Wollte ich wirklich den ganzen Winter hier festsitzen? Mit diesem Griesgram als Nachbarn? Ernsthaft?

      »Hi, Oz. Gut, dass du da bist. Warte, wo ist dein Auto? Bist du zu Fuß von der Stadt hierhergegangen?«

      Ich winkte ab, als wäre es keine große Sache, einen verschneiten Berg hinaufzuwandern. »Nö. Mein Auto und ich haben ein paar Meinungsverschiedenheiten zum Thema ‚Im Winter auf einem Berg wohnen‘. Im Moment scheint es so, als würde das Auto gewinnen.«

      Bennett lief die Treppe hinunter und spähte in Richtung Straße. »Shit. Soll ich dir helfen, es aus dem Schnee zu ziehen?«

      Ich winkte erneut ab. »Später. Im Moment brauche ich etwas Warmes zu trinken. Komm doch rein.«

      »Weißt du, wir haben einen alten Jeep, den du dir für eine Weile ausborgen kannst, wenn du willst. Wir benutzen ihn für Geländefahrten im Sommer, also ist er nichts Besonderes. Aber er hat Allradantrieb und die Heizung funktioniert noch. Unser Kumpel Russ fährt ihn im Winter manchmal, aber er musste nach Florida reisen. Familiennotfall. Er bleibt eine Weile dort, während seine Mutter eine künstliche Hüfte bekommt.«

      Ich seufzte. »Ja. Okay, danke, das wäre großartig, wenn es euch wirklich nichts ausmacht. Ich muss vielleicht nach Denver fahren und mir für den Rest des Winters ein Mietauto besorgen.«

      »Nein, nein. Du kannst den Jeep so lange haben, wie du willst. Russ ist Tischler, seine Werkstatt ist gleich hinter seinem Haus. Er wird den Jeep wahrscheinlich sowieso nicht wirklich brauchen, wenn er zurück ist. Im Gegensatz zu dir. Und du bleibst ja sowieso nur für eine Weile.«

      Er hatte natürlich recht, aber irgendwie tat dieser Gedanke weh. Vor allem jetzt, da ich die nette Frau in der Klinik kennengelernt und zugestimmt hatte, bei dem Gemeinschaftsprojekt mitzumachen. Ich mochte das kleine Städtchen Haven und konnte gut nachvollziehen, warum Menschen gerne hier lebten.

      Sobald wir uns Schuhe und Mäntel ausgezogen hatten, bat ich Bennett, Platz zu nehmen. Ich schaltete die Kaffeemaschine an und ließ Boo nach draußen. »Was verschlägt dich hierher in die Pampa? Vermisst du die Wildnis?«, fragte ich und grinste. »Geht es dir schon auf die Nerven, in der Stadt zu leben?«

      Bennets Gesicht, von der Kälte rosa gefärbt, verzog sich nun ebenfalls zu einem Lächeln. »Fuck, nein. Die ganzen Schneewehen erinnern mich total an das eine Mal, als wir Weihnachten hier verbracht haben. Bevor wir in die Stadt gezogen sind. Jetzt können wir uns zumindest frei bewegen und laufen nicht mehr Gefahr, eingeschneit zu werden. Oh, da fällt mir etwas ein: Weißt du, dass für die nächsten Tage ein Kälteeinbruch vorhergesagt wurde? Temperaturen weit unter null und gefährlich kalter Wind. Du solltest so wenig Zeit wie möglich draußen verbringen, also lieber keine Bergwanderungen mehr unternehmen. Wenn du willst, kannst du ein paar Tage bei uns in der Haven Lodge verbringen, wir haben genug Platz.«

      Kälteeinbruch? Es würde noch kälter werden? Ein Teil von mir war versucht, Bennetts Angebot anzunehmen. Doch ich unterdrückte den Instinkt. Wie jeder Mensch, mochte ich es, ab und zu etwas umsorgt zu werden. Und ich mochte es, eine funktionierende Heizung zu haben, die mehr als nur die nötigste Wärme spendete. Aber das Topmodel Laird war nicht hier. Im Gegensatz zum aufstrebenden Modedesigner Oz, der Colorado die Stirn bot und Cocci Borroni auf der Fashion Week in den Arsch treten würde. Sobald er aufhörte, von sich selbst in der dritten Person zu sprechen. Die gemeinen Worte des Designers hallten durch meinen Kopf. Nur im Flüsterton hatte ich zugegeben, dass ich eines Tages gerne selbst Mode designen wollte, statt Model zu sein. Und was hatte er gesagt? Der hübsche, hübsche Laird. Immer willst du allen beweisen, dass du mehr bist als nur ein hübsches Gesicht. Akzeptiere es einfach, Süßer. Du bist, was du bist: nett anzusehen. Wie eine Anziehpuppe. Nein. Ich musste mir vor Augen halten, weshalb ich hier war. Obwohl mir nicht danach war, schenkte ich Bennett ein Lächeln. »Nein danke, ich komme schon klar. Ich denke, ich bleibe einfach zu Hause, wann immer ich nicht in der Klinik bin.«

      Zu Hause.

      Ich sah mich in der kleinen Hütte um und dachte darüber nach, wie wenig sie sich nach einem Zuhause anfühlte. Aber das würde ich schon noch ändern. Vor meinem Einkauf im Supermarkt war ich in einigen Antiquitätenläden gewesen, in einem Second-Hand-Laden und im Baumarkt. Haven hatte wenig zu bieten, wenn es um Inneneinrichtung ging, aber die paar Möbel, die ich in mein Auto gequetscht hatte, gefielen mir. Ich freute mich schon darauf, mein Nest zu dekorieren. Und dann wollte ich endlich mit dem Designen loslegen.

      »Alles klar, wenn du es dir anders überlegst, komm einfach vorbei«, sagte Bennett.

      Ich ließ Boo wieder nach drinnen, schenkte uns Kaffee ein und fand auch ein paar Kekse in einer Blechdose, die ich dazu servieren konnte. Boo beschloss schnell, dass Bennetts Schoß gemütlich aussah, und machte es sich dort bequem. Er fing an, ihre Mähne zu kraulen. Der Hund genoss seine Aufmerksamkeit sichtlich. Der Gedanke, dass sie jeden mochte außer Jake, brachte mich zum Lächeln. Verdammt, warum dachte ich ständig an diesen Arsch? »Sorry, dass ich dir nichts Besseres anbieten kann«, sagte ich. »Meine Einkäufe stecken in einer Schneewehe fest.«

      Bennett lachte. »Kein Problem, das hier ist wunderbar. Ich kann sowieso nicht lange bleiben. Eigentlich bin ich nur hier, weil Xander, Lucky und ich dich nächste Woche zu Thanksgiving einladen wollen. Wir veranstalten ein großes Abendessen mit Freunden und es wäre toll, wenn du dabei wärst. Und an Weihnachten auch. Aiden und Ash fliegen an Weihnachten von New York her, damit sie bei der Hochzeit dabei sein können. Sie würden sich sicher freuen, dich zu sehen.«

      Aiden war mein Agent. Ihm hatte ich es zu verdanken, dass ich die Hütte über den Winter hatte mieten können. Er hatte mir nicht viel über Xander und Bennett erzählt, nur, dass er mit Bennett auf dem College gewesen war und die beiden schon lange Freunde waren. Aidens Freund, der inzwischen sein Verlobter war, hatte ich nur einmal kurz getroffen. Aber irgendwie hatte ich sofort das Gefühl gehabt, dass der junge Mann es nicht leicht hatte. Ich wusste, dass Aiden und damit auch Ash meine wahre Identität geheim halten würden. Aiden wusste ja, was ich mit meinem Aufenthalt hier bezwecken wollte. In diesem Moment fiel mir ein, dass ich nun zum ersten Mal seit Jahren Thanksgiving nicht mit Zoey verbringen würde. Eigentlich hatte ich ja geplant, mich in meiner Hütte einzubunkern und zu arbeiten. Aber nun, da die meisten meiner Stoffe ruiniert waren, hatte ich Pech und ich musste warten, bis das neue Material geliefert wurde. Ganz zu schweigen davon, dass der heutige Tag mir eines bewiesen hatte: Ich brauchte tatsächlich soziale Interaktion. Wenn ich nicht ab und zu rauskäme, würde ich zu Hause vor mich hin schmoren und in Selbstmitleid versinken. »Wegen Weihnachten bin ich mir noch nicht sicher, weil meine Freundin Zoey mich da besucht. Aber zu Thanksgiving komme ich sehr gerne. Kann ich irgendetwas mitbringen?«

      Die nächste Stunde verbrachten wir damit, über Haven zu quatschen. Bennett erzählte mir mehr über seine Firma, die er mit Xander und ihrem Sohn Lucky führte. Sie boten Abenteuerausflüge in die Wildnis an. Schließlich half Bennett mir freundlicherweise dabei, mein Auto den Berg hinaufzuziehen und meine Einkäufe nach drinnen zu bringen. Dann fuhren wir gemeinsam nach Haven, um den Jeep zu holen. Mit einer