Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer Paket
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740975739
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»Und die sorgt auch für einen gesunden Appetit. Ich habe im Garten gedeckt.«

      Auf dem Rasen standen Tische und Stühle, hübsch eingedeckt. An manchen saßen schon andere Gäste und frühstückten in der warmen Morgensonne.

      Johanna hatte einen Tisch für sich allein, der unter einer hohen Ulme stand. Marion Trenker erkundigte sich nach ihren Wünschen und brachte schon bald darauf den Kaffee, Brot und frische Semmeln, eine Aufschnittplatte, Honig und Marmelade. Das Ei wurde frisch gekocht, und wer wollte, konnte es auch gebraten bekommen.

      »Das ist ja viel zuviel«, protestierte die Sekretärin.

      »Ach was.« Marion schüttelte den Kopf. »Essen Sie nur ordentlich. Dann können Sie sich das Mittagessen sparen.«

      Johanna ließ sich viel Zeit. Zwischendurch kam Andreas Trenker und begrüßte sie. Den Cousin des Geistlichen hatte sie gestern noch nicht kennengelernt. Er wünschte ihr einen schönen Aufenthalt in der Pension und gab ihr Tips, was man in St. Johann und Umgebung alles unternehmen konnte.

      Darüber, was sie hier eigentlich machen wollte, hatte Johanna noch gar nicht so richtig nachgedacht, als sie den Urlaub buchte. Sie hatte das erstbeste Angebot akzeptiert, das man ihr im Reisebüro unterbreitete.

      »Ich möchte einfach nur meine Ruhe haben«, hatte sie gesagt.

      In Gedanken fügte sie hinzu: Und vergessen!

      Nach dem ausgiebigen Frühstück wollte sie die Kirche besichtigen. Sie holte ihren Fotoapparat aus dem Zimmer und spazierte langsam zur Dorfmitte. Die Pension Edelweiß lag außerhalb St. Johanns, und sie brauchte gut zehn Minuten. Doch diesmal sah sie alles mit anderen Augen als gestern. Die hübschen Häuser mit ihren Lüftlmalereien begeisterten sie, und Johanna ließ immer wieder den Verschluß ihrer Kamera klicken, um die Fassaden zu fotografieren.

      Dann stieg sie den Kiesweg zur Kirche hinauf. Sie war nicht die einzige, die an diesem Morgen hergekommen war. Im Gotteshaus befand sich gleich eine ganze Schar von Besuchern, die sich von einem Fremdenführer all die Pracht zeigen und erklären ließen.

      Johanna stand erst einmal stumm da und schaute sich um. Es war wirklich eine der schönsten Kirchen, die sie jemals von innen gesehen hatte, prächtig ausgestattet und so vielfältig verziert, daß man gar nicht wußte, wohin man zuerst schauen sollte.

      Nachdem die anderen Besucher wieder hinausgegangen waren, hatte die junge Frau die Kirche ganz für sich allein. Langsam ging sie wieder zu dem Gemälde zurück, auf das sie zuvor schon einen flüchtigen Blick geworfen hatte. Jetzt nahm sie sich die Zeit, es genauer zu betrachten. Es war ein Porträt des Heilands. Der Künstler hatte es »Gethsemane« genannt, wie eine Tafel daneben verriet, und es zeigte den Gottessohn am Abend vor der Kreuzigung im Gebet vertieft.

      Johanna war sehr ergriffen. Die Gewißheit um das Unabänderliche seines Schicksals stand Christus mit solch einer Intensität ins Gesicht geschrieben, daß sie beinahe greifbar war.

      Die Sekretärin verweilte einige Minuten vor dem Bild und wandte sich dann der Madonna zu, die einige Schritte daneben auf einem Holzsockel stand.

      »Ach, Sie schauen sich unser kostbarstes Stück an«, sagte plötzlich eine Stimme hinter ihr.

      Sie drehte sich um und sah Pfarrer Trenker.

      »Entschuldigen S’, ich wollt’ Sie net erschrecken«, setzte er hinzu.

      Johanna schüttelte den Kopf.

      »Das haben Sie auch nicht«, erwiderte sie. »Ich war nur so in den Anblick der Figur versunken und habe überhaupt nicht gehört, daß jemand hereingekommen ist.«

      »Und wie gefällt es Ihnen?« wollte Sebastian wissen.

      »Einfach wunderbar! Man kann sich gar nicht satt sehen an all der Herrlichkeit.«

      *

      Stefan Kreuzer atmete tief durch. Er hatte seinen Wagen an den Straßenrand gefahren, war ausgestiegen und streckte sich. Dann drehte er sich zum Auto um, legte die Arme auf das Dach und lehnte seinen Kopf darauf.

      Einen Moment verharrte er so. Als er wieder aufblickte, hatte sich die Szenerie nicht verändert. Er befand sich immer noch auf der Straße, drüben auf der anderen Seite fiel die Landschaft tief ab, und ganz hinten ragten die Berge in die Höhe.

      Nichts war anders geworden, obwohl er so sehr gehofft hatte, daß alles nur ein böser Traum sein möge.

      Aber diese Hoffnung hatte er schon am Morgen gehabt, als er in seinem Bett aufgewacht war. Im selben Moment erkannte er jedoch, daß das, was er am Abend zuvor mit seinem Vater besprochen hatte, kein Hirngespinst war.

      Er sollte tatsächlich heiraten, um die Firma zu retten!

      Nach dem ersten Schock hatte er das Arbeitszimmer verlassen und einen Spaziergang gemacht. Der Park um die elterliche Villa war groß genug, daß es seine Zeit dauerte, bis man ihn umrundet hatte, aber selbst diese Zeit reichte nicht aus, um einen klaren Gedanken zu fassen.

      Später hatte er seine Mutter begrüßt, die von ihrer Bridgerunde heimgekehrt war. Isolde Kreuzer, erfuhr Stefan, wußte schon von der Angelegenheit, und die Hilfe, die er sich von ihr erhofft hatte, war unmöglich zu bekommen.

      »Denk an die Firma!« hatte seine Mutter beschwörend gesagt, als sich die Diskussion nach dem Abendessen fortsetzte, und ihm damit gezeigt, daß sie auf der Seite ihres Mannes stand. »Das, was dein Vater und dein Großvater geschaffen haben, muß erhalten bleiben!«

      Es war eine nicht enden wollende Auseinandersetzung, in der Stefan ganz vergebens versuchte, seinen Standpunkt klarzumachen. Schließlich hatte er es geschafft, eine Bedenkzeit von einer Woche herauszuschinden.

      »Und in die Firma komme ich vorläufig nicht!« erklärte er noch mit fester Stimme, bevor er den Salon verließ, in dem die Diskussion stattgefunden hatte.

      Eine Woche, dachte er schließlich, das kann eine Ewigkeit sein, aber auch ein winziger Augenblick. Es kommt eben immer auf den Standpunkt des Betrachters an.

      Und für ihn war es noch weniger!

      Freilich kannte er die Tochter von Harald Schönauer. Sie waren sich einige Male über den Weg gelaufen, hatten sich auch bei ein, zwei Gelegenheiten nett unterhalten. Aber Stefan war sicher, daß sie nicht die Frau war, die er heiraten wollte. Diese Frau hatte er überhaupt noch nicht gefunden, obgleich es an Bewerberinnen nicht mangelte. Der attraktive Sohn des reichen Fabrikanten wurde in seinen Kreisen als begehrter Schwiegersohn gehandelt, und wenn er auf einer Gesellschaft auftauchte, belegte ihn die Damenwelt sofort mit Beschlag.

      Was nicht wunderte, wenn man ihn betrachtete. Stefan war über einsachtzig groß, hatte kurzes blondes Haar und ein sympathisches Gesicht, in dem zwei dunkle Augen dominierten. Er konnte anziehen, was er wollte. Ob im schwarzen Anzug oder in legerer Freizeitkleidung, er machte immer eine gute Figur. Daß er bisher nicht geheiratet hatte, lag schlicht und einfach daran, daß ihm die Frau noch nicht begegnet war, die sein Herz zum Singen brachte. Er war sicher, sie eines Tages zu finden. Auch wenn er in geschäftlichen Verhandlungen knallhart war, so hatte er auch eine romantische Ader, und von der Liebe träumen, das konnte er immer wieder.

      Aber es mußte die echte, große Liebe, die einzigartige sein!

      Stefan war sich darüber im klaren, daß er einen Ort brauchte, an dem er über alles in Ruhe nachdenken mußte. Deshalb hatte er sich entschlossen, die Tage, die ihm noch blieben, bevor er sich entscheiden mußte, für einen Kurzurlaub in den Bergen zu nutzen. In der herrlichen Natur mochte es ihm vielleicht gelingen, einen Ausweg aus diesem Dilemma zu finden.

      Nach einigen Minuten stieg er wieder ein und fuhr weiter. Es war gar nicht leicht gewesen, so kurzfristig noch ein Hotelzimmer zu bekommen. Seine Sekretärin, mit der er noch am Abend telefonierte, hatte ihm nicht nur den Ort ausgesucht, sondern sich auch gleich um die Unterkunft gekümmert. In diesem St. Johann gab es überhaupt nur ein Hotel, aber dort war bereits alles auf Wochen ausgebucht. Immerhin schaffte die Frau es, für ihren Chef ein Zimmer in einer Pension zu bekommen.

      Sie hatte sich dafür tausendmal entschuldigt,