„Sind Sie sicher, Herr Doktor?“
„Ziemlich! Von Einschläfern ist noch keine Rede!“
Einige Tage später kam der Befund per Fax. Hypothyreose! Meine Diagnose war goldrichtig!
Ich bestellte das entsprechende Medikament und fuhr hinaus zum Waldenfelsgut. Dort erklärte ich der Gräfin, wie das Mittel anzuwenden wäre.
Den doppelten Cognac, den sie mir aus Freude aufdrängte, nahm ich diesmal als Siegespalme an.
Schade, dass außer Brutus keine Pferde mehr da waren, ich war mir sicher, dass ich ab nun der Pferdespezialist gewesen wäre.
Tierarzt al dente
Tierarzt zu sein, ist einer der schönsten Berufe, die es gibt, aber man darf nicht wehleidig sein. Immer wieder setzt es untertags kleinere, manchmal auch größere Verletzungen ab, die man am Abend versucht, so weit zu kurieren, dass sie am nächsten Morgen nicht mehr bei der Arbeit behindern, was aber nicht immer gelingt.
Von harmlosen blauen Flecken und Schrammen über Prellungen, Quetschungen, Zerrungen bis zu ärgeren Bisswunden und Knochenbrüchen habe ich alles schon bei weiblichen oder männlichen Kollegen gesehen oder davon gehört. Einer jungen Nachbarkollegin wurde von einer durchgehenden Kuh das Ultraschallgerät auf ihren Körper geschleudert. Diese Apparate waren damals noch keineswegs so komfortabel und klein wie heute, sondern ganz schön schwere Brocken. Als sie im Spital mit einem Nasen- und Knöchelbruch lag, stattete ich ihr einen Besuch ab und brachte, zur Erheiterung, ein paar ziemlich lustige Comic-Hefte mit. Das stellte sich als Fehler heraus. Was ich nämlich nicht wusste, war, dass sie auch noch drei gebrochene Rippen hatte, welche die Lust am Lachen gehörig dämpften.
„Hättest Du die Hefte halt nicht gelesen“, verteidigte ich mich, als sie, wieder genesen, mir hinterher nicht ganz ernstgemeinte Vorwürfe deswegen machte.
„Du bist gut“, sagte sie, „was glaubst Du, wie stinklangweilig es in so einem Krankenhaus sein kann.“
„Na schön, das nächste Mal bringe ich Dir als Lektüre halt ‚Krieg und Frieden‘ oder das Pongauer Telefonbuch mit!“
Das Repertoire unserer Vierbeiner, ihren Unwillen gegen eine gutgemeinte medizinische Behandlung auszudrücken, ist eigentlich ein ziemlich überschaubares: Kühe schlagen, Pferde schlagen und beißen, Hunde und Schweine beißen nur und Katzen beißen und kratzen.
Wenn man diese Möglichkeiten kennt, hat man schon halb gewonnen.
Vielleicht hatte ich deshalb in meiner bisherigen Praxis Glück gehabt, drei Mal auf das Holzbein geklopft, dass ich von ernstlichen Blessuren verschont geblieben bin.
Lediglich zwei Mal hätte die Sache schief gehen und mir eine längere Arbeitsunfähigkeit bescheren können.
Beim ersten Mal handelte es sich um „Jonny“. Eigentlich ein blöder Name für einen Hund, so heißen höchstens Matrosen oder Filterzigaretten.
Es war an einem frühen Nachmittag im anbrechenden Frühling, ich wollte gerade die Ordination schließen, als ich ein helles Kläffen vor der Tür zum Warteraum hörte. Ich öffnete und sah mich einem ziemlich fetten Welsh Corgi, der Lieblingsrasse der Queen, gegenüber. Ich war mir aber sicher, dass es nicht Madame war, die auf einen Sprung beim Hofgasteiner Tierarzt vorbeischaute. Ich sollte Recht behalten. Eine ebenso korpulente wie künstlich erblondete Dame mit reichlich Perlen um den Hals und aufdringlichem Lidschatten schob sich ächzend durch die Warteraumtür: „Jonny hat was mit den Ohren. Dauernd beutelt er den Kopf!“
Dagegen musste was unternommen werden. Abgesehen, dass eine Otitis externa, eine Entzündung des äußeren Gehörganges, für das Tier äußerst unangenehm ist, besteht die Gefahr, durch das ewige Kopfschütteln eine Blutung in die Schichten der Ohrmuschel zu provozieren, was eine nicht unerhebliche Komplikation bedeuten würde.
„Hereinspaziert“, sagte ich, „setzen Sie bitte den Kandidaten auf den Tisch.“
„Er beißt aber.“
„Sie auch?“
„Mich nicht. Aber Sie!“
„Haben Sie denn keinen Beißkorb?“
„Schon. Aber daheim in Wien. Ich habe ja nicht gewusst, dass ich im Urlaub zum Tierarzt muss.“
Ich kramte in meinem Vorrat an Beißkörben. Aber da ich kein ausgesprochener Kleintierpraktiker war, hatte ich nichts auf Lager, was Jonnys grimmiger Physiognomie entsprochen hätte.
Ich griff daher zu einer Rolle Köperband, das sind Baumwollbänder, die es in verschiedenen Breiten gibt und die für alles Mögliche zu gebrauchen sind. Ich nehme sie zum Beispiel, wenn ich einen Kater kastriere, zur Fixation der gespreizten Hinterbeine am OP-Tisch.
Davon schnitt ich eine entsprechende Länge ab und fabrizierte eine Mundschlinge.
„Halten Sie ihn bitte gut fest, während ich ihm die Schlinge überstreife.“
Die Dame drückte Jonny zwischen ihr Dekolleté und ich versuchte, die Schlinge um seine Schnauze zu legen. Das erwies sich jedoch als unmöglich. Vor allem wegen des Busens. Er wehrte sich aus Leibeskräften, Jonny, nicht der Busen, strampelte wie wild um sich und schnappte nach allen Seiten, ohne dabei sein enervierendes Kläffen einzustellen. Keine schlechte Koordinationsleistung.
„Fester halten“, schrie ich, um Jonny zu übertönen.
Endlich hatte ich die Schlinge richtig platziert, aber bevor ich sie festziehen konnte, lockerte die Besitzerin den Griff, Jonny drehte blitzartig den Kopf und schlug knurrend seine Zähne in mein Handgelenk.
„Fix noch einmal“, brüllte ich, „ich hab’ doch gesagt, Sie sollen ihn fester halten!“
„Ich hab’ gefürchtet, ich tu ihm weh!“
„Schön, dass Sie wenigstens um einen besorgt sind!“ Mein Blut versaute inzwischen den Ordinationstisch.
„So, Du Gangster, jetzt ist Schluss mit Lustig!“ Ich packte den keifenden Jonny mit der Rechten am Genick oder, wie man so schön sagt, am Krawattl, drückte seinen Kopf gegen die Tischplatte und steckte ihm mit der anderen Hand das Othoskop in die Ohrwaschln. Eine hochgradige Entzündung leuchtete mir entgegen. Ich setzte den behaarten Piranha auf den Boden, übergab seiner Besitzerin ein Fläschchen Ohrmedikament mit der Anweisung „Zweimal täglich, eine Woche lang“ und kassierte, diesmal auch Schmerzensgeld.
Während ich mir die tiefe Fleischwunde mit Desinfektionsmittel ausspülte, welches höllisch brannte, hegte ich finstere Gedanken. Dergestalt nämlich, denjenigen, der das idiotische Sprichwort „Bellende Hunde beißen nicht“ in die Welt gesetzt hatte, mit Jonny bekannt zu machen.
Zum Glück waren Jonnys Beißerchen nicht bis in das Gelenk vorgedrungen, eine infektiöse Arthritis war das Letzte, was man als Tierarzt brauchen konnte.
Das zweite Mal bekam ich es mit einem noch ganz anderen Kaliber als Jonny zu tun. Am Telefon hatte der Winklbauer ein wenig kryptisch geklungen. Irgendetwas sei mit Bert nicht in Ordnung.
Dass es sich bei Bert um den Zuchteber am Hof handelte, wusste ich. Da es aber ungewöhnlich war, selbst in unseren Breiten, wo Tiere noch als Individuen betrachtet werden und jede Kuh ihren Namen trägt, bei Schweinen ebenfalls so zu verfahren, fragte ich einmal den Bauern nach dem Grund dafür. Er hatte nur gegrinst und gemeint, der Saubär hätte eine frappante Ähnlichkeit mit seinem Schwager Rupert. Ob das auf einer optischen oder vermehrungstechnischen Analogie beruhte, ließen wir dahingestellt.
„Er hat so komische Flecken am Körper“, sagte der Winkler, während er mich in den Schweinestall führte. Und fressen tut er praktisch so gut wie gar nicht.“
Ein