Das, was wie ihr fester materieller Körper schien, war in Wirklichkeit nur ein Schemen, ein substanzloses Etwas! Taff hatte ungestüm zugefasst, griff aber ins Leere, stolperte und stürzte. Der Spiegel fiel aus seiner Hand, prallte auf dem Boden auf, und plötzlich stand ein schrilles, klagendes Geräusch in der Luft. Das schwarze Oval zersplitterte in unzählige winzige Fragmente, und im gleichen Moment erlosch auch seine schützende Wirkung.
Das Wispern in seinem Hirn wurde zu einem lauten, machtvollen Dröhnen und fegte den Widerstand seines Geistes hinweg. Auch Taff Caine wurde zu einer willenlosen Marionette, setzte sich auf den Boden und erstarrte dort.
»Da haben wir die Bescherung!«, stöhnte Luca tonlos auf. Keiner der im Eingang Stehenden hatte genau verfolgen können, was eigentlich geschehen war, dazu war das Licht zu schwach. »Was tun wir jetzt, Lars?«
Erneut hob er die Waffe, aber der Bordingenieur schob sie zur Seite. »Wir folgen Taff!«, sagte er fest. »Die Crew gehört zusammen, ganz gleich, was auch geschieht. Ich kann nicht recht glauben, dass die Wirkung der Spiegelwände nur negativ ist. Die Dimonids waren eine große Rasse, aber mit Sicherheit keine Macht des Bösen, wie etwa das Drajur. Stimmt ihr mir zu?«
Dorit Grenelle nickte als erste. Gleich darauf schritten alle vier in die Halle hinein, und dann wurde ihr Bewusstsein allmählich ausgelöscht.
*
»Na also, da seid ihr ja!«, sagte Taff und grinste breit. »Ich habe gewusst, dass ihr kommen würdet, ihr habt nur etwas lange dazu gebraucht.«
»Lange?«, fragte Dorit empört. »Wir sind dir gefolgt, kaum dass eine Minute vergangen war. Sag uns lieber, wo wir hier sind, statt uns unbegründete Vorwürfe zu machen.«
»Vermutlich ein unterschiedlicher Zeitablauf zwischen den beiden Ebenen«, überlegte Caine. »Ich bin jetzt immerhin bereits seit zwei Stunden hier.« Er verneigte sich und fuhr fort: »Willkommen auf Nurchaar, dem Heimatplaneten der Dimonids!«
»Wie bitte?«, fragte Orvid Bashkiri perplex.
Sie standen am Rand einer weiten ebenen Fläche, die früher einmal offenbar ein Raumhafen gewesen war. Eine fremde gelbe Sonne stand am Himmel, die Schwerkraft der fremden Welt war deutlich höher als auf Thorga. Der Belag des Hafens war jedoch vielfach geborsten, bizarr anmutende blaugrüne Gewächse wucherten in den entstandenen Spalten.
»Dann war die Spiegelhalle also so etwas wie eine Transmitteranlage«, überlegte Lars, der sich als erster wieder fing. Taff Caine schüttelte den Kopf.
»Das stimmt nicht ganz, aber das alles erfahrt ihr später. Kommt jetzt mit mir, Lavazza und seine beiden Hübschen warten auf uns. Nehmt aber die Strahler zur Hand, unser zweites Leben auf Nurchaar ist nicht ganz ungefährlich.«
»Wie könnte es auch anders sein?«, knurrte Luca mürrisch. »Wohin die PROKYON-Crew auch kommen mag, die Gefahr ist immer schon vor ihr da! Was sagtest du da eben von einem zweiten Leben, geschätzter Kommandant?«
»Später«, wehrte Taff ab. »Dreht euch um, wir müssen dort hinüber, zu den Überresten der Raumhafengebäude. Und schießt auf alles, was sich bewegt, sofern es kein Mensch oder Letho-Dimond ist. Die Missgeburten von Robotern besitzen zwar keine Waffen, aber wer in ihre liebevolle Umarmung gerät, hat eine Wiedergeburt dringend nötig.«
»Dunkel ist deiner Rede Sinn, o Herr«, murmelte der Astrogator. »Na schön, verschieben wir also das Wundern auf später. Kannst du uns wenigstens sagen, wo sich der Planet befindet, auf dem wir jetzt sind?«
»Einige zwanzig Lichtjahre von Thorga entfernt«, erklärte der Commander. Im nächsten Moment zuckte seine Hand mit der Waffe hoch. Der Energiestrahl fauchte auf und traf ein spinnenähnliches metallenes Ungetüm, das plötzlich zwischen den Büschen in der Nähe aufgetaucht war. Es barst auseinander, und Taff nickte befriedigt.
»Wieder einer weniger, der uns dieses Dasein schwer macht. Los, beeilt euch gefälligst etwas. Wir sind erst dann sicher, wenn wir den Bunker erreicht haben, in dem sich früher der Befehlsstand der dimonidischen Raumflotte befand.«
Er ging voran, auf die Ruinen zu, die den Hafen umstanden. Sie mussten einmal imposante Gebäude gewesen sein, aber jetzt standen nur noch vielfach geborstene Mauern. Taff führte seine Gefährten über eine Schutthalde hinweg, hinter der sich eine dunkel gähnende Öffnung auf tat, an deren Seiten noch die rostzerfressenen Überreste einer Panzertür zu sehen waren. Verfallene Stufen führten nach unten bis zu einer Biegung, hinter der sich ein zweites Tor befand. Es war noch relativ gut erhalten, und in dem Korridor dahinter spendeten einige bläuliche Leuchtflächen von der Decke her spärliches Licht.
»Diese subplanetaren Anlagen sind noch erstaunlich gut im Schuss«, erklärte Caine. »Im Gegensatz zur Oberfläche dieser Welt, wo es fast nur noch Ruinen gibt. Nach den Tatsachen, die wir bis jetzt ermitteln konnten, wurde Nurchaar vor langer Zeit vom Drajur angegriffen und verwüstet.«
»Vom Drajur?«, fragte Lars erstaunt. »Hier, siebentausend Lichtjahre von der Erde entfernt?«
Taff zuckte mit den Schultern. »Natürlich wird dieser Name nicht direkt erwähnt. In den Informationen ist immer nur von der Macht des Bösen die Rede, aber es gibt viele Anzeichen, die unsere Annahme bestätigen. So, jetzt rechts um die Ecke, dann sind wir da.«
Sie waren bereits an mehreren Türen vorbeigekommen, die zum Teil offen standen. Hinter ihnen waren technische Gerätschaften zu erkennen: Computerbänke, Nachrichtengeräte und Schaltpulte, daneben unzählige große und kleine Bildflächen von quadratischer oder rechteckiger Form. Die unterirdischen Anlagen mussten eine beträchtliche Ausdehnung haben.
All diese Aggregate lagen jedoch still, die Räume waren dunkel. Anders war es jedoch hinter der Tür, die Taff nun durch Berühren eines Sensorkontakts öffnete. Heller Lichtschein kam aus einem großen Raum, der unschwer als das Herz dieser Zentrale zu erkennen war. Dieser Befehlsstand hätte auch irgendwo auf der Erde liegen können, wenn auch die Fremdartigkeit der zahllosen Geräte nicht zu verkennen war.
Professor Lavazza stand zusammen mit Valentina Feodorowa vor einem riesigen Bildschirm. Er drehte sich um und nickte den Ankömmlingen erfreut zu. »Nur immer herein in die gute Stube. Hier haben wir Dinge gefunden, von denen ich bisher kaum zu träumen wagte, und ich komme mit einem Teil davon schon ganz gut zurecht. Hier auf diesem Schirm können Sie beobachten, wie es auf anderen Teilen von Nurchaar aussieht.«
Die gewaltige Bildfläche, die fast die ganze rechte Seitenwand einnahm, zeigte eine wahre Albtraumlandschaft. Von einem erhöhten Standpunkt aus wurde der Überblick über eine riesige Stadt geboten; oder vielmehr über das, was von ihr noch übrig war. Nur einige wenige große Gebäude waren noch halbwegs gut erhalten. Die meisten waren ein Gewirr von Mauerresten, umgeknickten Trägern und anderen Dingen, deren einstiger Bestimmungszweck nicht mehr zu erkennen war. Ein Teil davon war von blaugrünen Gewächsen überwuchert, deren Aussehen nicht weniger chaotisch war.
»Mutationen«, erklärte Valentina lakonisch. »Bei dem Überfall auf Nurchaar müssen große Strahlungsmengen freigeworden sein. Alles, was dabei mit dem Leben davonkam, wurde in seiner Erbmasse drastisch verändert. Augenblick, ich schalte um.«
Sie betätigte langsam einige Kontakte auf dem Schaltpult vor sich, und nun wechselte das Bild. Es zeigte den Abhang eines hohen Berges, vor dem sich eine Ebene befand, die in einer Steilküste endete, hinter der sich ein bläulicher Ozean in weite Ferne erstreckte. Auf dieser Ebene hatte einmal eine Stadt gelegen, aber jetzt war von ihr nur noch wenig zu erkennen. Fast das ganze Gebiet war durch eine ungeheure Explosion verwüstet worden, die eine flache, schüsselartige Vertiefung von mehreren Kilometern Durchmesser geschaffen hatte. Ihr Boden glänzte schwarz und wirkte wie glasiert, was eine Assoziation zu den schwarzen Spiegeln hervorrief. Auch jetzt, nach vielen Jahrtausenden, wuchs hier noch nichts.
»Das ist auf dem Nachbarkontinent«,