»Er wird arbeiten, Dorit, verlassen Sie sich darauf«, sagte er und rieb sich die rot unterlaufenen Augen. »Für wie lange, kann ich nicht vorhersagen, denn wir werden ihn gewaltig überlasten müssen, um die riesige Entfernung überbrücken zu können. Vermutlich wird er dabei vollkommen ausbrennen, und das finde ich mehr als bedauerlich, denn die hier verwendete Technik hätte sich revolutionierend auf die Nachrichtensysteme der Menschheit ausgewirkt. Doch was gibt man notfalls nicht alles preis, wenn man am Leben bleiben will ...«
Die Kraftanlagen der Station lieferten ausreichend Energie, und der seltsamste Sender aller Zeiten funktionierte genau zweiundzwanzig Sekunden lang. Dorit konnte nur die Koordinaten von Nurchaar und einen dringenden Ruf um Hilfe durchgeben, und mitten in ihrem letzten Satz quollen bereits dichte Rauchwolken aus der Anhäufung von Bauteilen. Hastig ergriffen alle die Flucht, ehe der Sender in einem grellen Aufblitzen verging.
»Jetzt können wir nur noch warten und hoffen«, sagte Taff müde. »Vor allem aber viel schlafen, damit wir Kräfte sparen und die wenigen Nahrungsmittel strecken können. Es wird hart werden, und hätten wir nicht die Konzentrate, wären wir längst am Ende, ehe ein Schiff hier eintreffen kann.«
Es wurde noch härter für sie alle, als er gedacht hatte.
*
Die beiden Formationen erreichten fast gleichzeitig das Dimonidia-System. Auf der einen Seite die OPHÜLS, befehligt von Alexa van Grooten, zusammen mit fünf weiteren Kreuzern der Galaktischen Raum-Aufklärungsverbände. Auf der anderen die FURIE unter Admiral Sandor-Chan von Nimboid, gleichfalls von fünf Schiffen der Kolonisten begleitet. Der Funkspruch war fast überall in der Raumkugel empfangen worden, und keine der beiden Parteien hatte gezögert, nach Nurchaar aufzubrechen.
Erregte Gespräche gingen zwischen beiden Führungseinheiten hin und her. Sandor-Chan behauptete, zuerst vor Nurchaar angekommen zu sein, und diesen Planeten für Nimboid beanspruchen zu können. Eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen den beiden Verbänden schien unvermeidlich, denn die Admiralin gab nicht nach.
Schließlich gelang es ihr, anhand der Daten aus dem Autopiloten der OPHÜLS zu beweisen, dass die Terraner um genau siebzig Sekunden früher aus dem Hyperraum gekommen waren. Es kam zu einem vorläufigen Stillhalteabkommen, und dann erst fand man Zeit, sich um die auf Nurchaar Gestrandeten zu kümmern.
Ihnen ging es denkbar schlecht, denn schon seit einer Woche hatte keiner von ihnen mehr etwas gegessen. An einen Ausbruch zur Beschaffung von Nahrung war nicht zu denken gewesen, denn viele hundert Roboter belagerten die Station. Ein Teil davon rannte immer wieder gegen das Panzerschott an, hatte es jedoch nicht aufbrechen können.
»Wie sehen Sie denn aus, Taff?«, fragte Alexa van Grooten entsetzt, als endlich eine Funkverbindung zustande kam. Der Commander versuchte zu grinsen, aber sein abgezehrtes Gesicht brachte nur eine schrecklich anmutende Grimasse zuwege.
»In etwa so, wie ich mich fühle, Chefin«, entgegnete er matt. »Wir leben seit Tagen nur noch von Wasser, und das ist bekanntlich nicht eben die kräftigste Nahrung. Kommen Sie so schnell wie möglich herunter und schießen Sie die metallenen Ungetüme ab, die uns belagern.«
Das ging jedoch nicht so schnell, denn die Nimboiden machten erneut Schwierigkeiten. Erst nach zähen Verhandlungen kam es zu einem weiteren Übereinkommen. Die zehn Kreuzer blieben in einem Orbit, die OPHÜLS und die FURIE landeten am Rande des alten Raumhafens. Ihre Strahler schossen die Roboter zusammen, Traktorstrahlen räumten den Schutt von der Station zur Seite. Dann öffnete sich das Schott, und die Eingeschlossenen kamen ins Freie.
Ein Hilfstrupp aus der OPHÜLS, darunter mehrere Ärzte, kam ihnen entgegen. Er nahm die Menschen in seine Obhut, bettete sie auf Antigravtragen und verabreichte ihnen intravenöse Injektionen mit Nähr- und Stärkungsmitteln. Die Letho-Dimonds dagegen wiesen jede Hilfe ab. Sie schleppten die Leiche ihres toten Gefährten mit, hoben mit Metallteilen eine flache Grube aus und betteten ihn unter leisen Gesängen hinein. Er und die sterblichen Überreste von Janine Latep waren in einer noch funktionierenden Kühlkammer untergebracht gewesen.
Dann wandte sich Welgun an Alexa und Sandor-Chan, die inzwischen herangekommen waren und sich mit eisigen Blicken maßen. »Das musste noch geschehen«, erklärte er feierlich. »Jetzt ist Nurchaar ganz unser, für alle Zeiten.«
»Was soll das?«, fragte der Nimboide unwirsch, der natürlich kein Wort verstanden hatte. Die Admiralin wusste es auch nicht, dafür aber Valentina Feodorowa, die nebenan auf einer Trage lag. Sie hatte sich neben Taff Caine noch am besten gehalten. Sie erklärte leise, aber bestimmt:
»Die Dimonids und Letho-Dimonds gehören – oder vielmehr gehörten – demselben Volk an, haben nur eine unterschiedliche Entwicklung durchgemacht. Einer der Thorgaer ist hier umgekommen, und nun betrachten sich die übrigen als die legalen Erben des Planeten Nurchaar. Das sind sie aber nicht nur ihrer eigenen Ansicht nach, sondern auch nach interstellarem Recht! Wir dürfen ihnen diesen Anspruch nicht streitig machen, weder Terraner noch Nimboiden, das ist eindeutig durch mehrere Gerichtsurteile aus den letzten Jahrhunderten festgelegt.«
Es kam zu einem längeren Hin und Her, aber schließlich gab Sandor-Chan nach, denn er kannte die betreffenden Urteile als alter Raumfahrer natürlich auch. Er und Alexa kamen zu einer vorläufigen Übereinkunft, die später auf höherer Ebene in den Einzelheiten ausgearbeitet und zum Abkommen erhoben werden sollte.
Die Letho-Dimonds brauchten menschliche Hilfe, denn eine Welt, die sie aus eigener Kraft nicht erreichen konnten, nützte ihnen herzlich wenig. Sie sollte ihnen von Terra und Nimboid paritätisch gewährt werden, bis sie einst ihr Erbe wirklich übernehmen konnten. Dieser Prozess würde vermutlich Jahrzehnte beanspruchen, wenn man den jetzigen Entwicklungsstand der Thorgaer bedachte. Und es würde natürlich Querelen und Reibereien zwischen den Kolonisten und den Terranern geben, das war schon jetzt sicher, aber für den Augenblick war die Lage entspannt.
Die beiden Parteien suchten wieder ihre Schiffe auf, und in der OPHÜLS arbeiteten die Mediziner eifrig daran, die Unterernährten zu betreuen und wieder auf die Beine zu bringen. Das gelang mit den modernen Hilfsmitteln relativ schnell, wenn auch die Nachwirkungen noch für längere Zeit ihren Allgemeinzustand beeinträchtigen mussten.
Inzwischen machten die Schiffe der Terraner und Nimboiden gemeinsam Jagd auf die vielen »entarteten« Roboter überall auf Nurchaar. Sie wurden vernichtet, ebenso einige Gebäude, in denen anscheinend die Produktion dieser Maschinen noch immer lief. Dann nahmen beide Kreuzerverbände Fahrt auf und traten den Rückflug in die Raumkugel der Menschen an.
Die OPHÜLS startete in Richtung Thorga, um die Letho-Dimonds dorthin zurückzubringen. Die FURIE folgte ihr, denn natürlich bestand Admiral Sandor-Chan darauf, sie zu begleiten. Doch das kümmerte Alexa van Grooten im Moment nur wenig. Ihre Sorge galt vor allem der PROKYON-Crew und den beiden Wissenschaftlern.
Als sie in Taff Caines Kabine trat, lächelte ihr der Commander entgegen. »Es ist eben noch gut für uns abgegangen, Chefin, dank Carlo Lavazza und der langen Übung meiner Crew, dem schwarzen Mann immer wieder von der Schippe zu springen! Haben sich die Nimboiden inzwischen wieder beruhigt?«
»Sie haben, Taff«, sagte die Admiralin und unterrichtete ihn über das vorläufige Abkommen. Caine nickte nachdenklich.
»Da wird noch so einiges auf uns zukommen«, prophezeite er düster. »Nun, so ist wenigstens gewährleistet, dass die PROKYON X auch in Zukunft Gelegenheit erhält, die Erde oder andere Welten zu retten. Gefahr ist bekanntlich einer der hervorstechendsten Bestandteile des Lebens meiner Crew.«
»Sie sind schon wieder ganz schön kess, Taff«, erwiderte Alexa lächelnd. »Bis Sie Ihr Schiff wieder übernehmen können, wird es aber wohl etwas dauern, fürchte ich. Unsere Ärzte sagen ...«
»Ich habe es vernommen, Chefin«, unterbrach Caine sie, respektlos wie immer. »Sie kennen uns eben kaum, sonst würden sie anders reden. Nur ein paar kräftige Mahlzeiten, dann geht es schon wieder steil aufwärts mit uns.«
»Warten