Der Dreißigjährige Krieg. Peter H. Wilson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter H. Wilson
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783806241372
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Silbermünzen auszuzahlen, obwohl der Sold etwa eines Fußsoldaten offiziell auf vier (Gold-)Gulden im Monat begrenzt war. Als die Spanier und die Niederländer anfingen, stehende Heere aufzustellen, stiegen ihre Kosten noch einmal deutlich an, weil sie diese Soldaten nun das ganze Jahr über bezahlen mussten und nicht mehr nur während der sommerlichen Kampfsaison, wie es noch Anfang des 16. Jahrhunderts gang und gäbe gewesen war. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit wurde 1576 der „holländische Monat“ eingeführt: Das Jahr zerfiel fortan in acht Blöcke von je 42 Tagen plus einen mit 29 Tagen, wodurch die Anzahl der Soldzahlungen, die die Regierung pro Jahr leisten musste, auf neun reduziert wurde. Andere kopierten dieses Vorgehen, etwa die Österreicher, die 1607 ebenfalls ein System mit neun Soldmonaten einführten (wobei in zweien dieser Monate der Sold in Tuch ausgezahlt wurde, von dem Uniformen anzufertigen waren). Diese österreichische Maßnahme provozierte allerdings nur noch mehr Meutereien, da im kaiserlichen Heer ohnehin schon riesige Soldrückstände aufgelaufen waren. Dagegen kamen die Niederländer mit ihrem Vorgehen durch, weil sie wenigstens den gedrückten Sold pünktlich zahlten. Die gute Zahlungsmoral der Niederländer war es, die in einer Armee, deren Angehörige zu mehr als 50 Prozent Landesfremde waren, Zusammenhalt schuf und trotz regelmäßiger Niederlagen für Loyalität sorgte – zumal die Kreditwürdigkeit der Republik trotz allem unerschüttert blieb. In Böhmen und im protestantischen Deutschland konnte man von einer solchen finanziellen Solidität nur träumen, weshalb die dortigen Versuche, nach 1618 niederländische Taktik und Organisationsformen zu kopieren, unweigerlich auf tönernen Füßen stehen mussten.

      Die Verteidigung der Republik (1590–1609) Während die niederländischen Truppen also auf einer solideren finanziellen Grundlage operierten, blieben sie doch deutlich in der Unterzahl. Moritz von Oranien konnte 1588 rund 20 500 Mann aufbieten, die Spanier etwa dreimal so viele. Allerdings profitierte Moritz davon, dass Philipp II. seine Ressourcen gleich mehrmals anderweitig einsetzte: erst zum gescheiterten Invasionsversuch in England 1588, nach 1590 dann bei einer ähnlich fruchtlosen Intervention in die französischen Hugenottenkriege. Der Herzog von Parma leistete diesen Befehlen aus Madrid jeweils nur zögerlich Folge, und Erzherzog Albrecht, der ihm 1593 als Statthalter nachfolgte, musste die Kampagnen im Artois zur Unterstützung der katholischen Franzosen dann wohl oder übel fortführen. Das erlaubte es Moritz von Oranien, zum Angriff überzugehen und in einer Reihe von Vorstößen, welche die südliche Grenze der Republik festigen sollten, gleich mehrere strategisch wertvolle Städte einzunehmen. Die Eroberung von Breda im März 1590 vergrößerte die niederländische Gebietszunge im Südwesten bis nach Brabant hinein und schuf so einen Brückenkopf für weitere, tiefere Vorstöße in die spanisch beherrschten Gebiete. Das eroberte Territorium wurde nicht als neue, gleichberechtigte Provinz unter die sieben Provinzen der Republik aufgenommen, sondern unterstand – unter der Bezeichnung „Generalitätslande“ – direkt den Generalstaaten. Ab den 1620er-Jahren sollte es zu dem am heißesten umkämpften Gebiet der Region werden. Im Folgejahr 1591 erbrachte ein dreifacher Vorstoß der Niederländer, bei dem auch das nur 16 Kilometer von Antwerpen entfernte Hulst eingenommen wurde, zusätzliche Landgewinne. Zutphen und Deventer waren weitere Städte, die bei dieser Gelegenheit wieder unter niederländische Herrschaft gelangten, was die Ijssel-Linie sicherte, während die Eroberung von Nimwegen an der Waal die Kampflinie in Richtung Südosten arrondierte. Nachdem auf diese Weise die gesamte südliche Front gesichert worden war, wandte Moritz sich 1592 nach Norden, um die katholische Rebellion in den nördlichen Provinzen niederzuschlagen, die sieben Jahre zuvor ausgebrochen war. Mit der Einnahme von Groningen 1594 kam auch diese Kampagne an ihr Ende. Nun waren alle sieben Provinzen wieder vollständig in den Händen der Republik.

      Nachdem er seine Kräfte 1595/96 neu formiert hatte, stieß Moritz im August 1597 über die Ijssel auf das verbliebene Territorium der Spanier vor – ein schicksalhafter Schachzug, der für das Reich noch schwere Folgen haben sollte, da er den Krieg in Richtung der Reichsgrenze vorantrug. In schneller Folge nahmen die Niederländer noch sieben weitere befestigte Städte ein und erweiterten ihr Territorium damit so weit, dass es nunmehr an den Westfälischen Reichskreis grenzte. Außerdem nahmen sie den strategisch bedeutsamen Übergang über den Niederrhein bei Rheinberg ein und besetzten die Stadt, die zum Kurfürstentum Köln gehörte.115 Die katholische Bevölkerung der nördlichen Niederlande war nun völlig von den Spaniern abgeschnitten, es sei denn Madrid wäre bereit, die Neutralität des Heiligen Römischen Reiches zu verletzen, um die niederländische Flanke mit einem Marsch durch Westfalen im Osten zu umgehen. Und genau das taten die Spanier auch, reagierten allerdings zu spät und entsandten erst im September 1598 ein Expeditionsheer von 24 000 Mann nach Münster, Recklinghausen und in die vier niederrheinischen Herzogtümer Jülich, Kleve, Mark und Berg, um sich diese Städte und Territorien zu sichern, bevor die Niederländer es tun konnten. Die dezentralisierte Struktur der Reichslandfriedensordnung erlaubte es den betroffenen Landesherren, die Reichsverteidigungsmaschinerie in Gang zu setzen, wenngleich Kaiser Rudolf darauf nicht reagierte. Die fünf westlichen Reichskreise mobilisierten schließlich 16 000 Mann, aber diese konnten effektiv nicht vor Juli 1599 aufgeboten werden – drei Monate, nachdem die Spanier abgezogen waren und lediglich ein paar kleine Garnisonen zurückgelassen hatten, die sich gerade noch so auf deutschem Gebiet befanden. Der Versuch, eine dieser spanisch besetzten Städte zu erobern, scheiterte kläglich, und das Heer der Reichskreise zerstreute sich, als es im September nicht mehr weiter bezahlt werden konnte.116 Diese Episode, die als „Spanischer Winter“ in die Geschichte eingegangen ist, verstärkte den Wunsch der deutschen Anrainer, sich möglichst aus dem spanisch-niederländischen Konflikt herauszuhalten, und Köln, Münster sowie andere Territorien in der Umgebung nahmen Gespräche mit beiden Kriegsparteien auf, um sie zu einer Beschränkung ihrer Grenzverletzungen zu bewegen.

      Der spanische Vorstoß nach Deutschland hinein war eine direkte Folge des im Mai 1598 geschlossenen Friedens von Vervins, der den Zweifrontenkrieg für die Spanier beendete und es dem Statthalter Albrecht von Habsburg ermöglichte, wieder die gesamte Flandernarmee gegen Moritz von Oranien einzusetzen. Er richtete seine Aufmerksamkeit nun wie zuvor ganz auf den Westen und eröffnete erneut eine spanische Offensive auf die schwer befestigten Grenzstellungen der Niederländer rund um das Mündungsgebiet der Schelde. An der niederländischen Verteidigungslinie kam der Vorstoß bald zum Erliegen und brach dann sogar völlig in sich zusammen, als im spanischen Heer aufgrund von wachsenden Soldrückständen eine Meuterei ausbrach. Moritz von Oranien stieß von der brabantischen Gebietszunge entlang der flämischen Küste in Richtung Süden vor, um den spanischen Kriegshafen Dünkirchen auszuschalten. Der Versuch Albrechts, ihn daran zu hindern, führte am 2. Juli 1600 zur Schlacht bei Nieuwpoort, dem ersten größeren Aufeinandertreffen der verfeindeten Parteien im Feld seit Mitte der 1570er-Jahre. Im Schlachtverlauf traten die Nachteile der „flämischen Schule“ des Stellungskrieges klar zutage.

      Obwohl die Flandernarmee zum damaligen Zeitpunkt 4000 Kavalleristen und 60 000 Mann Infanterie zählte, hatte Albrecht alle Mühe, 1500 Reiter und 8000 Fußsoldaten aufzubieten, weil der Rest entweder als Garnison der befestigten Städte im Einsatz war oder die Befehle des Statthalters aufgrund der Meuterei noch immer ignorierte.117 Zugleich machte Nieuwpoort aber auch die Grenzen einer aggressiveren Strategie deutlich, die andauernd die Entscheidung in der Schlacht suchte. Obwohl es ihm gelang, das spanische Heer zu besiegen, konnte Moritz doch Dünkirchen nicht einnehmen und musste seinen Feldzug dort beschließen, wo er ihn begonnen hatte.

      Albrecht entschied sich, etwaigen weiteren Vorstößen auf Dünkirchen dadurch zuvorzukommen, dass er im Juli 1601 die englisch-niederländische Garnison von Ostende angriff. Dieser Eroberungsversuch sollte für das 17. Jahrhundert das werden, was die Schlacht um Verdun für den Ersten Weltkrieg gewesen ist. Beide Seiten warfen enorme Mengen an Soldaten und Kriegsgerät in die Schlacht, und der Kampf um diesen einen Hafen wurde zum Symbol, dessen Strahlkraft in keinerlei Relation zu seiner tatsächlichen strategischen Bedeutung stand. Die Niederländer sahen sich gezwungen, ihre Armee von 35 000 Mann im Jahr 1599 auf 51 000 im Jahr 1608 zu vergrößern, nicht zuletzt, weil Moritz’ frühere Erfolge der Republik eine wesentlich längere Grenze beschert hatten, die nun auch verteidigt sein wollte.

      Dennoch verschaffte die spanische Fixierung auf Ostende Moritz eine weitere Chance, seine Stellungen nach Osten hin vorzuschieben. Diesmal konzentrierte er sich dabei auf die Sicherung der nordöstlichen Grenze zum Schutz der gerade erst zurückeroberten Gebiete um Groningen. Es handelte