Stalingrad - Die stillen Helden. Reinhold Busch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Reinhold Busch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783990810422
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Sanitätseinheiten, die nicht in den Kessel gerieten, habe ich mich nicht beschäftigt.

      Eine Systematik der Sanitätseinheiten war in den Quellen nicht zu finden. So heißt es z. B. bei den Divisionen meist „San-Einheiten 371“, wobei dann nicht klar ist, ob beide Sanitäts-Kompanien und das Feldlazarett im Kessel waren bzw. ob die Division überhaupt ein Feldlazarett besaß. Hier kam mir die Vereinigung der Sammler von Feldpostbriefen zu Hilfe, die mir alle Feldpostnummern in Stalingrad – mehr als 3000 – zur Verfügung stellten. Sie sind aufgelistet in dem Dokument des OKW „Übersicht der im Kampfraum Stalingrad eingeschlossen gewesenen Einheiten“; die Liste wurde in den Wehrkreisen zur Bearbeitung der Vermisstenmeldungen benötigt.

      Ein Extrakt ist die Liste der Sanitätseinheiten, die mir ein Sammler zusammengestellt hat. Darin ist schon einmal zu erkennen, dass

      • die 9. Flak-Division, die zur Luftwaffe gehörte, weder Feldlazarett noch Sanitäts-Kompanien besaß,

      • nur zehn der 22 Divisionen ein Feldlazarett mitführten,

      • kein einziges der vier Kriegslazarette in den Kessel geriet und

      • nur eines der sechs Armee-Feldlazarette im Kessel arbeitete.

      Immerhin ist zu sehen, dass es 42 Sanitäts-Kompanien und elf Feldlazarette im Kessel gab; eine Nachprüfung ergab, dass dann doch zwei Sanitäts-Kompanien und ein Feldlazarett davon nicht in den Kessel geraten waren, sondern nur Teile bzw. versetzte Einzelpersonen.

      Somit kann festgestellt werden: Im Kessel befanden sich 40 Sanitäts-Kompanien, zehn Divisionslazarette, ein Armee-Feldlazarett sowie ein Armee-Sanitätspark, dazu eine Armee-Krankentransportabteilung, die hier in der Liste nicht aufgeführt ist. Ob sie alle eingesetzt wurden bzw. im Laufe der Kampfhandlungen untergingen oder aufgelöst wurden, ist hier noch nicht festzustellen. Zwei Beispiele: Das Feldlazarett 297 wurde nicht eingesetzt, sondern seine Angehörigen auf nicht genannte Sanitäts-Kompanien verteilt, wie aus den Briefen seines Ersten Chirurgen, Oberstabsarzt Dr. Erich Weber, hervorgeht. Günther Diez berichtet, dass die 1. San.Kp. 305 vor der Jahreswende 1942/43 aufgelöst und ihre Angehörigen zur 2. Kompanie versetzt bzw. im infanteristischen Einsatz verheizt wurden, wie das am Ende des Kessels auch mit anderen Sanitätseinheiten geschah.

      Hier beginnen nun die Schwierigkeiten der Rekonstruktion, da die Quellen ja lückenhaft sind:

      • Die IVb-Berichte der 6. Armee zeigen in Tagesbefehlen und Lageberichten bis Ende Dezember einzelne Einsatzorte nicht auf;

      • die Divisionsgeschichten sind nicht immer vorhanden, oder sie erwähnen keine Sanitätseinheiten (die Mehrzahl);

      • publizierte Bücher beschreiben die Einsatzorte, wenn auch nicht immer präzise hinsichtlich Lage und Einsatzzeitpunkt;

      • das Gleiche gilt hinsichtlich der vorhandenen Berichte, publiziert in Divisionsgeschichten, Kameraden- und Heimatblättern, wissenschaftlichen Periodika;

      • auch in Interviews konnten die Betroffenen nach mehr als 60 Jahren nicht immer genau ihre Einsatzorte bestimmen.

      Beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge stieß ich auf den Umstand, dass dort unter dem Begriff „San“ und „Feldlazarett“ die Gefallenen der einzelnen Einheiten registriert sind. Unter der Prämisse, dass die Sanitätseinheiten im Kessel ihre Verstorbenen nicht kilometerweit entfernt vom HVP oder Feldlazarett bestattet haben, sondern in unmittelbarer Nähe (aus verschiedenen Gründen – Benzinmangel, keine Zugpferde, Schwäche aufgrund von Hunger, gefrorener Boden …), ging ich davon aus, dass Bestattungsort und Einsatzort identisch sind; dies war in der Tat der Fall. Leider aber waren zwar so gut wie alle Einheiten erwähnt, jedoch der Einsatzzeitraum nicht komplett erfasst, sondern äußerst lückenhaft und in mehreren Fällen nur bis August oder September 1942 reichend. Immerhin waren die Ortsangaben z. T. sehr präzise. Die Angaben müssen durch weitere Quellen ergänzt werden.

      War die Bestimmung, welche Einheiten sich in und um Stalingrad befanden und wo, noch verhältnismäßig einfach, ist dies bei der Ermittlung von Einzelpersonen anders. Geht man von der Tatsache aus, dass eine Sanitäts-Kompanie etwa 150 und ein Feldlazarett 60 Angehörige hatte, so kommt man auf eine Mindestzahl von 6600 Angehörigen dieser 50 Einheiten, dazu ungenannte Ärzte und Sanitäter der über 3000 Einheiten, die in den Feldpostnummern aufgeführt sind. Schon über die Frage, wie viele Ärzte sich im Kessel befanden, streiten sich verschiedene Autoren: Schneider-Janessen nennt eine Zahl von 600, Dr. Ottmar Kohler, der berühmte „Arzt von Stalingrad“, die doppelte Anzahl, nämlich 1200. Dabei wird sich die genaue Zahl nie ermitteln lassen, weil nicht bekannt ist, wie viele

      • beurlaubt oder versetzt wurden und nicht mehr in den Kessel zurückkehrten,

      • krank oder verwundet abtransportiert oder ausgeflogen wurden,

      • in Gefangenschaft gerieten oder in den ersten Wochen darin verstorben sind,

      • Gefallene nicht vollständig registriert wurden,

      • Rückkehrerkarteien sehr lückenhaft sind,

      • Vermisstenlisten nur noch die nicht Ermittelten enthalten;

      • Planstellen nicht besetzt waren, sodass sich auch von der Sollzahl her keine Berechnung anstellen lässt.

      Da sich sicherlich mehr als 10.000 Sanitäter im Kessel befanden, ist es wohl illusorisch, ihre Namen (außerhalb der Vermisstenlisten) alle ermitteln zu wollen. Das gilt auch für die Ärzte außerhalb der Sanitätseinheiten, weil man dazu mehr als 3000 Feldpostnummern systematisch durchsuchen müsste. So habe ich mich diesbezüglich mit Zufallsfunden zufriedengegeben und die systematische Suche nach Ärzten, Zahnärzten, Apothekern und Pfarrern auf Sanitätseinheiten beschränkt. Ihre Namen fand ich bei

      • Geburtstagsgrüßen des Bundes der Stalingradkämpfer, leider nur aus den letzten zwei Jahren,

      • 40 Adressen der Korrespondenz von Dr. Valentin (1979–1982); diese waren auch nicht mehr aktuell und mussten neu ermittelt werden,

      • mehr oder weniger vollständigen Namens- und Adresslisten folgender Einheiten: 44. I.D., 100. Jg.D., 60. I.D., 29. I.D., 295. I.D., 76. I.D.; z. T. ohne Adressen,

      • Vermisstenlisten des Suchdienstes des DRK (220 Bände, glücklicherweise davon nur zwei die Sanitätseinheiten betreffend, GA und FZ); sie enthalten mehr als 2000 Namen von Angehörigen der Sanitätsdienste,

      • der Rückkehrerkartei des Suchdienstes des DRK nach SanEinheiten geordnet; es fehlen jedoch die meisten, Rückkehrer in die SBZ bzw. DDR werden nicht aufgeführt und bei den Rückkehrern nach Österreich fehlen oft weitergehende Daten,

      • der Gründungsliste des BDO (13 Namen von Ärzten stammen von Pfarrer Kayser, Archiv des katholischen Militärbischofs in Berlin),

      • der Adressliste der Angehörigen von Block VI und Zone III, Jelabuga – nicht immer aktuell,

      • den Namen aus Hubert Fischer: „Der deutsche Sanitätsdienst 1921–1945“, Osnabrück 1982–1999,

      • den Namen von Pfarrer Kayser (76. I.D., Angehörigenanfragen; er beantwortete in den Nachkriegsjahren Hunderte solcher Anfragen),

      • der Auswertung von Divisionsgeschichten, Kameradenblättern, Büchern, Berichten etc.,

      • der mündlichen und schriftlichen Mitteilung von noch Lebenden und Hinterbliebenen, häufig mit sehr ungenauen Angaben,

      • vorliegenden Adressbüchern von Verstorbenen u. v. m.

      Schwierigkeiten dabei sind:

      • Wie beim Militär oft üblich werden keine Vornamen genannt,

      • der Herkunftsort des Betreffenden ist nicht bekannt,

      • häufig wird die Einheit nicht genannt, wenn der Name erst aus der Gefangenschaft oder Heimkehr stammt, oder ist den Angehörigen nicht bekannt.

      • Reichsärztekartei bzw. Kartei der Kassenärztl. Vereinigung: Diese ist leider sehr lückenhaft, man findet nur etwa die Hälfte der Namen. Schwierigkeiten treten bei fehlenden