Feuerjäger: Sammelband. Susanne Pavlovic. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Susanne Pavlovic
Издательство: Bookwire
Серия: Feuerjäger
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958691506
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sich ändern wird, sobald ich in den Weissager gesehen habe«, verkündete Pintel. »Können wir dann?«

      »Wir sind bereit, wenn du es bist«, sagte Lomir.

      »Wir sollten einen Hocker mitnehmen oder irgendetwas«, schlug Nardon vor. »Schließlich soll er in die Kugel schauen und nicht in die Säule.«

      »Guter Gedanke.« Lomir griff nach einem Stuhl. »Gehen wir.«

      »Was ist das für ein Markstein?«, fragte Nardon, während sie die große Halle durchquerten. »Was soll er markieren?«

      »Das Ziel der Reise durch die Ebenen, nehme ich an«, sagte Pintel. »Oder den Ausgangspunkt, je nach dem, wie herum man den Toröffner gebraucht. Es ist ein geschliffener Kristall, so groß wie meine Handfläche, eingefasst in Gold und mit irgendwelchen Verzierungen am Rand. Genau weiß ich es nicht. Vergiss nicht, ich hatte es niemals selbst in der Hand. Bis vor kurzem habe ich nicht mal sicher gewusst, dass es existiert.«

      »Komisches Gefühl, kann ich mir denken«, sagte Lomir über die Schulter.

      »Ja«, sagte Pintel. »Das kannst du laut sagen.«

      Eine dicke Staubschicht bedeckte die Kugel, die in ihrer steinernen Kuhle lag wie das Ei eines seltsamen Tieres. Pintel, der auf den Stuhl geklettert war, um in die richtige Höhe zu kommen, holte tief Luft und blies den Staub herunter. Dann polierte er die Kugel mit dem Ärmel, bis das matte, zauberische Licht in der Halle sich auf ihrer Oberfläche spiegelte.

      Etwas im dunklen Inneren der Kugel schien zu erwachen, eine spiralige Bewegung setzte ein wie Strudel von tintenschwarzem Wasser, und Pintel räusperte sich mehrmals, während seine Wangen sich vor Aufregung glühend rot verfärbten.

      »Wenn ich etwas Komisches mache, zieht mich weg, ja?«, bat er.

      »Du meinst, komischer als sonst?«, fragte Lomir grinsend.

      Pintel seufzte. »Zieht mich einfach weg, wenn ihr das Gefühl habt, dass es mir nicht gut geht.«

      »In Ordnung.«

      Tiefe Konzentration lag auf Pintels Gesicht, als er den Beschwörungsgesang begann. Lomir und Nardon sahen sich an und nahmen schräg hinter Pintel Aufstellung, bereit, den Zauberer von seinem Stuhl zu ziehen, sobald es erforderlich war.

      Ein Licht drang aus der Kugel. Zunächst hielten sie es für eine Reflexion des Lichtes aus der Halle, doch dann wurde es heller und verschlang die wirbelnden dunklen Schwaden im Inneren der Kugel, und als Pintel seinen Gesang beendet hatte, strahlte es mit blendender Helligkeit, so dass die Zwerge die Augen zusammenkniffen und durch ihre Finger blinzelten. Einzig Pintel schien nicht geblendet. Fasziniert starrte er hinunter in die Kugel, die sein Gesicht in grelles, weißes Licht tauchte.

      »Eine Stadt«, sagte er. »Ich sehe Straßen. Es ist Mittag, denke ich, die Sonne steht hoch. Es ist Dalen! Ich erkenne die Aurach mit ihren vielen Brücken! Und jetzt, wartet …« Er kniff die Augen zusammen und riss sie wieder auf, während er auf seinem Stuhl leicht schwankte. Lomir machte einen Schritt und fasste den Zauberer vorsorglich am Mantel.

      »Ist gut«, sagte Pintel. »Götter, was für ein Ritt! Jetzt bin ich in einem Raum. Eine Werkstatt. Eine große Feuerstelle und ein Amboss …«

      »Eine Schmiede«, sagte Nardon.

      »Ja«, bestätigte Pintel.

      »Was für eine?«, fragte Nardon.

      »Wie soll ich das wissen?«, fragte Pintel, ohne den Blick von der Kugel zu nehmen.

      »Achte auf die Werkstücke. Hufeisen? Gitter, Fackelhalterungen oder Ähnliches?«

      »Nein ... Waffen.«

      »Gut«, sagte Nardon. »Merk dir die Einzelheiten. Wir wissen nicht, welche Informationen wir später benötigen. Ist denn jemand bei der Arbeit?«

      »Nein. Aber gerade geht eine Tür auf. Jemand kommt rein. Ein Zwerg … Götter, was hat der nur mit seinem Gesicht gemacht? Er trägt eine Augenklappe …«

      »Der Schmied?«

      »Sieht so aus. Er kam nicht von der Straße rein, sondern seitlich. Er trägt etwas in der Hand, ich kann es nicht erkennen, er hat riesige Pranken, die es verdecken, und jetzt … oh.«

      Pintel verstummte, seine Augen wurden groß und rund, wie gebannt starrte er in den Weissager.

      »Pintel?«, sagte Lomir, und, nach einer Weile, besorgt: »Pintel?«

      »Sollen wir ihn wegziehen?«, fragte Nardon.

      »Nein«, sagte Pintel. »Bloß nicht!«

      »Was ist los?«, fragte Lomir. »Was siehst du?«

      Ein seliges Lächeln ging über Pintels Gesicht.

      »Ich sehe die schönste Frau der Welt«, sagte er andächtig. »Sie ist hinter dem Zwerg reingekommen. Sie hat einen langen schwarzen Zopf und die allerschönsten, riesengroßen, dunkelbraunen Augen, und, oh! Götter! Wie sie sich bewegt! Ich wünschte, ihr könntet sie sehen, sie ist atemberaubend …«

      »Was ist mit dem Markstein?«, drängte Nardon. »Kannst du ihn sehen?«

      »Äh … ja«, sagte Pintel abgelenkt. »Der Zwerg hat ihn. Er legt ihn gerade auf diesen Amboss, und … hups!«

      Pintel schwankte, und Lomir griff kurzerhand zu und hob den kleinen Zauberer von seinem Stuhl herunter.

      »Es ist abgerissen«, sagte Pintel und zwinkerte heftig. »Das Bild war plötzlich weg.«

      »Das war alles?«, fragte Nardon enttäuscht.

      »Ich hab von Karcharoth zwar eine Anleitung bekommen«, sagte Pintel, »das heißt aber nicht, dass ich plötzlich ein Meister mit diesem Ding wäre! Ich finde, fürs erste Mal war es schon ganz gut.«

      »Kannst du es wiederholen?«, fragte Nardon.

      »Ich weiß nicht«, sagte Pintel zweifelnd. »Soll ich?«

      »Eine solche Gelegenheit bekommen wir nie wieder«, sagte Lomir. »Vielleicht könntest du nach unserer Feuerfrau sehen, oder nach den restlichen Schädeln? Oder du könntest nachsehen, wie meine Geschäfte laufen? Ich hatte da dieses Projekt mit diesem Zwerg in Tiefenhöchstadt …«

      »Das bestimmt zuallererst«, sagte Nardon.

      »War nur eine Idee«, sagte Lomir grinsend.

      »In Ordnung«, sagte Pintel. »Ich versuche es.«

      Er kletterte auf den Stuhl, konzentrierte sich, sang die Beschwörung und starrte dann in die reglose, dunkle Kugel.

      »Und?«, fragte Lomir ungeduldig. Pintel gab keine Antwort. Eine steile Falte erschien über seiner Nase, ein leichtes Zittern ging über seine Hände, dann wandte er den Blick ab und atmete tief durch.

      »Nichts«, sagte er. »Es funktioniert nicht mehr.«

      »Warum?«, fragte Nardon.

      »Warum fragst du das mich?«, sagte Pintel und kletterte vom Stuhl.

      »Ich weiß nicht«, sagte Nardon. »Vielleicht, weil du der Zauberer bist?«

      »Ich weiß es nicht«, sagte Pintel frustriert. »Ich habe nichts anders gemacht als beim ersten Mal. Ihr hättet euch vielleicht einen fähigeren Zauberer aussuchen sollen.«

      »Niemand zweifelt an deinen Fähigkeiten«, tröstete Lomir. »Im Gegenteil. Wir stünden ganz schön blöd da ohne dich.«

      »Meinst du?«, sagte Pintel mit schwachem Lächeln.

      »Ja«, sagte Lomir. »Und jetzt lasst uns zusammentragen, was wir wissen. Da gibt es also einen Zwerg in Dalen, der diesen Markstein hat. Er ist ein Waffen- oder Klingenschmied …«

      »… und er hat eine Augenklappe und eine riesige Narbe im Gesicht«, ergänzte Pintel. »Und sein Bart ist sehr kurz für einen Zwerg. Dafür hat er Schultern wie ein Schrank.«

      »Und«,