Feuerjäger: Sammelband. Susanne Pavlovic. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Susanne Pavlovic
Издательство: Bookwire
Серия: Feuerjäger
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958691506
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diesen Ort für verflucht und werden sich ihm nicht für alles Gold der Welt wieder nähern.«

      »Aber warum sind wir dann ausgestiegen?«, fragte Pintel und musterte entsetzt die unwirtliche Umgebung.

      »Das wären wir so oder so«, erklärte Krona düster. »Wir hatten nur die Wahl, ob mit oder ohne Boot.«

      »Götter«, sagte Pintel verzagt.

      »Keine Sorge«, sagte Krona, der es gegen ihre eigene Überzeugung gelang, zuversichtlich zu klingen. »Wir kommen hier schon wieder weg. Die Seelilie ist schließlich nicht das einzige Schiff, das in diesen Gewässern verkehrt. Zunächst sollten wir uns auf das konzentrieren, was wir hier zu erledigen haben.«

      Kurze Zeit später kehrte Nardon von seinem Ausflug hinter den Felsen zurück. Sein Gesicht über dem nassen Bart war von grünlich-blasser Farbe, und er musterte das auf der Seite liegende Boot, wie man eine tote Schlange mustert.

      »Besser?«, fragte Lomir besorgt. Nardon nickte nicht sonderlich überzeugend.

      »Kommt hier herüber«, sagte Fenrir. »Man steht etwas geschützt am Felsen.«

      Unter einem flachen Felsüberhang versammelten sich die Gefährten zur Lagebesprechung.

      »Wir haben vierundzwanzig Stunden«, sagte Krona und ignorierte Fenrirs langen Blick. »Das könnte etwas knapp werden, wir haben also keine Zeit zu verlieren. Zuerst stellen wir sicher, dass wir uns in der Festung ungestört bewegen können. Wenn wir alles unter Kontrolle haben, teilen wir uns auf und suchen systematisch.«

      »Was einfacher wäre, wenn wir wüssten, wonach wir suchen«, warf Lomir ein.

      »Totenschädel jeder Art«, zählte Krona auf. »Alles, was nach Zauberzeug aussieht. Jede Art von Schriften. Pintel ist unser Experte. Zeigt ihm eure Funde, er wird bestimmen, was wir mitnehmen.«

      »Wir müssen uns vorsehen«, sagte Pintel. »Das hier war über viele Jahre die Wohnstatt eines ziemlich üblen Gesellen. Ich meine, schaut euch nur um. Das sonnigste Gemüt würde nach ein paar Jährchen auf diesem Felsbrocken schlechte Laune kriegen.«

      »Und das heißt im Einzelnen?«, fragte Krona alarmiert.

      »Ich habe keine Ahnung.« Pintel zog sich seinen Umhang fester um die Schultern. »Ist nur so ein blödes Gefühl.«

      »Dann lasst uns gehen«, sagte Lomir. »Langsam wird’s nämlich kühl. Wenn ich gerade richtig gesehen habe, sitzt die Festung oben auf der Spitze der Zinne. Das heißt, wir brauchen einen Aufgang, einen Weg oder Treppen oder etwas Ähnliches.«

      »Versuchen wir es in dieser Richtung«, sagte Krona und zeigte mit dem Finger den Strand entlang. »Wenn ich richtig liege, war es die äußere Hafenmauer, oder was von ihr noch übrig ist, die unserem Boot diesen Schlag versetzt hat. Das heißt, der Hafen lag dort drüben, und dort müsste sich dann auch ein Aufgang befinden.«

      Sie setzten sich in Bewegung.

      »Weißt du mehr über die Geschichte dieser Anlage?«, fragte Fenrir Krona.

      »Ein wenig«, sagte sie. »Sie ist etwa vierhundert Jahre alt. Entstand während des Einigungskrieges. König Alastor von Bergen ließ sie errichten, um die Sturmflotten aus Lichtenau schon vor ihrer Landung bekämpfen zu können.

      Es geht die Rede, dass ein Zauberer das gesamte Bauprojekt durch einen Zauber vor den Augen der Lichtenauer verbarg. Ich glaube aber, die Lichtenauer erzählen das nur so, weil ihnen peinlich ist, dass sie von dem Bau nichts bemerkten. Jedenfalls starteten von hier die Kaperschiffe, die große Teile der Lichtenauer Flotte aufrieben, und von den Zinnen aus haben sie wohl die Seestraße beschossen.«

      »Warum sind die Lichtenauer nicht außen herum gefahren?«

      »Sind sie ja. Deshalb ging der Krieg dann auch verloren. Sie haben mit ihren Schiffen von Osten angegriffen, wo man sie nicht erwartet hat.«

      »Klingt für mich nicht übermäßig überraschend«, sagte Pintel und ließ sich von Krona über einen Felsen helfen.

      »Mit den Schiffen, die man damals hatte, konnte man nicht aufs offene Meer raus«, erklärte Krona. »Es gibt da irgendwelche Strömungen oder so. Die Lichtenauer mussten erst Schiffe erfinden, die mit so was fertig wurden. Damit hatten die Bergener nicht gerechnet.«

      »Seht mal«, sagte Nardon und zeigte auf den Felsen, der sich quer über den Strand zog. »Ein Stück der alten Hafenbefestigung, würde ich sagen.«

      »Und später?«, fragte Fenrir. »Nach dem Krieg?«

      »Nach dem Krieg wurde die Festung lange als Gefängnis genutzt. So weit ich weiß, sind hier die Söhne von König Alastor eingesessen und ein paar seiner Generäle. Die Art von Gefangenen, die man am liebsten vergessen möchte. Später saßen hier Schwerverbrecher. Ich glaube kaum, dass jemals einer der Gefangenen die Insel lebend verlassen hat.«

      »Klingt gruselig«, warf Pintel ein.

      »Danach weiß ich nicht«, sagte Krona. »Irgendwann wurde die Festung aufgegeben. Zu aufwendig im Unterhalt, vielleicht. Eine der Zinnen war wohl noch für eine Weile als Leuchtturm in Betrieb, aber das rentierte sich wohl auch nicht. Dann hat man es verfallen lassen.«

      »Bis Karcharoth einzog«, sagte Pintel. »Oh Mann, der könnte einem wirklich leidtun.«

      »Das zeigt nur, wie hoch man die Gefahr einschätzte, die von ihm ausging«, sagte Fenrir. »Wir sollten das nicht vergessen, solange wir uns hier bewegen.«

      »Wer von euch hatte eine Treppe bestellt?«, fragte Lomir, blieb stehen und deutete auf die Felswand. »Hier gibt’s eine.«

      »Das nennst du eine Treppe?«, fragte Pintel und starrte die Felswand hinauf. »Ich nenne das eine Hühnerleiter, wenn überhaupt.«

      »Und ich nenne das einen zufällig entstandenen Felsvorsprung«, sagte Fenrir.

      »Nicht zufällig«, widersprach Lomir und stieg auf die unterste Stufe. »Genauso wenig wie die hier -«, er stieg auf die zweite, »oder die hier.« Auf der dritten Stufe blieb er stehen und sah hinunter zu seinen Gefährten. »Nun kommt schon«, sagte er. »Dies ist eine Festung. Was hattet ihr erwartet? Eine Prachtstraße mit Rosenbüschen?«

      »Du hast recht«, sagte Krona und schloss zu Lomir auf. »Wir nehmen, was wir kriegen können.«

      Was sie erwartete, war nicht Treppensteigen, sondern Kletterei von Vorsprung zu Vorsprung. Durch einfaches Hinsehen war der Verlauf der Treppe kaum erkennbar, meist sahen sie nicht weiter als eine oder zwei Stufen. Der Fels war nass und glatt, so dass sie die Hände einsetzen mussten, um Halt zu finden. Der Wind heulte um ihre Köpfe und zerrte an ihren Mänteln, unter ihnen schlugen die Wellen mit dunklem Rauschen gegen den Strand. Sie waren kaum vier oder fünf Meter geklettert, als Lomir, der voran stieg, innehielt.

      »Interessant«, sagte er.

      »Was ist los?«, rief Fenrir, der die Nachhut bildete, von hinten.

      »Ein Tunnel«, beschrieb Lomir. »Unser Weg führt direkt hinein. Es gibt hier Reste irgendeiner Halterung, und auf dem Boden des Tunnels verlaufen Schienen – oder was immer es gewesen ist, als es noch intakt war.«

      »Der Lastenaufzug«, vermutete Krona. »Wahrscheinlich hat man hier Vorräte hinauf in die Festung geschafft.«

      »Und wie hat man die Vorräte bis hierher gebracht?«, wunderte sich Pintel. »Doch nicht über diesen Klettersteig?«

      »Über einen Flaschenzug, nehme ich an. Ich habe bei anderen Festungen ähnliche Vorrichtungen gesehen.«

      »Wie hoch ist der Tunnel?«, fragte Fenrir von hinten. »Passen wir hinein?«

      »Mit mehr oder weniger Bücken, ja«, sagte Lomir. »Er hat einen Durchmesser von etwas mehr als einem Schritt.«

      »Das bedeutet Kriechen, nicht Bücken«, sagte Fenrir.

      »Versuchen wir’s«, sagte Krona. »Es mag von Vorteil sein, wenn wir nicht durch den Haupteingang kommen.«