Es war fast dunkel, als die kleine Gruppe in Sophienlust eintraf. Im gemütlichen Speisesaal brannte bereits das Licht. Appetitlich war der Tisch gedeckt.
*
Sanft und mit unendlicher Zärtlichkeit strich Florence der kleinen Sanny über das blonde Haar. Nach einer üppigen Mahlzeit und einem warmen Bad war die Kleine erschöpft eingeschlafen.
Nur Dany, der ja unterwegs geschlafen hatte, war überhaupt nicht mehr müde. Er saß in seinem Bettchen und spielte mit dem neuen Auto, dass Tante Isi ihm geschenkt hatte.
Eben huschte Pünktchen im Nachthemd ins Zimmer. »Dr. Amberg ist gekommen«, flüsterte sie Tante Florence so leise zu, dass Dany es nicht hören konnte. »Er wartet auf dich im Wintergarten.«
»Er wird nach den Kindern sehen wollen«, gab Florence ein bisschen wehmütig zurück. Nur schwer konnte sie die Unruhe in sich unterdrücken.
»Nein. Er hat schon mit Frau Dr. Frey gesprochen. Sie hat ihm gesagt, dass Dany und Sanny ganz gesund sind und dass sie keinen Schaden genommen haben. Und ich habe ihm gesagt, dass die beiden schon schlafen.« Pünktchen wurde ein bisschen rot. Denn sie musste immerzu an die Prophezeiung der Huber-Mutter denken. Eine Hochzeit auf Sophienlust war immer wunderschön. Schöner fast als alle anderen Feste.
»Aber das stimmt ja gar nicht.«
»Macht doch nichts«, tuschelte Pünktchen. »Dany hat seinen Vati noch lange. Er kann ihn morgen sehen. Geh nur, Tante Florence. Ich spiele ein bisschen mit ihm. Und wenn er schlafen will, singe ich ihm ein Gutenachtlied.« Pünktchen lächelte wie eine kleine Verschwörerin.
»Aber du musst doch selbst ins Bett. Tante Ma wird schimpfen.«
»Sie schimpft nicht«, behauptete Pünktchen stolz. »Weil ich ihr verraten habe, dass …« Pünktchen gab sich selbst einen kleinen Klaps auf den Mund. Beinahe hätte sie das kleine Geheimnis verraten, von dem hier alle wussten, nur die Beteiligten nicht. »Geh nur, Tante Florence«, wisperte sie. »Vielleicht mag Dr. Amberg es nicht, wenn du ihn warten lässt.«
Florence lächelte über den Eifer des kleinen Mädchens. Ein bisschen steif ging sie zur Tür. Ihre Knie waren schon wieder ganz zittrig.
Zögernd drückte sie wenig später die Tür zum Wintergarten auf.
Dr. Amberg kam ihr entgegen. Er wirkte blass und übermüdet, aber seine klugen Augen strahlten.
»Gott sei Dank, Florence, dass Sie und die Kinder wohlbehalten zurück sind. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie glücklich ich darüber bin.« Er griff nach den schmalen Händen der jungen Frau und hielt sie fest und innig umspannt. »Ich glaube, den guten Ausgang haben wir in der Hauptsache Ihrer Klugheit und Umsicht zu verdanken. Ohne Sie wäre die Sache für meine Kinder nicht so gut ausgegangen. Florence, ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken kann. Mein Leben wird nicht ausreichen, die Schuld abzutragen.« Helmut machte ein verzweifeltes Gesicht. Flüchtig dachte er daran, wie ungerecht man die schöne junge Frau verdächtigt hatte. Dass er selbst für kurze Zeit an diese Verleumdung geglaubt hatte, würde er sich nie verzeihen.
»Ich habe doch nur das getan, was selbstverständlich war.« Florence lächelte sanft. Sehr jung und wunderschön sah sie in diesem Augenblick aus. Sie entzog Dr. Amberg ihre Hände nicht. Sie fand es angenehm, den Druck seiner Finger, die Wärme seiner Haut zu spüren.
»Nein.« Der Arzt schüttelte leicht den Kopf. »Sie haben bewiesen, dass Sie die Kinder richtig gern haben. Und das gibt mir den Mut, das auszusprechen, was ich Ihnen schon bei unserem Spaziergang gern gesagt hätte. In Ihnen, Florence, haben meine Kinder den Menschen gefunden, der Ihnen die Mutter ersetzen wird, der sie vergessen lassen wird, was sie verloren haben. Eigentlich hätte ich nie gedacht, dass es diesen Menschen gibt. Es ist wie ein Wunder, Florence.
Ich selbst empfinde ähnlich wie Dany und Sanny. Auch ich kann wieder so etwas wie Glück empfinden. Noch vor einigen Wochen hätte ich das für unmöglich gehalten. Damals hatte ich ja auch noch keine Ahnung, dass es ein so bezauberndes Wesen wie Sie gibt. Sie sind so wunderschön, Florence, dass ich mich schon im ersten Augenblick in Sie verliebt habe. Zuerst war ich meiner Sache nicht ganz sicher. Aber jetzt, nach diesem schrecklichen Ereignis, weiß ich, dass dies keine oberflächliche Empfindung ist, sondern echte, wahre Liebe.« Der Druck seiner Finger verstärkte sich. Flehend sah er die schöne Florence an.
»Mir geht es ähnlich«, sagte sie leise. »Zuerst waren es die Kinder, die ich liebgewann. Und dann sah ich dich, Helmut, und wusste, dass ein neues Leben möglich ist. Ein Leben, das einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zieht.«
»Florence, geliebte, schöne Florence! Was du sagst, ist so, als ob die Sonne nach einer langen kalten Nacht aufgeht. Nach Finsternis und Einsamkeit bist du der strahlende Morgen, das helle Licht.«
Ganz selbstverständlich war das Paar zu dem freundschaftlichen Du übergegangen. Helmut ließ die Hände der jungen Frau los, legte die Arme zärtlich um ihren Oberkörper und zog sie liebevoll an sich.
»Weißt du, was ich Dany und Sanny versprochen habe, als wir im Ferienhaus eingeschlossen waren? Ich habe gesagt, dass wir immer beisammenbleiben.« Florence lächelte charmant. Sie fand es wunderschön, die starken Arme des Mannes an ihrem Rücken zu fühlen, seine Nähe zu spüren.
»Dann möchte ich schnellstens eine Bitte aussprechen, die mir sehr am Herzen liegt.« Dr. Amberg war plötzlich sehr ernst und feierlich. »Ich wünsche mir, dass du meine Frau wirst, Florence. Die Mutter meiner Kinder. Wir haben dich alle sehr gern, und wir werden alles tun, damit es dir bei uns gefällt. Vor allem kann ich dir versprechen, dass ich dir immer treu sein und alles tun werde, damit du glücklich bist.«
»Weißt du, wie Sanny und Dany zu mir sagen?« Florence machte eine kleine Pause und blickte dem Mann tief in die Augen. »Mami sagen sie. Und ich glaube, es macht ihnen Spaß.«
»Du warst so tapfer, als ob du wirklich ihre Mami wärst« meinte Helmut gerührt. »Bist du damit einverstanden, dass wir bald heiraten, Florence?«
Die junge Frau nickte. Tausend goldene Pünktchen tanzten in ihren Augen. Es war, als würden sie auf Helmut überspringen, als würden sie die Flamme der Liebe zu ihm zu einem mächtigen, alles verzehrenden Feuer entfachen.
»Und die anderen? Es gibt so viele Verehrer für dich. Dr. Solten zum Beispiel. Er ist ledig, hat keine Kinder, kann dir ein angenehmes Leben bieten.«
»Ich mag aber nur dich! Dich und die Kinder. Sie werden mir nie eine Last sein, immer nur eine Freude.«
Jetzt konnte sich Dr. Amberg nicht länger beherrschen. Noch inniger zog er das schlanke Wesen an sich. »Ich liebe dich«, raunte er voll überschäumenden Glücks. Er beugte sich etwas vor und küsste Florence. Zart und scheu zuerst, dann immer stürmischer.
Der Papagei Habakuk blinzelte. Was er da sah, erstaunte ihn. Neugierig reckte er den Hals. Er drehte den Kopf bald nach rechts, bald nach links. Doch das Bild blieb dasselbe. Eine wunderschöne junge Frau hatte die Arme um den Hals eines großen, sportlichen Mannes gelegt. Die beiden küssten sich lange. Zu lange, fand Habakuk. Er schimpfte zuerst leise, dann immer lauter.
Das Paar, das so eng umschlungen im Wintergarten zwischen den hohen Blattpflanzen stand, schien das nicht zu stören.
»Stop!«, kreischte Habakuk und war außerordentlich stolz darauf, dass ihm ein so klangvolles Wort eingefallen war. Dass es gerade passte, ahnte er natürlich nicht.
Helmut und Florence wandten gleichzeitig den