»Nichts. Wahrscheinlich ist das auf den Einfluss der reichen Frau Buchholz zurückzuführen. Sie wird darum gebeten haben, die Presse nicht zu unterrichten. Ehrlich gesagt, es ist sicher für alle besser so. Weißt du übrigens, dass Frau Theger den Vater von Dany und Sanny heiratet?«
»Dr. Amberg?«, fragte Andrea überrascht.
»Die beiden haben gestern auf Sophienlust Verlobung gefeiert. Muss ein richtig lustiges Fest gewesen sein. Als ich am frühen Morgen drüben auf Gut Schoeneich war, um nach dem Lipizzaner-Hengst zu sehen, sah dein Vater noch ganz verkatert aus.« Hans-Joachim schmunzelte.
Andrea vergaß vor lauter Überraschung den Löffel neu zu füllen, sodass Peterle lautstark reklammierte. »Mammm! Mamm!«
»Wenn Florence jetzt heiratet, dann …, dann war das zwischen euch ja doch ganz harmlos.« Eine glühende Röte schoß in Andrea’s Wangen. Wunderschön sah sie in ihrer Verlegenheit aus.
»Hab’ ich dir das nicht gleich gesagt?« Hans-Joachim lachte glücklich. »Hab ich dir nicht gesagt, dass ich dich viel zu sehr liebhabe, um solche Dummheiten zu machen?« Hans-Joachim stand auf und kam langsam näher. »Ich möchte dich doch nicht verlieren, Andrea. Niemals!«
Das junge Ehepaar sah sich in die Augen und vergaß für einige Augenblicke den kleinen Jungen, der auf sein Essen wartete.
»Hast du mich denn noch wirklich lieb? So wie damals, als wir geheiratet haben?« Andrea blinzelte ängstlich.
»Noch viel lieber. Weil ich dich inzwischen viel besser kenne und weil ich weiß, welches Glück es bedeutet, eine Frau wie dich zu haben, Andrea. Du bist die ganze Welt für mich. Du und Peterle. Das wird sich niemals ändern.« Liebevoll legte Hans-Joachim den Arm um Andrea’s Schultern, beugte sich hinab und küsste sie zart auf die Stirn.
»Ich bin so froh, dass jetzt nichts mehr zwischen uns steht«, flüsterte die junge Frau. Sie ließ den Kinderlöffel los und griff nach den Fingern ihres Mannes.
»Es soll nicht mehr vorkommen«, versprach Hans-Joachim feierlich. »Du sollst keinen Grund mehr zur Eifersucht haben.«
»Und ich will mich nicht mehr so dumm und so kindisch benehmen.«
Andrea hob den Kopf und bot Hans-Joachim die frischen roten Lippen zum Kuss.
Peterle sah voll Begeisterung zu und jauchzte. Selig lehnte er sich gegen seine Mutti und patschte ungeschickt mit seinen dicken Händchen nach dem Gesicht des Vaters. Als er trotzdem keine Beachtung fand, kreischte er, so laut er konnte: »Mamm!«
Andrea und Hans-Joachim fuhren erschrocken auseinander.
»Schimpf nur«, sagte die junge Mutter lachend. »Du hast Rabeneltern, die dich verhungern lassen wollen.«
»Keine Sorge, Peterle. Sie vergessen dich nicht. Dazu haben sie dich viel zu gern.« Hans-Joachim strich dem Kleinen zärtlich über das goldblonde Haar.
»Stimmt genau.« Strahlend sah Andrea zu ihrem Mann auf. Endlich stand nichts mehr zwischen ihnen, endlich waren sie wieder ein Herz und eine Seele. Rasch griff sie zum Löffel, um den kleinen Sohn weiterzufüttern. Peterle lehnte sich zufrieden zurück und ließ es sich schmecken.
*
Frau Dr. Frey sah auf die Notizen, die ihre Assistentin im Labor gemacht hatte.
»Darf ich jetzt wieder zu den anderen?«, fragte Fabian schüchtern. Seit Heidi vor vier Tagen aus dem Krankenzimmer entlassen worden war, verging für Fabian die Zeit noch langsamer als vorher. Ihm war ganz schrecklich langweilig. »Ich möchte wieder zur Schule gehen.«
»Und übermorgen«, ergänzte Denise von Schoenecker, die am Ende des Bettes stand, »haben Florence Theger und Dr. Amberg Hochzeit. Es soll nur eine schlichte kleine Feier werden. Unsere Kinder werden in der Kirche das Ave-Maria singen. Frau Theger weiß noch gar nichts davon. Es soll eine Überraschung werden. Fabian hat doch eine wunderschöne Stimme. Da wäre es schön, wenn er auch …«
»Darf ich einmal deine Zunge sehen?« Frau Dr. Frey zog eine Taschenlampe und ein Holzstäbchen, steril verpackt, aus der Tasche. Eingehend besah sie sich den Rachen des kleinen Patienten. »Singen kannst du wieder«, meinte sie schließlich und gab Fabian einen liebevollen Klaps.
»Aber …, aber dann muss ich doch aufstehen.«
»Sollst du auch. Du bist wieder ganz gesund. Die Ansteckungsgefahr ist auch vorüber.« Anja Frey war genauso froh darüber wie ihr Schützling. Einige Tage lang hatte sie befürchtet, dass sie noch weitere Kinder von Sophienlust anstecken würden. Glücklicherweise war diese Sorge unbegründet gewesen.
»Hurra!« Fabian hüpfte mit einem Satz aus dem Bett, umarmte stürmisch seine geliebte Tante Isi und rannte dann zur Tür.
»Du musst dich erst anziehen!«, mahnte Heidi, die geduldig dort gewartet hatte. Während des Aufenthalts im Krankenzimmer war eine Vertrautheit zwischen den beiden Kindern aufgekommen wie zwischen Geschwistern.
»Ich bin so froh, dass alles ohne Komplikationen verlaufen ist.« Denise reichte der Ärztin dankbar die Hand.
*
Es war ein sonniger Maientag, als die Kinder von Sophienlust eng gedrängt auf der Empore der kleinen Dorfkirche von Wildmoos standen. Das Licht fiel schräg durch die hohen Fenster und zauberte bunte Reflexe auf den roten Teppich, den man zu Ehren des Brautpaares ausgerollt hatte.
Herr Rennert, der Musiklehrer, hatte viel Mühe, seine kleine Schar ruhig zu halten.
»Wir sind die einzigen, die heute schulfrei haben«, wisperte Steffen Irmela zu.
»Und wir sind die Einzigen, die zum Sektfrühstück im Hotel Post eingeladen sind. Das ist ein ganz feiner Laden.« Irmela reckte stolz den Kopf mit den hübschen Locken, die Schwester Regine ihr eingedreht hatte.
»Gibt es da nur Sekt?«, erkundigte sich Angelika und zog ein bisschen die Stupsnase hoch.
»Alles, was du möchtest. Ich habe Tante Isi gefragt.«
»Dann bin ich beruhigt.« Angelika nickte zufrieden.
Der Musiklehrer, der den kleinen Chor dirigieren würde, klopfte ruhegebietend auf den Notenständer. Nur zu gut wusste er, dass die lebhafte Kinderschar nicht mehr zu bändigen sein würde, wenn sie erst zu schwatzen begann.
Nur Nick war heute auffallend still. Immer wieder sah er zu Pünktchen hinüber, die am anderen Ende der Gruppe stand. In dem neuen duftigen Kleid sah sie wunderschön aus. Fast wie eine junge Dame. Warum schaute sie denn überhaupt nicht zu ihm herüber? Richtig stolz war sie heute. Doch irgendwie imponierte ihm das. Vielleicht war es doch gut, wenn er künftig ein wenig galanter zu Pünktchen war. Schließlich mochte er sie doch. Sehr gern sogar. Ob er später auch einmal Hochzeit mit ihr feiern würde? So wie Dr. Amberg heute mit Florence?
Eigentlich konnte Nick sich das nicht vorstellen. Vorsichtig äugte er hinunter ins Kirchenschiff. Dort saßen seine Mutti und sein Vati nebeneinander und sahen wieder einmal sehr glücklich aus.
Das Läuten der Kirchenglocken brachte den Jungen sehr rasch in die Wirklichkeit zurück. Eben schritten Dr. Amberg und Florence durch die niedrige Kirchentür. Die beiden Kinder, Sanny in einem langen rosaroten Kleidchen und Dany im dunklen Samtanzug, trippelten voraus und streuten Blumen. Florence trug ein helles, schmal geschnittenes Kleid, in dem sie sehr zart und mädchenhaft wirkte. Statt Schleier stecken winzige Blüten in ihrem Haar, die wie Sterne funkelten.
Die Kinder von Sophienlust hielten den Atem an. Sie alle glaubten, noch nie ein so zauberhaftes Hochzeitspaar gesehen zu haben.
Sehr leise setzte auf Herrn Rennerts Zeichen der Chor ein. Während die Kinder bei den Proben das Eingangslied immer viel zu laut geschmettert hatten, kam es jetzt fast zaghaft.
Schon beim ersten Ton drehte sich der kleine Dany, der jetzt neben seiner Schwester hinter dem Brautpaar stand, um. Vergeblich versuchte Sanny ihn daran zu hindern, dass er seinen Freunden aus Sophienlust fröhlich zuwinkte