Schwarzes Glas - Die Reise in die Zwischenwelt. Hendrik Lambertus. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hendrik Lambertus
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783764192693
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nahm Pistazie, wie er es eigentlich immer tat. Auch Shaka blieb ihren Gewohnheiten treu: Sie probierte jedes Mal etwas Neues aus, diesmal war es eine violette Eissorte namens »Heidelbeer-Cheesecake«. Schließlich setzten sie sich mit ihren Shakes an einen der Brunnen im Erdgeschoss des Centers.

      Einige Tropenpflanzen mit mächtigen Palmwedel-Blättern sollten hier eine Art Mini-Dschungel simulieren. Jauchzende Kinder versuchten, die aufspritzenden Wasserfontänen zu fangen, während ihre Eltern sich verzweifelt bemühten, durchnässte Klamotten zu vermeiden.

      »Also?«, fragte Shaka schließlich, nachdem sie die Showeinlage eine Weile verfolgt hatten.

      Elias stellte unbehaglich seinen Milchshake zur Seite.

      »Gestern, nachdem wir auf dem Dach waren, ist mir noch etwas Seltsames passiert. Ich konnte in der U-Bahn-Station den Weg zum Bahnsteig nicht finden und …«

      »Du hast dich in der U-Bahn verlaufen?« Shaka warf belustigt ihren Zopf zurück.

      »Soll ich’s dir jetzt erzählen oder nicht?«

      »’tschuldigung.«

      Er fuhr seufzend fort und beobachtete, wie Shakas Gesichtsausdruck im Verlauf seines Berichts immer mehr entgleiste. Und das, obwohl er sich größte Mühe gab, seine Erzählung so sachlich und unaufgeregt wie möglich klingen zu lassen …

      »So«, beendete Elias schließlich seine Ausführungen. »Nun kannst du die Zwangsjacke aus dem Rucksack ziehen.«

      »Das würde ich ja gerne tun«, erwiderte Shaka und spielte unbehaglich mit ihrem Zopf. »Allerdings könnte ich mir die dann auch gleich selbst anziehen. Ich habe nämlich inzwischen ebenfalls etwas Merkwürdiges erlebt.«

      »Ach nee?« Elias beugte sich aufgeregt zu ihr vor. »Warum hast du das nicht gleich gesagt?«

      »Ich wollte deinen Bericht nicht beeinflussen«, erwiderte Shaka ungerührt. »Außerdem ist meine Entdeckung nicht so spektakulär wie dein Monster.«

      »Was ist es denn nun?«, fragte Elias ungeduldig.

      »Gestern Abend habe ich noch ein bisschen herumgesurft und nach diesem seltsamen Haus und der App gesucht«, begann Shaka.

      »Und?«

      »Ich habe etwas gefunden. Auch wenn ich keine Ahnung habe, was das sein soll …«

      Sie zog ihr Handy hervor und öffnete mit dem Browser eine Webseite. Auf dem Display erschien ein bläulich leuchtender Halbbogen vor schwarzem Hintergrund. Wie ein Tor aus Leuchtröhren.

      »Das ist das Zeichen von dem Haus!«, rief Elias.

      »Und von der App«, bestätigte Shaka.

      »Was macht diese Webseite?«

      Shaka sah plötzlich etwas missmutig aus. »Keine Ahnung. Einfach nur da sein, schätze ich.«

      »Wie meinst du das?«

      »Man kann nichts damit anfangen!«, empörte sich Shaka. »Es gibt keine Texte, keine Videos, keine Links auf weitere Seiten. Einfach nur dieses Symbol als Startseite. Sonst nichts. Nicht einmal ein Impressum oder sonst eine Kontaktmöglichkeit.«

      »Wie heißt die Seite denn?«, fragte Elias.

      »Das ist sogar noch verrückter. Schau!« Shaka öffnete die Adresszeile. Dort war zu lesen: »www.threshold.iz«.

      »Threshold?«, wunderte sich Elias.

      »Ja. Englisch für Türschwelle

      »Und was ist.iz für ein Länderkürzel? Izland? Izenburg?«

      Matt ließ Shaka ihr Handy sinken. »Wenn ich das nur wüsste! Dieses Kürzel dürfte es eigentlich gar nicht geben.«

      »Nirgendwo? Nicht mal für irgendeine kleine Südsee-Insel?«

      »Nein. Ich habe weiter nachgeforscht – und nicht das Geringste dazu gefunden.«

      »Verstehe.« Elias strich sich das widerspenstige Haar zurück. »Das ist auch ziemlich schräg.«

      »Das Beste kommt ja noch.« Shaka tippte wieder auf dem Gerät herum. »Ich habe mir dann mal den Quellcode der Seite angeschaut. Hier ist er.«

      Sie zeigte ihm das Display. Es war mit merkwürdigen Schriftzeichen bedeckt, wie Elias sie noch nie zuvor gesehen hatte. Manche sahen ein wenig so aus, als hätte man kleine Menschen oder Tiere als Buchstaben gezeichnet, andere waren ein Chaos aus verschlungenen Strichen.

      »Wie Hieroglyphen«, murmelte Elias.

      »Ja«, bestätigte Shaka. »Jedenfalls nicht so, wie ein vernünftiger Quellcode aussehen sollte. Das ist keine Programmiersprache, von der ich je etwas gehört habe.«

      Ratlos ließ Elias die Schultern sinken. »Eigenartig«, murmelte er. »Kannst du nicht deinen Vater danach fragen? Der macht das doch beruflich.«

      Shaka rutschte unzufrieden auf dem Brunnenrand herum. »Wenn er denn mal Zeit hat«, sagte sie. »Heute ist er gerade erst zu irgendeiner Konferenz gefahren.«

      »Mmh«, brummte Elias enttäuscht. »Wie hast du diese Webseite überhaupt gefunden?«

      »Mit ganz banalen Suchbegriffen«, erwiderte Shaka. »Haus im Dunkeln, schwebende Lichter oder so ähnlich. Hätte nie erwartet, dass da etwas Brauchbares kommt. Und doch war es gleich der erste Treffer.« Sie stockte kurz. »Es war fast so, als hätte die Webseite mich gefunden.«

      Elias schaute Shaka von der Seite an. Sie sah ungewöhnlich ernst aus und hatte die Lippen zusammengepresst. Shaka hatte es noch nie leiden können, wenn sich etwas ihrem rationalen Verstand entzog.

      Für einen Moment schwiegen die beiden, während um sie herum die Leute flanierten und in ihrem Rücken der Brunnen vor sich hin plätscherte. Dann ertönte plötzlich ein keckerndes Lachen, das in ein kehliges Knurren überging. Es kam von Shakas Handy.

      »Wieder der bengalische Königstiger?«, fragte Elias zweifelnd.

      »Quatsch«, erwiderte Shaka mit einem tadelnden Blick. »Eine Tüpfelhyäne. Die meldet sich bei eingehenden Mails.«

      Shaka öffnete ihr E-Mail-Programm – und stutzte.

      »Guck doch, was gerade gekommen ist«, sagte sie.

      Elias schaute auf die Nachricht, die sie geöffnet hatte. Der Absender lautete »[email protected]«. Der Text war so kurz wie merkwürdig: »Hilfe erwünscht.« Darunter folgte eine Reihe von Zahlen. Sonst nichts weiter.

      »Langsam reicht es mir mit diesen Seltsamkeiten«, knurrte Shaka. Dann begann sie, eifrig auf ihrem Handy herumzutippen.

      »Was tust du?«

      »Eine Antwort schreiben und weitere Infos anfordern.«

      Sie schickte die Mail mit einem energischen Klick ab. Kurz darauf verzog sie das Gesicht.

      »Na toll«, murmelte sie. »Ich komme nicht zum Absender durch. Muss irgendeine No reply-Variante sein …«

      Für einen Moment schwiegen beide ratlos.

      Dann bemerkte Elias plötzlich eine Bewegung. Sie ging fast im allgemeinen Gewusel ringsum unter – und stach doch heraus. Weil sie aus der falschen Richtung kam: aus dem Mini-Dschungel neben dem Brunnen. Dort hatte gerade einer der Palmwedel verdächtig gewackelt. War das ein Kind?

      Auf einmal spürte Elias wieder dieses seltsame Kribbeln hinter seiner Stirn. Und war sich sicher, dass das kein Kind war. Er wandte den Kopf, so langsam und unauffällig wie möglich. Zwischen den Grünpflanzen war nichts zu sehen. Er griff beiläufig in seine Tasche, zog sein Handy hervor und öffnete die In-Between-App. Dann richtete er die Kamera ruckartig auf den Topfpflanzen-Dschungel. Tatsächlich! Hinter dem Stamm einer Pflanze mit hellgrünen Riesenblättern hockte eine kleine, graue Gestalt – mit einem Paar ledriger Flügel auf dem Rücken.

      Für einen Moment starrte er das Flügelding fassungslos an. Es starrte aus kleinen,