Eight Ball Boogie. Declan Burke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Declan Burke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960540694
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weiß gar nicht …«

      »Haben wir uns verstanden?«

      »Ja, ja, natürlich. Aber …«

      Ich ging dazwischen, um ihr eine Pause zu verschaffen.

      »Naughton ist ziemlich aufgebracht, Miss Hunter. Das sind wir alle. Es hat einen sehr niederträchtigen Mord gegeben, und wir hoffen, dass Sie in der Lage sind, etwas Licht in die Angelegenheit zu bringen.«

      »Ich? Aber … wer denn? Wer wurde denn umgebracht?«

      Herbie sprang in die Bresche und bellte: »Imelda Sheridan. Wurde heute Morgen abgeschlachtet. Und Sie brauchen jetzt mindestens drei Alibis und den Beistand der Kirche.«

      Sie wurde leichenblass, ihre Augen glänzten. Offenbar hatte sie überhaupt noch nichts davon gehört. Was Imelda Sheridan betraf, war diese Dame völlig unbeleckt. Aber deshalb waren wir ja auch nicht gekommen.

      »Miss Hunter … es geht hier zweifellos um eine delikate Angelegenheit, aber Sie können sich auf unsere Diskretion verlassen. Ich gebe Ihnen mein Wort, dass Sie im Zusammenhang mit dieser Ermittlung nicht genannt werden, es sei denn, es ist unerlässlich.« Ich holte tief Luft, nur zur Show. »Wir müssen Sie nach Ihrer Beziehung zu Tony Sheridan fragen.«

      »Tony?«

      Herbie ging sie wieder scharf an.

      »Big Tony, genau der. Der, mit dem Sie den heißen Fandango getanzt haben. Seine Frau wusste davon. Und jetzt ist sie tot. Erstochen. Also … spucken Sie es aus.«

      »Tony und ich … das ist doch längst vorbei, das ist nicht … erstochen?

      Ich fragte: »Was hat Imelda Sheridan denn zu Ihrer Affäre gesagt?«

      »Das weiß ich nicht, Tony hat mir nichts erzählt. Das war nicht ungewöhnlich bei ihm …« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Sie war … ich weiß nicht, sie war …«

      Ich rieb mir die Nase, das war für Herbie das Zeichen zum Rückzug.

      »Miss Hunter … darf ich Sie Joan nennen?«

      Sie nickte, starrte zu Boden und unterdrückte ein Schluchzen.

      »Joan, denken Sie bitte mal darüber nach, was Sie über Imelda Sheridan wissen. Könnten Sie sich vorstellen, dass sie aufgrund von Tonys Indiskretionen jemanden bedrohen könnte?«

      Sie schüttelte den Kopf und schluchzte leise.

      »Entschuldigen Sie bitte, Joan. Können Sie das noch mal wiederholen?«

      Jetzt brach sie in unkontrolliertes Weinen aus. Wir warteten ab. Als sie genug geheult hatte, tupfte sie sich die Tränen aus den Augenwinkeln und sagte mit einem leichten Schluchzen: »Sie war eine sehr zurückhaltende Frau, sehr still … eher farblos, würde ich sagen. Über Tony schien sie sich nicht so viele Sorgen zu machen. Ich dachte immer, sie war sogar froh, dass er nicht zu ihr ins Bett stieg. Sie schien … kein Interesse daran zu haben.«

      »Kein Interesse?«

      »Solche Menschen gibt es ja.«

      »Und Tony?«

      »Tony?« Ein hysterisches Kichern bahnte sich den Weg durch ihre Kehle. »Der hatte großes Interesse.«

      Herbie: »Hat er sich Ihnen gegenüber mal danebenbenommen?«

      Ihre Stimme klang heiser.

      »Nein.«

      Ja. Ich sagte: »Hat er je davon gesprochen, dass er Imelda verlassen will, Joan?«

      »Verlassen?«

      »Wollte er sich scheiden lassen?«

      Diesmal schüttelte sie entschieden den Kopf.

      »Für Imelda wäre das niemals in Frage gekommen … oh.«

      »War sie sehr gläubig? War sie religiös?«

      »Nein … weiß ich nicht, vielleicht. Aber vor allem war sie zufrieden mit dem, was sie hatte. Sie brauchte Tony nicht, um es zu genießen.«

      »Hat sie ihn wegen des Geldes geheiratet?«

      Sie warf mir einen herablassenden Blick zu – na klar, warum denn sonst?

      »Woher soll ich das denn wissen, Detective?«

      Herbie stieg wieder hart ein: »Was ist mit Drogen?«

      »Drogen?«

      »Imelda hat Weihnachten ein bisschen vorverlegt, jedenfalls, was den Schnee betrifft. Ein Bernhardiner hat sie aus der Verwehung in ihrem Wohnzimmer gerettet. War das normal bei Imelda?«

      »Herrje, das kann ich mir nicht vorstellen. Sind Sie sicher, dass Sie die richtigen …«

      »Wir stellen immer die richtigen Fragen. Glauben Sie, Tony könnte seine Frau erstochen haben?«

      »Nein!« Sie prallte zurück. »Und ich denke nicht …«

      »Denken ist unser Job«, rief Herbie. »Könnte er es vielleicht in Auftrag gegeben haben?«

      »Woher sollte ich das denn wissen?«

      »Ja oder nein? Entweder hier oder auf der Wache.«

      »Nein.«

      Ich rieb mir wieder die Nase.

      »Joan, wir sind Ihnen dankbar für Ihre Kooperation, und wir können uns vorstellen, was für ein großer Schock es für Sie sein muss, das zu erfahren.« Sie nickte, senkte den Kopf, ganz das arme Opfer. »Aber wir müssen Sie bitten, den Bezirk nicht zu verlassen, ohne uns vorher davon in Kenntnis zu setzen.«

      Ihr Kopf ruckte hoch, sie riss die Augen weit auf.

      »Bin ich etwa …? Soll das bedeuten, ich …?«

      »Nein, Ma’am, aber wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mit uns in Verbindung blieben.« Ich hielt inne. »Unter diesen Umständen sorgen wir uns um die Sicherheit aller Personen im Umfeld des Opfers.«

      Sie starrte mich an, musste schlucken und fing wieder an zu schluchzen. Ich machte ein paar tröstende Geräusche und tätschelte ihre Schulter. Wir gingen. Nachdem die Aufzugtür sich geschlossen hatte, schaute Herbie mich schief an.

      »Denken ist unser Job«, schnarrte er.

      »Du bist ein richtig beschissener Schmierenkomödiant.«

      Wir verließen das Haus nacheinander, immer noch in bester Laune.

       5

      Wieder im Büro, ging ich die Post durch – nur Rechnungen – und warf die ersten Mahnungen in den Müll. Drehte mir eine Fluppe, dachte über den Zeitungsausschnitt nach, den Katie liegen gelassen hatte, und fragte mich, warum sie das getan hatte. Ein Gesicht tauchte in meinem Hinterstübchen auf, in der hintersten Reihe, ganz oben rechts – schwarze Schweinsaugen in einem bleichen Gesicht, das keine Rasur nötig hatte.

      Wieder überkam mich dieses Gefühl, als hätte ich Betonbrocken im Magen, und ich bekam eine Gänsehaut – es war diese Gewissheit, dass ich beobachtet wurde. Ich griff nicht nach dem 38er. Stattdessen zündete ich mir die Fluppe an, warf noch eine Tablette ein und rief im Leichenschauhaus an. Fragte mich, ob ich nicht selbst eine Bahre mieten und alles vergessen sollte. Ich warf eine Münze. Sie fiel nicht herunter.

      Sie war blond und dumm und schon jenseits der fünfzig, aber immer noch dumm genug, um blond sein zu wollen. Ihre Haut hatte die Farbe von Pergament und hing unterm Kinn lasch herab. Dünne Lippen, die fast rosa waren, schmale Nase, die Haare über der Oberlippe waren ebenfalls blondiert. Ich wollte sie schon fragen, warum Blondinen sich nie ihre Augenbrauen färben, aber sie hatte die Augen geschlossen, und der Schnitt, der ihren Hals durchtrennte, war gute fünfzehn Zentimeter lang.

      Das