»Was denn?«
»Wenn Sie mir noch mal so rotzig kommen, putz ich Ihnen die Nase.«
Brady ging zurück zum Mondeo, zündete sich eine Zigarette an und merkte, wie Kilfeather ihm einen bösen Blick zuwarf. Er rieb sich langsam und demonstrativ die Nase, also warf Kilfeather mir einen wütenden Blick zu. Ich verstand den Hinweis und machte die Fliege.
2
Herbie hing immer noch zitternd über seinem Moped.
»Und?«
»Könnte sein, dass es kein Selbstmord war.«
»Hast du was rausgekriegt?«
»Nichts, was man in einer Zeitung für die ganze Familie zitieren könnte.«
»Scheiße.«
Er streckte sich, blies in die Hände und erinnerte sich wieder, dass er Handschuhe trug. Er schaute über den See zur Stadt, die sich am Fuße eines Berges erstreckte wie ein wild wucherndes Ekzem. Fünf Meilen weit bis zum Atlantik, kleinteilig zerstückelt in Grau und Weiß.
»Hat Regan dir gesagt, wer sie gefunden hat?«
»Nein.«
»Meinst du, er war’s?«
»Lass gut sein, Harry, mehr ist nicht zu holen.«
»Ja, ja.«
Ich holte den Tabak raus, schnorrte ein Blättchen und drehte mir eine Fluppe. »Na schön, überlass das mir. Ich werd mal ein bisschen rumtelefonieren. Es ist sowieso schon zu spät für die Abendausgabe.«
»Kilfeather ist ein Mistkerl.«
»Er ist Bulle, Herb. Das ist sein Job. Aber egal, Kilfeather ist nicht das Problem. Da ist so ein Riese aus der Stadt gekommen, der die Ermittlungen leitet.«
»Hast du von dem was erfahren?«
»Der würde mich nur bemerken, wenn ich auf ‘ne Leiter steige. Und noch was, du Schlaumeier: Wenn er rauskriegt, dass Regan unser Leck ist, dann wird er ihm noch ein paar Lecks verpassen, damit es richtig schön sprudelt.«
Herbie fluchte, zündete sich eine Selbstgedrehte mit seinem Tabak-Gras-Gemisch an und starrte den Garda-Beamten an, der an einem Pfosten an der Einfahrt lehnte. Pflückte eine Tabakkrume von seiner Unterlippe, schnippte sie in Richtung des Polizisten und ließ den Mittelfinger ausgestreckt. Der Bulle schaute ihn seelenruhig an. Herbie sagte: »Meinst du, die stecken mit drin?«
»Wer, die Bullen?«
»Wer denn sonst? Diese Arschlöcher hängen sich doch überall rein.«
»Herb, warum sollten die Bullen ein Interesse am Tod von Imelda Sheridan haben?«
»Vielleicht hat sie ein Bordell geleitet und den Inspektor in einer misslichen Lage erwischt. Vielleicht plante sie einen Staatsstreich, nach dem Motto ›Tony for President‹, und die Bullen haben Wind davon bekommen.« Er zuckte mit den Schultern. »Alles ist möglich.«
Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte.
»Hör auf mit dem Gras, Herb. Ernsthaft, Mann. Dein Kopf ist eine einzige Matschbirne.«
Er holte tief Luft und wurde richtig aufgeregt. Eindringlich sagte er:
»Das ist Stoff für die Titelseite, Harry. Richtig fette Schlagzeilen. Mit riesengroßen Fotos, die man schon von weitem sieht, und mein Name steht darunter. Meiner, nicht der von irgendeiner beschissenen Bildagentur.«
Die Agentur kassierte bei allem, was wir lieferten, eine Provision, und das war Herbie ein Dorn im Auge. Mir war es egal, dreißig Prozent auf nichts waren immer noch ungefähr nichts und fertig.
»Mach was Großes draus, Harry. Koks, Selbstmord, vielleicht auch Mord, alles dabei. Was brauchst du denn noch?«
»Wie wär’s mal mit Beweisen?«
»Was heißt denn hier Beweise?« Er hob seine Kamera an. »Die Bilder sind da, ich muss sie nur auf den Weg bringen. Richtig hübsch! Tussi mit ‘nem Loch im Hals, so groß, dass du die schwarze Kugel drin versenken könntest. Das Einzige, was ich noch brauche, ist ein Scheck mit ‘ner Unterschrift drauf.«
»Wie wär’s mal mit der Frage nach dem Motiv? Nur ein winziges Detail oder auch zwei?« Ich verstummte, weil ich den braunen Honda Civic bemerkt hatte, der gerade einparkte. Die Karosserie sah astrein aus, also konnte es nur ein Leihwagen sein. »Es muss richtig angegangen werden, Herb. Entweder ziehen wir das korrekt durch oder gar nicht.«
Er hörte den Civic, drehte sich um und zuckte mit den Schultern. Seine Wut verflog erstaunlich schnell.
»Es wird richtig angegangen, aber nicht von uns. Da kommt schon die Kavallerie.«
Sie war klein, höchstens eins sechzig und auf eine Art Ende zwanzig, die man jahrelang geübt haben muss. Ein orange-roter Pagenschnitt, der ein Auge verdeckte, dazu aprikosenfarbener Lippenstift. Ein freundliches Lächeln und jede Menge Sommersprossen auf der Stupsnase. Augen so tief, dass mir schwindelig wurde, und so groß, dass ich mich am liebsten auf sie gestürzt hätte.
»Gentlemen.« Sie hatte einen ganz leichten nordirischen Akzent.
»In dieser Umgebung ist das eine Beleidigung«, sagte ich. Ich deutete mit dem Kopf zum Haus. »So wie es aussieht, wurde die Pediküre für heute abgesagt.«
»Ich versuch mal mein Glück.«
Sie tauchte unter dem gelben Absperrband hindurch, hielt dem Garda-Beamten einen Ausweis unter die Nase und stolzierte über den Asphalt zum Haus.
Herbie warf sein Moped an, der Motor ratterte und klapperte, bis der Auspuff kleine schwarze Wolken ausspuckte.
»Soll ich dich mitnehmen?«
»Nein, danke. Ich hab es eilig.«
Er grinste verhalten, während er sich mit dem Helmgurt abplagte. »Kann ich sonst noch was tun?«
»Du könntest Infos über Tony Sheridan zusammensuchen. Hintergrundmaterial, alles was wir brauchen könnten, um die Story zu unterfüttern.«
»Geldgeschichten?«
»Genau, was fürs Gemüt. So viel Geld und dann wird leider die Frau abgemurkst. Das lieben die Leute.«
»Alles klar. Ich ruf dich später an.«
Ich war auf halbem Weg in die Stadt, schon am Friedhof vorbei, und fluchte, weil ich nicht mehr Blättchen von Herbie geschnorrt hatte, als mir endlich einfiel, wo ich den Wagen gelassen hatte. Im selben Moment schnurrte der Civic vorbei, blinkte links und hielt auf dem Seitenstreifen. Sie beugte sich über den Beifahrersitz, entriegelte die Tür und stieß sie auf. Sie sagte kein Wort, und ich wollte den schönen Moment nicht zerstören.
Sie war eine gute Fahrerin. Ihre Bewegungen waren geschmeidig, sicher, und sie sah mich nicht an, während sie fuhr. Aus der Nähe konnte ich erkennen, dass das zweiteilige Kostüm aus Bastseide war. Die kleine Brandnarbe knapp über ihrem linken Knie verfärbte sich jedes Mal weiß, wenn sie in einen anderen Gang schaltete.
Sie kam direkt zur Sache.
»Was haben Sie herausgefunden?«
»Nichts. Aber das bleibt unter uns.«
»Packen Sie Ihren Schwanz weg, das ist ein geschäftliches Gespräch.«
»Ich bin für strikte Trennung von Privatem und Geschäftlichem. Und mit Fremden mache ich keine Geschäfte. Vor allem nicht mit solchen, die mir sagen, ich soll meinen Schwanz wegpacken.«
Sie unterdrückte ein Lächeln und musste dafür nicht einen Muskel bewegen.