»Geht nicht«, schnarrte er. »Ich bin ab vier Uhr unterwegs. Dringende Geschäfte.«
»Perfekt. Dann achten Sie darauf, dass auch Ihr Mobiltelefon ausgeschaltet ist. Ich möchte nicht, dass jemand mit Ihnen Kontakt aufnimmt.«
Conway wohnte ungefähr zwei Meilen nördlich der Stadt, und seinem Haus fehlten höchstens drei Abwasserrohre, um es zu einem Anwesen zu machen. Es war ein plumper, quadratischer Bau im edwardianischen Stil, der die Persönlichkeit des protestantischen Besitzers widerspiegeln sollte. Efeu rankte sich üppig über die Backsteinmauern bis unter die Giebel, ein weißes Mercedes-Cabriolet mit Softtop parkte am Ende der Kieseinfahrt, und es gab ein Schlafzimmer für jeden Wochentag. Weit hinten war ein gebückter Gärtner damit beschäftigt, die welken Blätter vom Rasen zu harken, in einem Tempo, das sicherstellte, dass er anschließend die Osterglocken damit düngen konnte. Ich parkte meinen ramponierten VW Golf neben der Treppe, die zur Veranda führte, und stieg hinauf. Währenddessen dachte ich über das ausdrucksstarke Schimpfwort nach, das ich gelernt hatte, als ich Conway mitteilte, dass ich seine hübsche Ehefrau aufsuchen wollte.
Seine hübsche Tochter öffnete die Tür. Sie trug einen blauweiß gestreiften Pulli und hatte diesen verwirrenden Gesichtsausdruck, der allen siebzehnjährigen Mädchen eigen ist und der andeutet, dass sie gleichzeitig gereizt und zu Tode gelangweilt sind. Ihre blonden Haare waren zu einem Pferdeschwanz gebunden, und sie hatte die gleiche Nase wie ihre Mutter, die sie bei meinem Anblick rümpfte. Ihr Benehmen schien sie von ihrem Vater geerbt zu haben.
»Ja, bitte?«
»Mrs Conway?«
Auch das Lachen hatte sie von ihrem Vater geerbt.
»Mrs Conway ist meine Mutter. Was wollen Sie?«
»Ich bin mit Mrs Conway verabredet.«
»Und wer könnten Sie wohl sein?«
»Ich könnte Calvin Klein sein, aber vielleicht trage ich auch nur seinen Slip. Kann ich jetzt deine Mutter sprechen?«
Sie nagte an der Innenseite ihrer Lippe und war sprachlos. Ich musste zugeben, dass sie nicht wie ein Mädchen aussah, dass jemals eine Frage wiederholen musste, falls sie überhaupt je eine Frage stellte. Siebzehnjährige Blondinen mit großen blauen Augen und Hüften, die diesen Namen kaum verdienen, kennen intuitiv die Antworten auf alle Fragen, es ist wie ein Fluch. Sie drehte sich um und rief durch den Flur:
»Mutter, hier ist ein Herr an der Tür.«
Ihr Timing war schlecht, aber der Satz war echt gut. Dann zog Helen Conway die Tür weit auf, und ihre Tochter hörte auf zu existieren. Sie hatte kein Make-up aufgelegt und die Falten in ihren Augenwinkeln erinnerten mich an Anführungszeichen. Das schlichte schwarze Kleid hätte auch zur Totenwache eines Millionärs gepasst. Die schmale Perlenkette, die die sanfte Rundung ihres Halses unterstrich, war völlig überflüssig. Ihr Haar war pechschwarz, und wenn es gefärbt war, dann war ihr Stylist absolut unterfordert und sollte sich besser nach Rom aufmachen, um die Sixtinische Kapelle zu retuschieren.
»Ja?«
Höflich, eiskalt.
»Wie geht es Ihnen?« Ich lächelte einnehmend. »Ich habe eine Verabredung mit Mr Conway.«
»Mr Conway ist nicht zu Hause. Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
»Das hoffe ich sehr. Mein Name ist Bob Delaney.« Ich zog eine Karte aus der Tasche, auf der der Name Robert L. Delaney stand. Vertriebsleiter. »First Option« Lebensversicherungen.
»Das muss wohl ein Missverständnis sein.«
Sie gab mir die Karte zurück. Ich steckte sie wieder ein, immer noch lächelnd.
»Ganz bestimmt nicht. Ich habe gestern mit Mr Conway telefoniert. Er war sehr interessiert, darüber zu sprechen, inwieweit Sie Ihre laufenden Lebensversicherungsverträge im Rahmen einer Kostenreduzierungsstrategie vereinheitlichen können. Das ist unser Spezialgebiet bei First Option.«
»Wirklich wahr?« Sie klang leicht amüsiert. Die entzückende Miss Conway schnaubte kurz, drehte sich auf dem Absatz um und stapfte die Treppe in den ersten Stock hinauf. Kurz darauf war das gedämpfte Geräusch einer zugeworfenen Tür zu hören.
»Ja, genau so ist es.«
Meine Gesichtsmuskeln taten schon weh vom Lächeln. Wenn man innerhalb von sechzig Sekunden nicht ins Haus gebeten wird, dann stehen die Chancen schlecht, dass es noch klappt.
»Nun, wie ich schon sagte, Mr Conway ist nicht zu Hause im …«
»Kein Problem, ich warte gern.« Ich ging seitlich an ihr vorbei in den Hausflur und lächelte wieder. »Ich habe die Angewohnheit, immer ein bisschen zu früh zu meinen Terminen zu erscheinen.«
»Na ja, wenn Sie sicher sind …«
Sie kam schnell wieder zu sich und führte mich den Flur entlang. Auf halbem Weg hätte ich gern ein Taxi gerufen, aber wir schafften es schließlich bis zum Ende. Die Küche war eine einzige Pracht aus Chrom, edlem Holz und Terracotta-Fliesen. Die Rovers hätten mit je fünf Spielern pro Mannschaft darin herumkicken können, ohne den Koch zu stören, der sich wahrscheinlich ohnehin auf dem Rückweg vom Zwischengeschoss irgendwo verlaufen hatte.
»Hübsch«, sagte ich und nickte anerkennend. »Luftig.«
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten, Mr …?«
»Delaney. Aber sagen Sie einfach Bob, bitte. Eine Tasse Kaffee wäre wunderbar, wenn es Ihnen nicht zu viele Umstände macht.«
»Aber gar nicht, Mr Delaney. Cappuccino? Espresso?«
»Nur schwarz, bitte.«
Die Küche war sehr hell. Die Türen zum Patio reichten von der Decke bis zum Boden. Es gab keinen Swimmingpool im Garten, was mich überraschte, aber das Meer lag ja nur einen Salto weit entfernt, grau und düster und immer kurz vorm nächsten Zornausbruch. Im Hintergrund waren die schneebedeckten Donegal Mountains zu sehen, eine Aussicht, die man weder für Liebe noch für Geld kaufen konnte, auch wenn die Kombination aus beidem vielleicht für eine Anzahlung gereicht hätte. Sie schenkte mir eine schwarze Brühe ein aus dem Topf, der auf dem AGA-Herd gestanden hatte.
»Zucker?«
»Nein, danke, ich muss auf meine Figur achten.«
Sie lächelt distanziert wie eine Frau, die diese Sprüche schon so oft gehört hatte, dass sie nichts mehr darauf zu erwidern wusste. Sie stellte mir den Kaffee hin, sie selbst verzichtete und zündete sich eine Zigarette an, ohne mir eine anzubieten.
»Wenn Sie mich für einen Moment entschuldigen würden, Mr Delaney …«
Ich drehte mir eine Fluppe, während ich darauf wartete, dass sie zurückkehrte, nachdem sie vergeblich versucht hätte, ihren Mann zu erreichen, der nicht im Büro war und sein Mobiltelefon hoffentlich wie verabredet ausgeschaltet hatte. Falls nicht, steckten wir beide in Schwierigkeiten. Als sie wieder erschien, zündete sie sich eine weitere Zigarette an und nahm ganz entspannt Platz. Ich versuchte es noch mal mit einem dämlichen Grinsen und deutete auf die Terrassentüren.
»Na, hoffentlich regnet es heute nicht.«
»Sicher.« Ihre Stimme klang wie gefriergetrocknet, passend für eine Eiskönigin, und ich hätte mich nicht gewundert, wenn die Worte über den Tisch auf mich zugeschwebt wären und mich vergiftet hätten. »Sie sagten, Sie hätten mit Francis gesprochen?«
Francis?
»Ja, genau, gestern Nachmittag.«
»Und er möchte unsere Versicherungsverträge ändern?«
»Die meisten Menschen tun das, wenn sie erfahren, wie günstig die Bedingungen der First Option im Vergleich zu unseren Mitbewerbern sind.«
Sie kräuselte die Nase, als hätte sie etwas unangenehm Süßliches gerochen. Die meisten Menschen drehen durch, wenn man